13.28
Abgeordnete Dr. Pamela Rendi-Wagner, MSc (SPÖ): Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich möchte am Beginn meiner Rede auf die schockierenden Frauenmorde der letzten Wochen zu sprechen kommen und allen Kindern und Verwandten auch mein Mitgefühl und mein Beileid zum Ausdruck bringen.
Der österreichische Autor Erich Fried hat es in seinem Gedicht „Die Gewalt“ sehr deutlich auf den Punkt gebracht. Er hat geschrieben: „Die Gewalt fängt nicht an, / wenn einer einen erwürgt. / Sie fängt an, wenn einer sagt: ‚Ich liebe dich: / du gehörst mir!‘“
Neun Frauenmorde seit Jahresbeginn, neun Frauenmorde in nur vier Monaten: Diese Morde richtig zu benennen ist wichtig. Sie richtig zu benennen ist deswegen wichtig, um sie auch nachhaltig bekämpfen und neue verhindern zu können, denn die Zurückweisung durch eine Frau ist niemals Motiv für einen Mord. (Beifall bei SPÖ und Grünen, bei Abgeordneten von ÖVP und NEOS sowie der Abg. Strache.)
Das Motiv eines Frauenmordes ist vielmehr Frauenhass. Das Motiv ist das immer noch sehr stark ausgeprägte Machtgefälle zwischen Männern und Frauen in Österreich. Das Motiv ist die wirtschaftliche Abhängigkeit der Frauen verbunden mit Besitzdenken vieler Männer. Ja, diese Frauenmorde haben System, so sagt es Andrea Brem, Chefin der Wiener Frauenhäuser, und sie hat recht damit. Diese Frauenmorde haben System, sie sind ein gesellschaftliches, kein privates Problem – und genau das gilt es zu benennen, und vor diesem gesellschaftlichen Problem dürfen wir alle die Augen nicht verschließen. (Beifall bei der SPÖ, bei Abgeordneten von ÖVP und Grünen sowie der Abg. Strache.)
Wegschauen gilt nicht! Bei neun Frauenmorden ist jeder Mord einer zu viel. Wegschauen gilt nicht, nur Hinschauen und Handeln gilt! Deswegen: Sehr geehrte Damen und Herren, schauen wir hin, handeln wir (Abg. Angerer: ... zur Sache, Herr Präsident!) und beschließen wir heute gemeinsam ein so notwendiges Sofortpaket zum Schutz der Frauen in Österreich! (Beifall bei der SPÖ.) Lassen Sie uns gemeinsam hier und heute mehr als nur Zeichen setzen, mehr als nur Entsetzen und Mitgefühl zum Ausdruck bringen! Lassen Sie uns gemeinsam handeln und Taten setzen! Wir müssen anfangen, dieser Brutalität endlich ein Ende zu setzen, denn wir alle sind Teil dieser Gesellschaft, in der genau dieser Kreislauf der Gewalt gegen Frauen ihren Ursprung nimmt. Ja, es ist unsere Verantwortung, sehr geehrte Damen und Herren! (Beifall bei der SPÖ sowie der Abg. Strache.)
Zum heutigen Thema der Sondersitzung: Sehr geehrter Herr Bundesminister, wir wissen es alle, es ist viel zu lange. Seit 14 Monaten hat diese Pandemie unser aller Leben fest im Griff. In dieser Zeit wurden hier im Haus natürlich zum Teil sehr unterschiedliche Standpunkte vertreten, aber ein Ziel, denke ich, vereint uns, nämlich dass wir dieses schmerzhafte Kapitel Corona endlich hinter uns lassen. Dafür gibt es seit mehr als vier Monaten weltweit ein Mittel, und dieses Mittel heißt Impfung.
Ja, seit vier Monaten läuft in Österreich die historisch gesehen größte Impfaktion, die es je gegeben hat, wobei man sagen muss, dass der Beginn dieser Impfaktion in Österreich sehr pannenreich war. Sie begann viel zu langsam, gelieferte Impfstoffe wurden anfänglich mehr gebunkert als verimpft. Es wurden bis heute Versprechungen gegeben, viele davon sind noch immer nicht eingelöst worden. Es gab Lieferausfälle, zu wenig Impfstoff für viele Altersgruppen, Risikogruppen.
Über all dem steht die Tatsache, dass die Bundesregierung bei der EU-Bestellung nicht das ganze Kontingent für Österreich ausgeschöpft hat. Sie wissen, die Verantwortung dafür wurde in den letzten Monaten hin- und hergeschoben und wird noch immer hin- und hergeschoben, es wurde innerhalb der Bundesregierung darüber gestritten, aber jetzt, vier Monate nach diesem Impfstart, sind endlich über zwei Millionen Menschen in Österreich geimpft. Der Großteil der Älteren – noch immer nicht genug, würde ich sagen –, der Risikopatientinnen und ‑patienten ist durchgeimpft und damit auch geschützt. Für die nächsten Wochen werden große Lieferungen versprochen, und das ist gut, damit hoffentlich für alle in Österreich Lebenden genug Impfstoff zur Verfügung steht.
Das Ziel kann aber nicht nur sein, genug Impfstoff zu haben, Herr Bundesminister, das Ziel muss auch sein, eine hohe Impfbereitschaft in der Bevölkerung nachhaltig zu erreichen, denn nur wenn sich wirklich viele, sehr viele in Österreich impfen lassen, haben wir auch, so ehrlich muss man sein, eine realistische Chance, diese Pandemie zu kontrollieren.
Wir wissen aus Studien, dass rund 20 Prozent der Bevölkerung Impfungen gegenüber doch sehr skeptisch eingestellt sind. Unser gemeinsames Ziel – und ich sage bewusst: unser gemeinsames Ziel – muss es sein, genau dieses wichtige Fünftel in der Bevölkerung zu überzeugen, und zwar – da bin ich vollkommen auf Ihrer Linie – nicht mit Impfzwang (Abg. Kickl: Ach!), sondern mit klaren und ehrlichen Antworten auf die Fragen der Bevölkerung. (Beifall bei der SPÖ. – Zwischenruf der Abg. Belakowitsch.)
Je mehr Menschen sich impfen lassen, desto stärker und desto erfolgreicher sind wir als Gemeinschaft im Kampf gegen dieses Virus. Jetzt, da auch immer mehr Menschen die Möglichkeit haben, diese Impfung zu bekommen, ist es nicht nur infektiologisch, medizinisch richtig, sondern vor allem auch ethisch sinnvoll und richtig, geimpften, negativ getesteten und genesenen Menschen gleiche Rechte zu geben. Die Daten zeigen, dass die Impfung nicht nur vor schwerer Erkrankung schützt, sondern dass man zu einem Großteil auch davor geschützt ist, dieses Virus im Fall einer Reinfektion weiterzugeben. (Abg. Stefan: Gesunde ...!)
Der Besuch beim Wirten, beim Friseur, von Konzerten oder Theateraufführungen oder das Reisen – alles ist künftig möglich, wenn man genesen, negativ getestet oder geimpft ist. Das ist ein Prinzip, das uns, glaube ich, leider länger begleiten wird. (Abg. Belakowitsch: Länger?!) Daher muss es gut durchdacht sein, wenn es um die Umsetzung dieses Prinzips geht. Wichtig ist aus unserer Sicht dabei, dass es eine praktische, eine praktikable Lösung für alle in Österreich gibt, auch für die älteren Menschen, die kein Hightechsmartphone für das Auslesen von QR-Codes besitzen. Wichtig ist eine Lösung mit Weitsicht, bei der im Sinne unserer Reisefreiheit weit über unsere nationalen Grenzen hinaus gedacht wird. Wichtig ist, eine Lösung zu haben, bei der natürlich vorsichtig und sorgsam mit den persönlichen Daten der Bevölkerung umgegangen wird.
Nicht wichtig ist die Farbe dieses Passes. Ob lila, orange oder grün, Herr Bundesminister, das ist PR, das ist kein Inhalt und völlig nebensächlich. (Beifall bei der SPÖ.)
Um der Normalität näher zu kommen, wird es aber auch notwendig sein, so rasch wie möglich alle Kinder und Jugendlichen zu impfen. Sie wissen das, wir haben auch darüber gesprochen: Für die 12- bis 16-Jährigen könnte das bald schon der Fall sein, wenn die EMA dazu grünes Licht gibt. Die Durchimpfung der Schülerinnen und Schüler sollte – das wäre eigentlich das Ziel –, wenn es sich ausgeht, noch vor Schulbeginn im Herbst erfolgt sein, damit die Schulen dann nicht mehr zugesperrt werden müssen. Je mehr Menschen sich impfen lassen – und das ist klar –, desto eher kann die heimische Wirtschaft wieder zurück zu alter Stärke kommen, desto eher können Menschen wieder Beschäftigung finden, desto eher können Schulen offen bleiben und zu 100 Prozent unterrichten und desto eher können wir gemeinsam das Pandemiekapitel hinter uns lassen. – Vielen Dank. (Beifall bei der SPÖ.)
13.37
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordnete Fürst. – Bitte sehr.