Nationalrat, XXII.GP Stenographisches Protokoll 22. Sitzung / Seite 174

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19.12

Abgeordnete Theresia Haidlmayr (Grüne): Herr Präsident! Herr Vizekanzler! Frau Staatssekretärin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Präsident, ich würde mir wünschen, dass Gebärdensprache in diesem Haus in Zukunft nicht nur eine Ein­tagsfliege ist und zweimal im Jahr für 10 oder 15 Minuten gesprochen wird, sondern dass Gebärdensprache wirklich als Sprache anerkannt wird und auch in diesem Haus die Übersetzung in Gebärdensprache eine Selbstverständlichkeit wird. Ich denke, ge­rade im Europäischen Jahr der Menschen mit Behinderung wäre es ein gutes Zeichen, wenn wir das langfristig einführen könnten! (Allgemeiner Beifall.)

Dass dies möglich ist, ist keine Illusion. Ich möchte nur darauf hinweisen, dass es im Wiener Gemeinderat selbstverständlich ist, dass alle Gemeinderatssitzungen in Ge­bärdensprache gedolmetscht werden. Und was sich der Wiener Gemeinderat leisten kann, muss sich auch das Parlament leisten dürfen.

Was das Europäische Jahr der Menschen mit Behinderung betrifft, haben wir alle sehr große Hoffnungen in dieses Jahr gesteckt, weil wir gemeint haben – und mit „wir“ mei­ne ich immer „wir Menschen mit Behinderung“ –, dass sich sehr viel verändern wird. Franz-Joseph Huainigg hat es schon erwähnt: Ein halbes Jahr ist es her, seitdem es dieses Jahr gibt. Es sind angeblich noch viele Veranstaltungen geplant, aber bis jetzt ist sehr wenig wirklich passiert, und das finde ich ganz einfach schade.

Die Europäische Union hat uns vorgegeben, dass sich substanziell etwas ändern muss, im Interesse der Menschen mit Behinderung und in Richtung des Rechts auf Selbstbestimmung von Menschen mit Behinderung. Was wir bis jetzt geschafft haben, nämlich dass es die Arbeitsgruppe im Bundeskanzleramt gibt, ist ein erster Erfolg.

Aber ich möchte diesen Erfolg nicht überbewerten, weil das Gesetz noch nicht hier im Haus ist. Ob im Parlament tatsächlich beschlossen wird, dass es ein Gleichstellungs­gesetz gibt, das Menschen mit Behinderung einklagbare Rechte zuschreibt, werden wir erst sehen. Ich hoffe, dass es gelingen wird, und ich wünsche mir, dass Sie alle nicht blockieren, sondern dies auch in Ihre Länder transportieren und dort sagen, wie notwendig und wichtig Behinderten-Gleichstellung ist. Hier geht es ganz einfach um ein legitimes Menschenrecht, das uns Menschen mit Behinderung in gleicher Weise zu­steht, wie es nicht behinderte Menschen selbstverständlich für sich in Anspruch neh­men! (Beifall bei den Grünen und der SPÖ sowie bei Abgeordneten der ÖVP.)

Hätten wir schon ein Behinderten-Gleichstellungsgesetz, dann wäre es auch selbstver­ständlich, dass Parlamentsreden in Gebärdensprache übersetzt werden müssen. Denn wäre das bei einem bestehenden Gesetz nicht der Fall, dann wäre das selbstverständ­lich eine Diskriminierung von gehörlosen Menschen, und gehörlose Menschen hätten in diesem Fall ein Klagerecht, weil sie von Kommunikation ausgesperrt werden. Ich habe Ihnen dieses Beispiel nur genannt, damit Sie eines sehen: Hier geht es um ganz klare Menschenrechte – nicht um Almosen und irgendwelche Nettigkeiten, sondern um Rechte!

Ich möchte noch einen Punkt zum Kapitel Budget und Soziales erwähnen, und zwar das Pflegegeld. 1993, das ist heute schon erwähnt worden, wurde das Pflegegeld ein­geführt, und 1993 wurde auch festgeschrieben, dass es eine jährliche Valorisierung gibt. 1996 wurde diese Valorisierung von SPÖ und ÖVP aus dem Gesetz eliminiert, und seither hat es keine einzige Valorisierung mehr gegeben. Das heißt, der Verlust für jeden einzelnen Pflegegeldbezieher und für jede einzelne Pflegegeldbezieherin beträgt inzwischen mehr als 25 Prozent. Ich glaube, da ist mehr als Handlungsbedarf ange­sagt! (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Es hat ja auch so ausgesehen, wie wenn – nur habe ich schon im Dezember gewusst, dass das „wie wenn“, nämlich wenn Minister Haupt wieder Sozialminister wird, dann


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