Nationalrat, XXI.GP Stenographisches Protokoll 36. Sitzung / Seite 191

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10. Punkt

Bericht des Justizausschusses über die Regierungsvorlage (64 der Beilagen): Vertrag zwischen der Republik Österreich und der Republik Kuba über die wechselseitige Vollziehung gerichtlicher Entscheidungen in Strafsachen (291 der Beilagen)

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Wir gelangen nun zu den Punkten 9 und 10 der Tagesordnung, über welche die Debatte unter einem durchgeführt wird.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Ich ersuche, die Debatte zu eröffnen.

Erster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Jarolim. – Bitte.

20.57

Abgeordneter Dr. Johannes Jarolim (SPÖ): Herr Bundesminister! Ein paar kurze Bemerkungen zum vorliegenden Gesetzentwurf: Wir lehnen ihn ab, und zwar deshalb, weil diesem Entwurf kein echtes Änderungsbedürfnis, sondern offensichtlich allein das Bestreben nach der Umsetzung dessen, was ursprünglich bei der Präsentation des Justizprogramms der Regierung als Khol-Fekter-Kurs bezeichnet worden ist, zugrunde liegt. Ich möchte betonen, dass Justizminister Böhmdorfer in dieser Angelegenheit, wie mir schien, zunächst einen anderen Standpunkt bezogen hatte. Bei der Präsentation dieses Fekter-Khol-Justizprogramms war von Seiten der Kommentatoren die Rede von einer Rückkehr zum alten germanischen Rachedenken, von einer Signalgesetzgebung und davon, dass dieser Entwurf eines Justizprogramms eigentlich den Namen nicht verdient.

Wenn man sich das heutige Gesetzesvorhaben ansieht, so geht es im Grunde genommen darum, eine an sich ohnedies klare Regelung nunmehr noch mit dem Satz "Erforderlichenfalls ist auch Anzeige zu erstatten" auszustatten. Es geht im Grunde genommen darum, dass Sie jenen Personen, die mit dieser Materie arbeiten – das sind in erster Linie Psychologen und Therapeuten –, grundsätzlich, so wie Sie das in letzter Zeit auch immer wieder bei Richtern tun, Misstrauen aussprechen und meinen, dass diese im Umgang mit Kindern und Jugendlichen nicht die entsprechende Verantwortung aufweisen würden. Man müsse sie daher darauf hinweisen – in der letzten Ausschusssitzung war eigentlich nur mehr von "darauf aufmerksam machen, dass sie so etwas wissen müssten", die Rede, was ja an sich schon grotesk ist –, dass sie die Möglichkeit der Erstattung einer Anzeige haben.

Wenn dieser Entwurf oder dieses Vorhaben auch nur einigermaßen intellektuell argumentiert werden kann, dann bin ich diskussionsbereit. Ich habe bis jetzt allerdings noch kein einziges Argument gehört, das über das, worum es hier tatsächlich geht – nämlich um eine rein emotional angelegte Kampagne, mit der gezeigt werden soll: Wir müssen unsere Jugend schützen, weil ja offenbar irgendjemand anderer gegen diese Jugend auftreten würde!, was ja grotesk ist! –, hinausgehen würde. Das ist daher eine Emotionalisierung, die wir ablehnen. Es geht hier, wie ich bereits gesagt habe und wie auch aus Zitaten einiger Professoren hervorgeht, um ein Rachedenken, das diesen Khol-Fekter-Kurs ursprünglich gekennzeichnet hat und das auch im Zusammenhang mit diesem Entwurf noch als ein solches zu bezeichnen ist. Dass Minister Böhmdorfer und die FPÖ dann hier mit eingestimmt haben, ist bedauerlich. (Präsident Dr. Fischer übernimmt wieder den Vorsitz.)

Ich darf bei dieser Gelegenheit allerdings noch ein Weiteres einbringen: Es wäre höchst an der Zeit, dass wir uns mit Fristen auseinander setzen, und zwar deshalb, weil der Verfassungsgerichtshof bei einem Urteil in Salzburg, bei dem das Verfahren, glaube ich, zehn Jahre lang gedauert hat – das Urteil war also einige Meter dick –, festgestellt hat, dass hier die übliche Berufungsfrist von vier Wochen ganz einfach zu kurz ist und daher künftig bei besonders schwierigen Materien eine längere Berufungsfrist möglich sein soll.

Die Anwaltskammer hat dieses Bedürfnis aufgegriffen und hat einen durchkonstruierten Entwurf einer Änderung der StPO-Fristen erstellt – es waren dies die Kollegen Soyer, Lewisch und Zitta.


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