Nationalrat, XXII.GP Stenographisches Protokoll 18. Sitzung / Seite 199

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3. Punkt

Erste Lesung: Antrag der Abgeordneten Karl Öllinger, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Opferfürsorgegesetz, BGBl. 183/1947, geändert wird (86/A)

 


Präsident Dr. Heinz Fischer: Wir kommen zum 3. Punkt der Tagesordnung.

Der Antragsteller hat das Privileg der Begründung. – Bitte, Herr Abgeordneter Öllinger.

 


20.20

Abgeordneter Karl Öllinger (Grüne): Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es ist ein Thema, zu dem ich schon mehrmals gesprochen habe (Zwi­schenruf der Abg. Steibl.) – Frau Kollegin Steibl, Sie sollten vielleicht bei diesem The­ma etwas vorsichtiger sein –, und bei dem ich im Ausschuss, aber auch in Plenarde­batten sehr unterschiedliche Debattenbeiträge erlebt habe.

Ich kann mich auch an Debattenbeiträge in der letzten Sitzung des Sozialausschusses erinnern, die durchaus von einer hohen Intensität und Bereitschaft – was nicht immer der Fall war – aller DebattenteilnehmerInnen, sich auf das Thema einzulassen, getra­gen waren.

Es ist ganz eigenartig, dass das ein Thema ist, das uns, obwohl es so viele Jahre zu­rückliegt, noch immer auf so merkwürdige Art und Weise berührt, dass es zu durchaus großen Aggressionen kommen kann und auch gekommen ist.

Im Wesentlichen betrifft es einen Bereich, von dem man glauben möchte, es sollte eigentlich schon alles geregelt sein, weil die Republik in bestimmten anderen Teilberei­chen, wo es um die Anerkennung von NS-Opfern geht, zumindest mittlerweile – und ich lasse jetzt die Vergangenheit beiseite – aus den Erfahrungen gelernt hat und etwas getan hat. Und dann gibt es jene Bereiche, über die wir heute in erster Lesung spre­chen: Zwangssterilisierte, homosexuelle Opfer des Nationalsozialismus und die so ge­nannten Asozialen. Das sind beispielsweise die Kinder vom Spiegelgrund, die dort in den Anstalten traktiert wurden, auch zu Tode gebracht wurden, wo noch immer etwas ganz Merkwürdiges in der Luft liegt: Ja dürfen wir jetzt denen zu ihrem Recht verhel­fen? Hat das nicht Auswirkungen auf die Republik?

Alle diese Fragen haben den Ausschuss, beispielsweise in der letzten Debatte, be­schäftigt. Ich erspare es mir jetzt, Ihnen die Details dieser vielen Debatten, die wir schon hatten – und davon war die letzte Debatte im Ausschuss bis zum Ende eine der spannendsten –, wiederzugeben, weil ich mir einfach nur wünsche, dass wir bei der nächsten Debatte im Ausschuss uns nicht nur bis zum Schluss, sondern bis zu einer positiven Beschlussfassung die Kraft nehmen und endlich über die Hürde drüberhup­fen und dass wir diesen nicht anerkannten Opfern des Nationalsozialismus, und zwar nur im Opferfürsorgegesetz, jetzt doch endgültig, nachdem diese Angelegenheit über 50 Jahre zurückliegt, zu ihrem Recht verhelfen.

Ich kann Ihnen nur ein Beispiel sagen, und das betrifft die Zwangssterilisierten. Um die hat sich in der Zweiten Republik nie irgendwer gekümmert. Alle diese zwangssterilisier­ten Opfer, und das sind Frauen gewesen, leben wahrscheinlich nicht mehr. Es geht also gar nicht mehr darum, dass man über diese Anerkennung als Opfer noch irgend­jemandem eine materielle Wiedergutmachung geben müsste, und trotzdem gibt es im Kreis der Familienangehörigen genügend Menschen, die sich genau das von der Re­publik erwarten: eine symbolische Geste. In dem einen oder anderen Bereich, ob das jetzt bei den Zwangssterilisierten sein mag, bei den homosexuellen Opfern des Natio­nalsozialismus, jedenfalls aber auch bei den so genannten Asozialen, gibt es Perso­nen, die noch leben und die sich zumindest das erwarten.

 


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