Nationalrat, XXI.GP Stenographisches Protokoll 34. Sitzung / Seite 40

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10.42

Abgeordnete Inge Jäger (SPÖ): Herr Präsident! Meine Herren von der Bundesregierung! Frau Schaumayer! Sehr geehrte Damen und Herren! Auch ich begrüße das vorliegende Gesetz, weil es ein Beitrag zur Vergangenheitsbewältigung, zur Aufarbeitung unserer Geschichte ist. Ich bedauere jedoch, dass dieses Gesetz erst mehr als 50 Jahre nach Ende des Krieges und daher für viele Opfer zu spät kommt.

Ich möchte aber doch darauf hinweisen, dass der Text des vorliegenden Gesetzes bereits in der vergangenen Gesetzgebungsperiode vom ehemaligen Bundeskanzler Klima gemeinsam mit Ihnen, Herr Bundeskanzler Schüssel, vereinbart wurde. (Abg. Ing. Westenthaler: Das ist falsch!) Es ist im Regierungsabkommen gestanden und wurde Wort für Wort in das Abkommen zwischen ÖVP und FPÖ aufgenommen. (Abg. Schwarzenberger: Da sind Sie falsch informiert!)

6 Milliarden Schilling, die jetzt aufgebracht werden müssen, sind in der Summe viel, aber für den Einzelnen der ehemaligen Zwangsarbeiter, die etwas bekommen, ist es relativ wenig. Es kann das nur eine symbolische Handlung, eine symbolische Anerkennung sein. Wenn man bedenkt, welches Leid diese Menschen auf sich nehmen mussten, welche Erniedrigung, welche Demütigung sie erleiden mussten, muss man sagen: Das kann nur eine kleine Anerkennung sein!

Auf dem heutigen Gebiet Österreichs waren an die 700 000 ausländische Arbeitskräfte und Zwangsarbeiter untergebracht. Die Arbeitsbedingungen in den Konzentrationslagern, in den angeschlossenen Produktionsstätten waren besonders entsetzlich. Ich denke dabei nur an Mauthausen, an Gusen und Ebensee, wo mit dem Tod durch Arbeit klar kalkuliert und eine klare rassistische Kategorisierung vorgenommen wurde. So sind eben Juden, Roma und Sinti, sowjetische und polnische Zwangsarbeiter am untersten Ende der Häftlingshierarchie gestanden.

Es gilt, heute auch jener zu gedenken, die durch diese Zwangsarbeit zu Tode kamen. Vorsichtige Schätzungen gehen davon aus, dass allein in Mauthausen zirka 10 660 sowjetische Kriegsgefangene und Ostarbeiter durch diese Zwangsarbeit innerhalb weniger Monate getötet wurden.

Es wurde hier schon angesprochen, dass bis Mai 1942 die "Freiwilligen"-Werbung so aussah, zum Beispiel in Tschechien und Polen, dass durch Polizeieinheiten Hetzjagden auf Einkaufende, Straßenbahn- und Busfahrende durchgeführt wurden. Eine Chronik vom 15. Februar 1941 sagt aus:

Gestern fanden in verschiedenen Straßen Warschaus Menschenjagden statt. Man hielt die Straßenbahnen auf, fing alle jungen Leute, Männer und Frauen, ein, und diese wurden dann in die Zwangsarbeit geschickt.

Es ist heute auch schon angesprochen worden: Die Kriegswirtschaft konnte nur durch die Zwangsarbeiter aufrechterhalten werden.

Es stellt sich bei uns wirklich die Frage: Warum ist die Anwesenheit so vieler Zwangsarbeiter aus der Erinnerung der Österreicher und Deutschen, aus deren Nachkriegsbewusstsein fast rückstandslos ausradiert worden? – Das Deutsche Reich war mit Lagern übersäht, und im Gegensatz zu den Massenvernichtungen in Osteuropa war das Elend der Zwangsarbeiter unmittelbar vor der eigenen Haustür.

Ich möchte daran erinnern, dass unsere Landwirtschaft, dass vor allem aber die großen Elektrizitätsunternehmen, die großen Kraftwerke, wie Kaprun, Enns-Kraftwerke, auf die wir in der Nachkriegszeit so stolz waren, überwiegend durch Zwangsarbeit errichtet wurden, dass die österreichische Wirtschaft nach dem Krieg auch davon profitiert hat, dass diese Zwangsarbeiter Grundlagen geschaffen haben, auf denen nach dem Krieg aufgebaut werden konnte.

Deshalb hoffe ich sehr, dass sehr bald auch die Unternehmen ihren Beitrag zu dieser Vergangenheitsbewältigung leisten werden. Angesichts der Hochkonjunktur erwarte ich mir rasche Zahlungen der betroffenen Unternehmen.


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