Nationalrat, XXI.GP Stenographisches Protokoll 83. Sitzung / Seite 50

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Abgeordnete Dr. Evelin Lichtenberger (Grüne): Sehr geehrte Damen und Herren! Als ich meinem Vorredner Westenthaler zuhörte, bekam ich den Eindruck, dass es in diesem Haus zwei Regierungsvorlagen gibt: eine, die ihm zur Verfügung stand, in der zum Beispiel die Verländerung der Bundesstraßen enthalten ist, und eine, die im Ausschuss behandelt wurde, in der die Verländerung der Bundesstraßen nicht enthalten ist. Es ist über sehr vieles gesprochen worden, was sich nicht auf dieses Papier bezieht. Das möchte ich in der Folge aufzeigen.

Es sind viele Worte des Lobes gefallen. Ich kann mich diesem Lob aber wirklich nicht anschließen. (Abg. Großruck: Warum nicht? Ein kleines Lob vielleicht! Abg. Schwarzenberger: Schade!) Bei einer allgemeinen Betrachtung dieser vorliegenden Novelle kann ich das wirklich nicht als großen Wurf bezeichnen, sondern maximal als "PEPSL". Das ist eine Abkürzung, die für "Problemerzeugende Pseudolösung" steht. So kann man die gesamte Arbeit hier bezeichnen. (Beifall bei den Grünen und der SPÖ. Abg. Ing. Westenthaler: Ob da nicht Pepsi-Cola was dagegen hat?)

Zunächst einmal möchte ich festhalten, dass gerade die Grünen an einer fundierten Bundesstaatsreform, die in eine Aufgabenreform mündet und dann eine Verwaltungsreform – durchaus mit Bürokratieabbau – zur Folge hat, äußerst interessiert wären. Das wäre auch eine Vorgangsweise gewesen, von der nicht nur die Bürgerin und der Bürger, sondern auch die Transparenz der Verwaltung sehr profitiert hätte.

Wir haben in dem, was Sie herausgegriffen haben, also im Verlagern auf andere Ebenen oder im Deregulieren, beim besten Willen keine Systematik erkennen können. Das ist offensichtlich alles nach dem Zufallsprinzip erfolgt – und das Zufallsprinzip ist immer dann ein schlechter Berater, wenn es um so grundsätzliche Fragen wie eine Bundesstaatsreform geht.

Das Ziel einer echten Bundesstaatsreform mit einem besseren Service für die Bürgerinnen und Bürger – das wäre unseres gewesen. Sie sind mit dieser Regierungsvorlage bei weitem nicht dieser Intention, die Sie ja auch geäußert haben, nachgekommen. (Beifall bei den Grünen.)

Es hat sich zum Beispiel nichts daran geändert, dass der österreichische Föderalismus immer schon ein Vollzugs- und Abschreibeföderalismus gewesen ist; er ist es jetzt noch mehr geworden. Aber Sie haben zusätzlich einige verfassungsrechtliche Schräglagen konstruiert, die man wirklich deutlich aufzeigen muss, denn sie bewirken das Gegenteil von dem, was Sie in den Mittelpunkt gestellt haben, nämlich ein besseres Service für die Bürgerin und den Bürger vor Ort. Deswegen beginne ich in dieser ganzen Frage natürlich mit der Verlagerung auf die untere Ebene, auf die Bezirkshauptmannschaft.

Grundsätzlich ist es richtig, die Rechtsmöglichkeiten so nahe wie möglich an den Bürgerinnen und Bürgern in der Region anzusiedeln. Grundsätzlich falsch ist es aber, zu glauben, dass man unter einem Einsparungsdruck das Service für Bürgerinnen und Bürger verbessern kann, denn klar ist schon, meine Damen und Herren: Es nützt mir als Bürgerin überhaupt nichts, wenn ich es weniger weit zum entsprechenden Amt habe, aber dort keiner mehr sitzt, der mir hilft, der mich berät und der auch in entsprechender Zeit die Verwaltungsverfahren, auf die ich angewiesen bin, abwickelt. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Die Einsparungen, die Sie, meine Damen und Herren von der ÖVP und von der FPÖ, sich von diesem Gesetzeswerk erwarten, diese Einsparungen gehen voll auf Kosten der Länder. Die Länder müssen zusätzliche Aufgaben übernehmen. Die Bezirkshauptmannschaften müssen neu gestaltet werden. Anders sind diese zusätzlichen Verfahren auf keinen Fall zu bewältigen. Aber vor allem müssen die Länder die unabhängigen Verwaltungssenate, die jetzt sehr, sehr viele Berufungsentscheidungen treffen werden, natürlich ausbauen, denn sonst kann diese Menge an neuen Verfahren, die auf sie zukommt, ja überhaupt nicht bewältigt werden.

Abgesehen davon, dass Sie hier ein verfassungsrechtliches Problem kreieren – schließlich gibt es mehrere Urteile, die die Abschaffung der mittelbaren Bundesverwaltung nur mit einer Verfassungsänderung nahe legen, wie zum Beispiel das Urteil zur Kellereiinspektion von 1987, in dem die mittelbare Bundesverwaltung als Wesenselement des österreichischen Föderalismus ge


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