13.50

Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz Dr. Wolfgang Mückstein: Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! Sehr geehrte Zuseherinnen und Zuseher zu Hause! Ich möchte mich zuerst einmal bei Ihnen allen dafür bedanken, dass es möglich war, dass wir diese Sondersitzung des Nationalrates so rasch gemeinsam beschlossen haben, dass es hier eine parteiübergreifende Einigung gegeben hat; denn ich glaube, das Thema ist wichtig, und es ist wichtig, bei allen unterschiedlichen Zugängen ein gemeinsames Signal zu senden. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

Das Signal, das wir alle hier aussenden, heißt, dass wir die größte Gesundheitskrise, die es in der Zweiten Republik gegeben hat, ernst nehmen und dass sie gemeinsam ernst genommen wird. Ich bin aber auch davon überzeugt, dass diese grundsätzliche Einig­keit, die wir dazu haben, enorm wichtig ist, denn nichts ist für die Bevölkerung schlimmer als Verunsicherung, und nichts ist schlimmer als eine Verunsicherung, die einen abhält, persönlich wichtige Entscheidungen zu treffen.

Lassen Sie mich aber bitte vorher noch auf ein anderes, sehr besorgniserregendes The­ma Bezug nehmen! Wir haben erst Mai, es ist nicht einmal die Hälfte des Jahres um. Bis jetzt, Anfang Mai, haben neun Männer neun Frauen ermordet. Neun Mal hat ein Mann entschieden, dass eine Frau ihr Leben so nicht weiterführen darf.

Vergangenen Donnerstag hat ein Mann seiner Ex-Freundin in den Kopf geschossen. Anfang April ist eine Frau nach einem Monat Krankenhaus an ihren schweren Verbren­nungen gestorben. Der Mann hat sie mit einer brennbaren Flüssigkeit übergossen und angezündet. Im Februar hat ein Mann zuerst seine Frau ins Krankenhaus geprügelt, und als sie dann nach einigen Tagen entlassen worden ist, hat er sie erwürgt.

Das sind jetzt nur drei Beispiele, drei Frauen, die alle 20, 25, 30 Jahre alt waren, und wenn ich darüber als Vater und als Mann nachdenke, dann macht mich das traurig und wütend. Was mich besonders wütend macht, ist, dass hier oft versucht wird, ein Bezie­hungsdrama oder eine enttäuschte Liebe hineinzuinterpretieren und zu sagen: Vielleicht war die Frau doch auch ein bisschen daran schuld! – Das ist doch unglaublich, bitte!

Ich möchte auch in dieser Sondersitzung ganz klar sagen: Wenn ein Mann eine Frau schlägt, wenn ein Mann eine Frau umbringt, dann ist er zu 100 Prozent selber daran schuld. Er hat die Verantwortung. Hier gibt es keinen Interpretationsspielraum und hier gibt es keine Grauzonen. (Beifall bei Grünen, ÖVP, SPÖ und NEOS.)

Aber zurück zum Thema der heutigen Sondersitzung. Es herrscht sicher auch hier im Haus Einigkeit darüber, dass wir alle bald wieder in unser altes Leben zurückwollen. Wir machen uns alle gemeinsam Gedanken darüber, wie wir Österreich wieder aufsperren können. Wir alle sehnen uns danach, weil wir verdammt lange darauf gewartet haben, wieder unsere Familie zu treffen, wieder Sport zu betreiben, wieder zu reisen, wieder zum Friseur, ins Kino oder ins Gasthaus zu gehen.

Deshalb haben wir in der Bundesregierung einen Plan ausgearbeitet, wie dies am bes­ten, nämlich – das ist mir als Arzt und Gesundheitsminister besonders wichtig – mit größtmöglicher Sicherheit, durchzuführen ist. Ich glaube, ich verrate hier kein Geheim­nis, wenn ich sage, dass die Verhandlungen dazu kein Spaziergang waren, aber wir haben es geschafft, den größtmöglichen Interessenausgleich zwischen Öffnung und Si­cherheit, zwischen Stadt und Land und auch zwischen den Bundesländern herzustellen. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

Mein wichtigstes Ziel in den kommenden Tagen und Wochen ist es, trotzdem die Inten­sivstationen zu entlasten. Wir brauchen dieses Sicherheitsnetz. Das ist das oberste Ziel. Niemand soll sterben müssen, weil es kein Intensivbett für ihn gibt. Da geht es nicht nur um Coronapatienten, die dringend Beatmungsgeräte und intensive Betreuung brauchen. Es kann jeder von uns auch einmal einen Autounfall, einen Herzinfarkt oder einen Blind­darmdurchbruch erleiden.

Ich möchte darum alle Bürgerinnen und Bürger bitten: Bitte halten Sie die Schutzmaß­nahmen weiterhin konsequent ein! Kontakte reduzieren, Abstand halten, FFP2-Masken tragen, so kann jeder und jede mithelfen, das gemeinsame Ziel zu erreichen und Todes­fälle zu vermeiden. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

Impfen ist der Weg zurück in unser altes Leben. Impfen ist der Weg zurück, um wieder unsere Freunde in die Arme zu nehmen, wieder ins Gasthaus zu gehen, ins Kino zu gehen, ins Fitnesscenter zu gehen und zu reisen. Darum appelliere ich an jeden Einzel­nen und an jede Einzelne: Wenn Sie die Gelegenheit haben, dann lassen Sie sich bitte impfen! Nehmen Sie den erstmöglichen Impftermin wahr! (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

Ich weiß auch, dass es derzeit immer noch nicht genug Impfstoff gibt. Ich weiß, dass es daher vielen nicht rasch genug geht. Auch mir geht es mit den Impfungen nicht rasch genug. Es gibt aber auch gute Nachrichten: Die Impfkampagne in Österreich hat Fahrt aufgenommen. Rund ein Viertel der impfbaren erwachsenen Bevölkerung hat den Erst­stich bekommen; und wir gehen davon aus, dass wir Mitte, Ende Mai der Hälfte der impfbaren erwachsenen Bevölkerung zumindest den ersten Stich anbieten können.

Wir werden dazu Mitte Mai die Phase 3 starten. Wir werden dann viele Leute unter 65 impfen, die Lücken über 65 schließen und auch das betriebliche Impfen ermöglichen. Mit der Kombination von Impfen und Testen werden wir bei der Pandemiebekämpfung entsprechende Fortschritte machen und daher in absehbarer Zeit, am 19. Mai, die be­kannten Öffnungsschritte setzen können. Voraussetzung dafür – das möchte ich hier auch sagen – ist, dass die Zahl der Neuinfektionen deutlich sinkt und dass die Lage auf den Intensivstationen ausreichend entspannt ist. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Abgeordnete! Liebe Damen und Herren! Ich komme jetzt dazu, warum es eben so wichtig ist, dass wir heute zu dieser Sondersitzung zusammengekommen sind. Es ist rechtlich geboten, dass für Personen, von denen nur eine geringe epidemiologische Gefahr ausgeht, pandemiebezogene Einschränkungen aufgehoben werden. Das muss insbesondere auch für Geimpfte gelten. Die Möglichkeit dafür schafft diese Gesetzesnovelle, die heute im Nationalrat beschlossen werden soll. In einem ersten Schritt sollen in Zukunft Geimpfte von der Testpflicht befreit werden kön­nen. Die bisherigen wissenschaftlichen Erkenntnisse betreffend die Schutzwirkung der zugelassenen Impfstoffe machen es möglich, diesen erfreulichen Schritt zu setzen.

Daran hängen natürlich auch viele Detailfragen, etwa: Ab wann gilt die Impfung? Wie lang gilt sie? – Wir brauchen differenzierte Antworten auf diese Fragen, basierend auf aktuellem Wissen und den Fachempfehlungen. Das heißt, wir arbeiten gerade im Rah­men dieser Verordnung die Rahmenbedingungen aus. Wir müssen der Impfung natürlich Zeit geben, zu wirken. Derzeit sagen uns die Experten, dass drei Wochen nach dem ersten Stich, nach der ersten Teilimpfung von einer ausreichenden Wirkung ausgegan­gen werden kann. Die meisten Impfungen benötigen aber noch eine zweite Teilimpfung. Daraus ergibt sich je nach Impfstoff eine kürzere oder längere Schutzfrist.

Das heißt, wir müssen dafür sorgen, dass sich möglichst viele Menschen impfen lassen und dass beim Dreiklang geimpft-getestet-genesen ausreichend Kapazität für das Tes­ten da ist.

Ich unterstreiche nochmals: Die Öffnungsschritte, den Weg zurück kann es nur geben, wenn hier alle mitmachen und vor allem auch mitmachen können. Deshalb ist es wichtig, dass wir heute beschließen, keinen Unterschied mehr zu machen und Getesteten, Ge­nesenen und Geimpften im Rahmen der geplanten Öffnungsschritte gleichermaßen die Teilnahmemöglichkeit am öffentlichen Leben einzuräumen. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

Wir hatten bereits Ende April über zwei Millionen Menschen, die die erste Teilimpfung bekommen haben. Diese müssen sich dann, nämlich ab 19. Mai, nicht mehr testen las­sen, weil der Impfschutz hergestellt ist. Das schafft einen enormen Freiraum um den 19. Mai herum, wo wir enorme Testkapazitäten brauchen werden für diejenigen, die sich zum Beispiel nicht impfen lassen können oder das nicht wollen. Auch das muss man respektieren. Wir schaffen freie Testkapazitäten, indem wir beschließen, dass Personen, die vor mindestens drei Wochen geimpft wurden, sich nicht mehr testen lassen müssen. Und natürlich soll das auch ein Anreiz dafür sein, dass man sich impfen lässt.

Meine Damen und Herren, lassen Sie mich eines ganz klar sagen: Wir tun heute das Richtige, und dafür möchte ich mich bei Ihnen allen bedanken.

Zum Schluss möchte ich noch einen Appell an Sie richten, die Sie uns jetzt hier zusehen, an die Österreicherinnen und Österreicher zu Hause: Wenn Sie die Gelegenheit haben, dann lassen Sie sich bitte bei der ersten Möglichkeit impfen! – Vielen Dank. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

14.02

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Scherak. – Bitte.