Nationalrat, XXIII.GPStenographisches Protokoll31. Sitzung / Seite 123

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12.26.12

Abgeordneter Dr. Franz-Joseph Huainigg (ÖVP): Frau Präsidentin! Herr Bundes­minister! Frau Bundesministerin! Hohes Haus! Was ist vorstellbar? – Als ich 1975 in die Schule hätte kommen sollen, hat es geheißen: Das geht nicht! Für körperbehinderte Kinder gibt es keine Möglichkeit im Regelschulwesen.

Was ist vorstellbar? – Als ich Anfang der neunziger Jahre Lesungen in Schulen gehalten habe, mit Lehrern über Schulintegration diskutiert habe, hat es geheißen: Kör­perbehinderte Kinder – kein Problem, aber geistig behinderte Kinder, das geht nicht, das ist nicht machbar!

Inzwischen hat sich sehr viel geändert. Wir blicken auf 15 Jahre Schulintegration im Regelschulwesen zurück, und die Integration von behinderten Kindern hat auch eine neue Pädagogik in das Schulsystem gebracht, Individualförderung, bei der sowohl das beste Kind als auch das Kind, das nicht so gut ist, gefördert wird. Jedes Kind wird entsprechend seinen Fähigkeiten gefördert und gefordert.

Wenn wir heute hier einen Antrag zur Weiterentwicklung der Schulintegration nach der 8. Schulstufe einbringen, so ist das ein wichtiger und konsequenter weiterer Schritt. Wir haben in den letzten Jahren auch schon gute Erfahrungen in den Berufsschulen gemacht, wo die Integration schon sehr gut funktioniert.

Es freut mich auch, dass dieser Antrag – wie im Ausschuss – vermutlich von allen fünf Parlamentsparteien unterstützt wird. Wir müssen uns heute aber auch fragen: Was ist noch vorstellbar? – Und da stellt sich die Frage: Ist auch ein Lehrer im Rollstuhl vorstell­bar, ein gehörloser Lehrer oder ein blinder Lehrer? Ein Abgeordneter mit Be­atmungsmaschine? – Das war eine Fangfrage. (Beifall bei ÖVP und SPÖ. – Abg. Mag. Hakl: Bravo! Ja, ist vorstellbar!)

Ich glaube, es ist wirklich vieles vorstellbar, und es sollte auch umgesetzt werden. Leider gibt es jetzt aber eine Verordnung zu den neuen Pädagogischen Hochschulen, wo wieder die Zugangsbeschränkung der körperlichen Eignung vorgesehen ist. Ich meine, das ist Diskriminierung. Bislang hat niemand die Pädak besuchen dürfen, der behindert ist – sollte nicht mehr vorkommen. Wir haben diese Zugangsbeschränkung auch im Zuge des Gleichstellungsgesetzes aus allen Gesetzesmaterien gestrichen.

Ich nehme Ihnen, Frau Bundesministerin, durchaus ab, dass Sie eine andere Intention verfolgen, aber ich möchte Sie auch von diesem Platz aus ersuchen, diese Verordnung abzuändern beziehungsweise zurückzunehmen. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

Das Berufsleben von behinderten und nicht behinderten Menschen bringt beiden Seiten etwas. Ich möchte es an meinem Beispiel festmachen.

Meine parlamentarische Mitarbeiterin ist zum Beispiel einmal in einem ÖBB-Zug „Schmiere“ gestanden, als ich dringend aufs Klo musste und ungestört von der Assistentin katheterisiert wurde.

Oder: Als ich vor einem Jahr drei Wochen in den Tiefschlaf gefallen bin, hat sie allein die Geschäfte weitergeführt.

Oder: Als ich danach wieder da war, aber nicht sprechen konnte, es mit der Atem­kanüle erst wieder lernen musste, da war das für sie auch kein Problem, denn sie konnte ja inzwischen meine Gedanken lesen.

An diesen Herausforderungen ist sowohl sie als auch ich gewachsen. Heute hört sie diese Rede wahrscheinlich über die Lautsprecherbox in ihrem Büro mit – morgen wechselt sie nach fünf Jahren zur Wirtschaftskammer. Ich hoffe, Kollege Mitterlehner, ihr wisst, welches Geschenk ihr da bekommt.

 


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