Nationalrat, XXI.GP Stenographisches Protokoll 48. Sitzung / Seite 132

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17.58

Abgeordnete Mag. Martina Pecher (ÖVP): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Sehr geehrte Frau Staatssekretärin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Erlauben Sie mir, dass auch ich einige grundlegende Überlegungen zum Thema Budget, zum Thema Staatsverschuldung und zur Frage des richtigen Zeitpunktes für die wichtige Sanierung der Verschuldung anstelle.

Meine persönliche Überzeugung ist, dass wir mit der Sanierung der Staatsfinanzen schon viel zu lange gewartet haben und dass in der Vergangenheit gegenüber dem Bürger ein Schleier der Intransparenz über die Schuldenlast des Staates gelegt wurde. Erst Maastricht hat für den Bürger und für die Bürgerin unseres Landes Transparenz gebracht, vor allem was die Staatsverschuldung Österreichs im europäischen Vergleich anbelangt. Da war das Erschrecken sehr groß.

Österreich belegt im europäischen Vergleich in Hinsicht auf das Budgetdefizit den letzten Rang, aber noch viel unerfreulicher ist es natürlich für die österreichischen StaatsbürgerInnen, dass dieses Defizit für die österreichischen Steuerzahler hohe Zinsen und hohe Steuerlasten bedeutet. Wenn der sozialistische Minister außer Dienst Caspar Einem vorige Woche doch tatsächlich behauptete – und ich zitiere aus dem Stenographischen Protokoll, das ich mir habe ausheben lassen –, dass ein Staat ohne Staatsschulden entweder nichts in seine Zukunft investiere oder in der Gegenwart viel zu viel verlange, dann meine ich, dass Herr Dr. Einem entweder etwas verwechselt oder absolute Realitätsverweigerung betreibt.

Wir sind ja weit davon entfernt, keine Staatsschulden zu haben, sondern das, was wir mit den Budgetmaßnahmen jetzt anstreben, ist, dass wir im Jahre 2002 keine Neuverschuldung mehr dazubekommen, um die Steuerschulden von bereits 2 400 Milliarden Schilling nicht noch weiter ansteigen zu lassen. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Sehr geehrte Damen und Herren! Es wird noch viel spannender, denn ich habe auch noch die Quelle gefunden, aus der Dr. Einem seine Weisheit, dass der Staat ohne Staatsschuld von seinen Bürgern zu viel verlangt, bezieht: Er hat ein Lehrbuch aus dem Jahre 1871 ausgegraben (Heiterkeit bei der ÖVP), von einem gewissen Lorenz von Stein. (Abg. Dr. Trinkl: Aber! Ganz "aktuell"!)

Meine verehrten Damen und Herren! Wenn die sozialdemokratische Fraktion keine aktuelleren wirtschaftswissenschaftlichen Abhandlungen zur Verfügung stellt, dann darf man sich nicht wundern, dass wir nach 30 Jahren unter sozialdemokratischen Finanzministern derart verschuldet sind. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Was hat denn dieser Herr von Stein 1871 nicht alles versäumt, was ja doch für die Beurteilung einer adäquaten Staatsverschuldung notwendig wäre? – Zwei Weltkriege, Staatsbankrott, industrielle Revolution, Aufbau eines Sozialsystems, die europäische Vereinigung und, und, und. Aber vor allem, sehr geehrte Damen und Herren, konnte sich Herr von Stein wahrscheinlich nicht einmal in seinen kühnsten Träumen vorstellen, dass ein kleines Land wie Österreich 700 Milliarden Schilling für Sozialausgaben aufwendet.

Und genau das ist der Punkt: Schulden für Investitionen, die irgendwann Rückflüsse erwarten lassen, ja, aber die laufenden Ausgaben sind aus den laufenden Einnahmen zu decken. Ich möchte dazu Herbert Giersch zitieren, Professor für Wirtschaftspolitik, Gastprofessor an der Yale-Universität und bis 1989 Präsident des Instituts für Weltwirtschaft.

Er hat gesagt: Wie es für Unternehmen und für Bürger außer Frage steht, können sich grundsätzlich auch Staaten und Gebietskörperschaften verschulden. Besondere Bedenken aber erheben sich so lange nicht, wie der Gegenwert der Schulden in Investitionen besteht, die sich rechnen. Soweit die Schulden jedoch dazu dienen, den öffentlichen Verbrauch zu finanzieren, und soweit sie mit Fehlinvestitionen verbunden sind, werden künftige Generationen von Steuerzahlern per saldo belastet, mehr belastet, als ihnen an Nutzen zufließt. – Zitatende.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Diese Zusammenhänge erkennt auch die österreichische Wirtschaft, und das ist der Grund dafür, dass auch die österreichische Wirtschaft zu


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