Nationalrat, XXI.GP Stenographisches Protokoll 72. Sitzung / Seite 45

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Der Herr Bundeskanzler hat gesagt, das Kind solle im Zentrum stehen, nicht ein abstrakter Versicherungsanspruch. Mütter, Kinder, Väter seien gleichwertig. – Das klingt gut. Nur: Ich habe mir diesen Gesetzentwurf, diese Regierungsvorlage sehr genau angeschaut und muss sagen: Ich finde dieses Prinzip in dieser Regierungsvorlage nicht wirklich. Es wird darin ja nicht einmal das Koalitionsübereinkommen umgesetzt. Dort war schon einmal nicht die Gleichheit von Müttern und Vätern drinnen, aber es war immerhin ein deutlicherer Anreiz für Väter, auch ihre Familienpflichten wahrzunehmen. Es war im Koalitionsübereinkommen eine Teilung der Karenzzeiten im Verhältnis 24 : 12 Monate vorgesehen; 12 Monate für den Vater gemeint. Warum Sie sich jetzt davon entfernen, warum Sie den Vätern weniger Rechte in der Familie zugestehen wollen, das ist die Frage. Jedenfalls ist das eine eindeutige ideologische Verschlechterung, und ich bedauere das sehr. (Beifall bei den Grünen.)

Meine Damen und Herren! Ich teile die Meinung der Kollegin Prammer, dass Familienpolitik, die Sorge um Kinder, um Eltern losgelöst zu sehen ist von der Bevölkerungspolitik. Es wird in der Regel wahrscheinlich eine gewisse Übereinstimmung geben. Wenn es den Eltern, wenn es den Kindern gut geht, wenn Vertrauen auch in die Stabilität der staatlichen Einrichtungen besteht, dann wird es ein Klima geben, das für Kinder positiv ist.

Wenn Sie aber auch die Bevölkerungspolitik mit hineinziehen, dann stelle ich mir die Frage: Warum haben wir denn nicht das, was eigentlich europäischer Standard ist? Warum orientieren wir uns nicht an so genannten Best-Practice-Modellen und schauen nicht einmal: Gibt es irgendwo ein Land, in dem es vielleicht schon besser gelungen ist, diese verschiedenen Ziele – Familie, Beruf, Kinder – unter einen Hut zu bekommen? Dann stellt sich eigentlich sehr schnell heraus, dass es Staaten gibt, in denen der Geburtenwunsch deutlich besser realisierbar ist, in denen die Geburtenquote viel höher liegt als bei uns – das sind nahezu alle skandinavischen Staaten – und in denen die Berufstätigkeit von Frauen und Männern viel ausgeglichener ist, wo es Eltern, Vätern und Müttern, möglich ist, in der Zeit, in der kleine Kinder zu betreuen sind, beruflich ein wenig zurückzutreten und dafür teilweise Transferleistungen zu erhalten. Es gibt Länder, in denen beide, Frauen und Männer, die Pflicht der Kinderbetreuung wahrnehmen können. Diese Länder gibt es, und dort liegt die Geburtenquote – obwohl sie nahezu überall in Europa rückläufig ist – deutlich über der österreichischen Quote.

Da stelle ich mir schon die Frage: Warum haben wir nicht einmal gemeinsam über die Parteigrenzen hinweg diskutiert? Warum ist in diesen Ländern die Vereinbarkeit offenbar zumindest ein bisschen besser?

Es zeigt sich, dass es dort erstens einmal eine Vollausstattung mit wirklich guten, qualitätsgesicherten Kinderbetreuungseinrichtungen gibt, natürlich dem Alter angepasst, nicht gleich für die ganz kleinen und etwas größeren Kinder, und es gibt dort auch ein flächendeckendes Teilzeitangebot auch für Männer. Die Männer sind in Österreich bei der Teilzeitarbeit kaum vertreten.

Diesen kleinen Teil von Karenz-Varianten, wo die Männer auch in Österreich ein bisschen stärker vertreten waren, zumindest mit 10 Prozent bei der Teilzeitkarenz, machen Sie mit diesem Modell kaputt. Die Teilzeitkarenz in der heutigen Form wird es nach dieser Regierungsvorlage auf Grund der Zuverdienstgrenzen, die alle Männer – auch die Teilzeit arbeitenden – trifft – schauen Sie sich die Statistiken an, Herr Spindelegger! –, letztlich nicht mehr geben. Ich finde das schade, denn das war der positivste und entwicklungsfähigste Ansatz für so eine neue, moderne Familie in Österreich. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Die Länder, in denen die Stellung der Frau besser und die Diskriminierung geringer ist, in denen die Geschlechter etwas gleicher sind, zeichnen sich dadurch aus, dass es ganz kurze Phasen der Vollkarenz und dann ausgebildete Teilzeitmodelle gibt. Schauen Sie sich an ... (Abg. Großruck: Welche Länder meint sie? Die Türkei?)

Da kommen Fragen aus den ÖVP-Bankreihen, welche Länder das sind, und das finde ich traurig! Herr Bundeskanzler, das verhindert einen Konsens in Rot-Weiß-Rot. Ich hätte es gerne den Kolleginnen und Kollegen von der ÖVP erklärt, denn diese Unterlagen gibt es. Aber nun gibt


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