Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 94. Sitzung / Seite 125

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Ein dritter Punkt – und damit schließe ich an die Ausführungen von Mag. Pollet-Kammerlander an –: Ich denke auch, daß das Unterhaltsrecht ein untauglicher Anknüpfungspunkt ist, um eine moderne Kinder- und Jugendförderung und damit Familienförderung zu begründen. Die ganze Geschichte der sozialen Emanzipation ist dadurch gekennzeichnet, daß Menschen aus existentiellen, materiellen Abhängigkeiten herausgelöst worden sind. Und das waren keine leichten, einfachen, geschenkten Prozesse. Das begann mit der Emanzipation der Sklaven, der Leibeigenen aus den Abhängigkeitsverhältnissen und setzte sich in der Sozialbewegung fort, indem Menschen unabhängig wurden, zumindest auf einem gewissen existenzsichernden Niveau unabhängig wurden gegenüber den Risken Krankheit, Alter oder auch Arbeitslosigkeit. Es sind soziale Netze geschaffen worden, die Menschen dann, wenn solch eine Risikosituation eintritt, nicht in völlige Abhängigkeit von sehr, sehr zufälligen Familien- oder Partnerverhältnissen geraten lassen.

Die einzige Personengruppe, der man diese Unabhängigkeit noch vorenthält, sind die Kinder. Diese werden beinhart auf das Unterhaltsrecht verwiesen und ideologisch ganz bewußt auch von den reaktionären Kräften dorthin gebracht. Auf einem Flugblatt der ÖVP heißt es: "Geben Sie der Jugend eine Chance! Entlasten Sie die Eltern!" Ich bin bei der ersten Botschaft gerne dabei. Der Jugend soll man viel mehr Chancen geben, als das heute der Fall ist. Aber dann fördern wir bitte die Jugend direkt und nicht, indem wir den reichen Herrn Papa entlasten! (Beifall bei den Grünen. – Zwischenbemerkung des Bundesministers Dr. Bartenstein. )

17.38

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Karl Gerfried Müller. – Bitte, Herr Abgeordneter, Sie sind am Wort. Die Redezeit, die Ihnen noch verbleibt, beträgt 3 Minuten.

17.38

Abgeordneter Karl Gerfried Müller (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundeskanzler! Geschätzte Herren Bundesminister! Österreich hat im europäischen Vergleich ein fortschrittliches, ausgereiftes und auch sehr hoch dotiertes Familienförderungssystem. Unabhängig vom Verfassungsgerichtshof, der dieses System ja nur in einem kleinen Bereich als verfassungswidrig aufgehoben hat, muß die Familienförderung ständig weiterentwickelt werden, um auch in Zukunft den gesellschaftlichen Rahmenbedingungen zu entsprechen.

Der Entschließungsantrag der Liberalen, in dem Reformvorschläge ohne Erhöhung von Steuern oder Abgaben eingefordert werden, würde meiner Meinung nach eine Umverteilung der Familienleistungen von den Familien mit geringen Einkommen hin zu den Großverdienern bedeuten. Da spielen wir Sozialdemokraten mit Sicherheit nicht mit!

Bei genauer Betrachtung des liberalen Modells zur Grundsicherung sind auch viele Widersprüche feststellbar. Im vorliegenden Modell wird der Unterhaltsanspruch vom Elterneinkommen mit maximal 70 Prozent berechnet, im heutigen Antrag ist nur mehr von 50 Prozent die Rede. Daraus schließe ich, daß die Liberalen selbst laufend Adaptierungen ihrer Vorschläge vornehmen, weil das vorliegende Papier einfach nicht umsetzbar ist.

Die Einbeziehung eines fiktiven Bezuges für Nichtverdienende finde ich grotesk. Zum Beispiel im ländlichen Bereich, wo es viele Alleinverdiener mit geringem Einkommen gibt, würde gerade dieser Vorschlag die Familienbeihilfe massiv reduzieren. Das kann wohl wirklich nicht ernstgemeint sein.

Selbstverständlich, geschätzte Damen und Herren, nehmen wir das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes zur Kenntnis, jedoch glaube ich, daß es diesem Haus vorbehalten sein muß, zu entscheiden, wie die zukünftige Familienförderung auszusehen hat. (Beifall bei der SPÖ.) Jedenfalls kann und darf es nicht sein, daß die Besserverdienenden noch höhere Förderungen bekommen als bisher. (Neuerlicher Beifall bei der SPÖ.)

Herr Kollege Schrefel! Über die Niederösterreichische Volkspartei beziehungsweise über die Medien haben Sie uns wissen lassen, daß der Verfassungsgerichtshof die Familienbesteuerung aufgehoben hat und "somit die Linie der Volkspartei in Richtung einer gerechten und verfas


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