Nationalrat, XXIII.GPStenographisches Protokoll9. Sitzung / Seite 22

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9.18.40

Bundeskanzler Dr. Alfred Gusenbauer: Sehr verehrter Herr Bundespräsident! Frau Präsidentin des Nationalrates! Hohes Haus! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Was immer wir Politikerinnen und Politiker tun, was immer wir in den kommenden vier Jahren umsetzen wollen, im Mittelpunkt stehen für uns Österreich und das Wohl der Österreicherinnen und Österreicher. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

Aus diesem Grund ist es mir eine große Ehre, Ihnen heute als Bundeskanzler das Programm der neuen Bundesregierung in seinen Grundzügen vorstellen zu dürfen. Bevor ich aber auf die Pläne für die Zukunft eingehe, erlauben Sie mir einen kurzen Rückblick.

Am 1. Oktober 2006 haben die Wählerinnen und Wähler in unserem Land ihre Entscheidung getroffen. Das Ergebnis der Nationalratswahlen hat die österreichische Sozialdemokratie zur stimmen- und mandatsstärksten Fraktion im Parlament gemacht, knapp gefolgt von der Österreichischen Volkspartei.

Mein Ziel war es, den Auftrag des Bundespräsidenten, eine neue Bundesregierung zu bilden, so zu erfüllen, dass eine möglichst stabile Regierung für diese Gesetz­gebungs­periode zustande kommt.

Ich habe aus diesem Grund den Vorsitzenden der zweitstärksten Partei, Dr. Wolfgang Schüssel, zu Verhandlungen eingeladen. Sie alle, meine Damen und Herren, kennen den Verlauf dieser Verhandlungen, die phasenweise sehr schwierig waren. Auf beiden Seiten hat nicht immer großes Vertrauen geherrscht. Tief waren da und dort vielleicht auch Verletzungen und Vorbehalte, die von den Auseinandersetzungen der letzten Jahre zwischen Regierung und Opposition herrühren.

Schließlich haben auch zwei Parteien miteinander verhandelt, die in vielen Punkten unterschiedliche Auffassungen und Programme vertreten. Ich sage das hier und heute sehr offen, weil diese Unterschiede auch nicht plötzlich verschwunden sein werden.

Auch mag im Hinblick auf den Wahlausgang die Euphorie auf der einen und die Enttäuschung auf der anderen Seite zu Irritationen beigetragen haben. Diese sind mittlerweile ausgeräumt. An ihre Stelle ist das Bewusstsein getreten, dass die Bereit­schaft zum Kompromiss und zur Zusammenarbeit zum Wesen der Demokratie zählt, und eine gemeinsame Freude und Zuversicht, unser Land in den nächsten Jahren in eine gute Zukunft zu führen.

Letztlich ist beiden Verhandlungspartnern auch klar gewesen, welche Verantwortung sie gegenüber dem Souverän, gegenüber den Bürgerinnen und Bürgern unseres Landes tragen. Das Wahlergebnis war Auftrag zur Kooperation, wenn man eine stabile Bundesregierung haben will.

Und so haben wir zwischen der Sozialdemokratischen Partei und der Österreichischen Volkspartei eine Zusammenarbeit für die nächsten vier Jahre vereinbart – mit einem sehr ambitionierten Programm, das die Handschrift beider Partner trägt.

Ein weiteres offenes Wort: Große Koalitionen stehen unter einem gewissen General­verdacht. Das Wechselspiel zwischen Regierung und Opposition werde durch eine zu große parlamentarische Mehrheit ausgehebelt, Proporz und Postenschacher wären an der Tagesordnung, und so manche andere Vorwürfe mehr ließen sich aufzählen.

Aber denken wir doch zurück. Wir stellen fest, es hat Zeiten gegeben, in denen große Koalitionen tatsächlich Großes geleistet haben – wie den Wiederaufbau unseres Landes nach der Katastrophe des Nationalsozialismus oder den Beitritt Österreichs zur Europäischen Union. Andererseits können wir uns auch an Perioden des Stillstandes und der wechselseitigen Blockade erinnern.

 


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