13.22
Bundeskanzler Sebastian Kurz: Grüß Gott, sehr geehrte Damen und Herren! Herr Präsident! Geschätzter Herr Vizekanzler! Liebe Mitglieder der Bundesregierung! Sehr geehrter Herr Parlamentspräsident Fico, ich darf Sie auch ganz herzlich in Österreich begrüßen! (Zwischenrufe der Abgeordneten Hafenecker und Steger.) Ich habe vielleicht die Möglichkeit, jetzt auf das zu antworten, was Abgeordneter Krainer gerade ausgeführt hat. Geschlossen hat er mit den Worten: „ohne Anstand, ohne Respekt und ohne Moral. Das ist Ihr Charakter“, um mir dann im nächsten Satz persönlich alles Gute zu wünschen. (Zwischenruf bei der SPÖ.)
Ich kann Ihnen nur sagen, sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete, als Regierungsmitglied, insbesondere als Bundeskanzler, gerade in Zeiten einer Pandemie, in Zeiten einer Weltwirtschaftskrise, da trifft man täglich schwierige Entscheidungen. (Moi-Rufe bei der SPÖ.) Man hat täglich die Aufgabe, abzuwiegen: zwischen dem Gesundheitsschutz auf der einen Seite und dem Recht von Schülerinnen und Schülern, in die Schule zu gehen, auf der anderen Seite. Man hat die Aufgabe, zwischen dem Schutz von Risikogruppen und auf der anderen Seite dem Eingriff in Freiheitsrechte abzuwiegen. (Zwischenruf der Abg. Belakowitsch.)
Bei all diesen Entscheidungen wissen wir in der Bundesregierung stets: Egal, wie wir uns entscheiden, es wird Kritik seitens der Opposition geben. Und wissen Sie was, sehr geehrte Damen und Herren? Das ist fordernd – ich gebe das zu –: zu wissen, egal wie man sich entscheidet, man wird kritisiert. Aber es ist auf der anderen Seite auch wichtig, weil der demokratische Diskurs, auch das Fordern einer Regierung, das Kritisieren von Entscheidungen, das ist ganz wesentlich in einer liberalen Demokratie. (Abg. Bösch: Ah! – Abg. Kickl: Das war jetzt aber ...!)
Dass man persönlich attackiert wird, dass man persönlich angegriffen wird (Ruf bei der FPÖ: Das ist neu!), das gehört anscheinend auch dazu. Und ich gebe zu, man muss einiges aushalten, aber ich habe mich in all den Jahren der Spitzenpolitik ganz gut daran gewöhnt. (Abg. Kickl: Na, das glaub ich nicht!) Aber die letzten Tage, Wochen und Monate haben aus meiner Sicht einen neuen Höhepunkt in der Art und Weise der Debatte gebracht, denn es geht überhaupt nicht mehr um den Wettbewerb der besten Ideen. (Zwischenrufe der Abgeordneten Hafenecker und Belakowitsch. – Abg. Kickl: Das ist jetzt die alte Rede ...!) Es geht nicht einmal mehr darum, die Entscheidungen anderer zu kritisieren, sondern es geht absolut und ausschließlich nur darum, andere zu diffamieren, zu beschädigen und irgendwie zu vernichten. (Anhaltender Beifall bei der ÖVP. – Moi-Rufe bei SPÖ und FPÖ.)
Die Taktik ist ja eine eindeutige. (Zwischenrufe bei der FPÖ sowie des Abg. Loacker.) Sehr geehrte Damen und Herren, es ist doch offensichtlich, dass so etwas sogar schon manchen Parteiobleuten der Opposition selbst zu schmutzig ist. Es ist nicht einmal mehr die Parteiobfrau Rendi-Wagner, die selbst diese Rede hält (Zwischenruf bei der SPÖ), sondern es werden Personen wie Abgeordneter Krainer ausgewählt, die dann über andere sagen: „ohne Anstand, ohne Respekt und ohne Moral. Das ist Ihr Charakter“. (Abg. Kickl: Ich sage es Ihnen ...! – Zwischenruf des Abg. Scherak. – Abg. Belakowitsch: Was geht Sie das an, wer da redet?!) – Eine Art und Weise der Selbsterhöhung der eigenen Person, der eigenen Partei, die nichts mehr mit demokratischem Diskurs zu tun hat. (Beifall bei der ÖVP. – Zwischenrufe der Abgeordneten Belakowitsch und Rauch. – Abg. Kickl: Kafkaesk!)
Sehr geehrte Damen und Herren, wenn Sie sich mit den Österreicherinnen und Österreichern unterhalten (Zwischenruf des Abg. Hafenecker), dann werden Sie feststellen, dass die Masse der Menschen sich gerade die Frage stellt: Wie schaffen wir es, die Pandemie zu überwinden? (Zwischenruf der Abg. Belakowitsch.) Wie schaffen wir es, gut das wirtschaftliche Comeback zustande zu bringen?, und vor allem: Wie schaffen wir es, Menschen, die ihren Job verloren haben, wieder in Beschäftigung zu bringen? (Zwischenruf des Abg. Loacker.)
Trotzdem beschäftigen wir uns hier im Parlament mit dem sogenannten Ibiza-Untersuchungsausschuss. Obwohl ich zugeben muss, dass mich diese Thematik mittlerweile ein Stück weit emotionalisiert, versuche ich trotzdem, zunächst einmal das anzusprechen, was uns verbindet. (Zwischenruf der Abg. Belakowitsch.) Es verbindet uns meiner Meinung nach parteiübergreifend ein klares Bekenntnis zum Rechtsstaat und ein klares Bekenntnis zur parlamentarischen Kontrolle. (Abg. Leichtfried: Ach so!) Und ja, U-Ausschüsse können ein wesentlicher Beitrag zur parlamentarischen Kontrolle sein. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen. – Abg. Bösch: Ganz was Neues!)
Was uns trennt, sehr geehrte Damen und Herren, ist die Art und Weise, wie der Ausschuss angelegt wird. (Abg. Kickl: Sie haben es unterschätzt! – Zwischenruf des Abg. Bösch.) Es geht nämlich – und ich war dort selbst als Auskunftsperson geladen – nicht mehr um Wahrheitsfindung, sondern einzig und allein um Diffamierung des politischen Gegners. (Abg. Belakowitsch: Das ist eine Unterstellung, Herr Bundeskanzler!) Ich bin selbstverständlich meiner Pflicht nachgekommen, dort als Auskunftsperson zur Verfügung zu stehen. Ich habe wahrheitsgemäß geantwortet und nach bestem Wissen und Gewissen dort agiert. (Abg. Kassegger: Was ist Ihr Zugang ...?)
Was ich auf der anderen Seite erlebt habe, waren Unterstellungen wie jetzt gerade, verbunden mit Suggestivfragen und am Ende des Tages mit dem Versuch, einem das Wort im Mund zu verdrehen, und die entsprechenden Anzeigen wurden selbstverständlich mitgeliefert. (Beifall bei der ÖVP. – Moi-Rufe bei der FPÖ. – Abg. Hafenecker: Seien Sie froh, dass Sie jetzt Beschuldigter sind! – Zwischenruf der Abg. Steger. – Abg. Kickl: So ein armes ...! – Abg. Leichtfried: Das würde doch der Präsident nie zulassen!)
Geschätzte Damen und Herren von der Opposition! Es ist Ihre Entscheidung, wie Sie Oppositionspolitik betreiben. Es ist auch Ihre Entscheidung, welchen Stil Sie für passend empfinden. Es ist auch Ihre Entscheidung, wie weit Sie gehen wollen, dabei andere herabzuwürdigen und schlechtzureden. Aber Gott sei Dank, sehr geehrte Damen und Herren, leben wir in einer Demokratie, und das ist das Gute.
Herr Abgeordneter Krainer, Sie haben von Macht gesprochen. Die Macht in Österreich, die liegt bei den Wählerinnen und Wählern, und dort genügt es Gott sei Dank nicht, andere zu diffamieren und schlechtzureden, sehr geehrte Damen und Herren! (Beifall bei der ÖVP. – Zwischenruf des Abg. Amesbauer.)
Nachdem mein Team und ich zweimal bei Wahlen in Österreich gewählt worden sind, möchte ich heute das Versprechen abgeben, dass wir erstens diese Methoden als Volkspartei sicherlich nicht übernehmen werden. (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Deimek: Was ist mit den Dossiers?!) Zweitens: Wir werden uns auch sicherlich nicht davon abbringen lassen, daran zu arbeiten, wofür wir gewählt sind, nämlich im Moment die Pandemie zu bekämpfen, das wirtschaftliche Comeback zustande zu bringen (Zwischenrufe bei der FPÖ) und die Menschen wieder in Beschäftigung zu bringen, die ihren Job verloren haben. (Beifall bei der ÖVP.)
Abschließend, sehr geehrte Damen und Herren, ist mir eines wichtig: Herr Abgeordneter Krainer hat am Ende gesagt, er kann sich vorstellen, dass das nicht ganz angenehm ist, wenn man Beschuldigter ist. Er hat nicht dazugesagt, wer mich angezeigt hat. Er hat dann weiter ausgeführt, dass er mir persönlich alles Gute wünscht. (Zwischenruf der Abg. Belakowitsch.) Ob ich ihm das abnehmen kann, das weiß ich nicht, aber mir ist schon wichtig, eines festzuhalten (Abg. Belakowitsch: So weinerlich sind Sie heute!): So mühsam und so schwierig die letzten Tage auch waren, so dankbar bin ich für die unzähligen Rückmeldungen, die ich erhalten habe, nicht nur von Wählerinnen und Wählern der Volkspartei, sondern auch von vielen, die eigentlich Ihre Parteien gewählt haben (Heiterkeit bei Abgeordneten der FPÖ – Abg. Belakowitsch: Ja, sicher!) und die mir gesagt haben, dass sie diesen Stil in der Politik weder gutheißen noch unterstützen wollen, sehr geehrte Damen und Herren. (Anhaltender Beifall und Bravorufe bei der ÖVP.)
Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete, ich komme jetzt zur Beantwortung der an mich gerichteten Fragen. (Abg. Zanger: Bleiben Sie bei der Wahrheit!)
Zu den Fragen 1 und 47:
Dazu möchte ich festhalten (Abg. Kickl: ... vorsichtig formulieren!), dass bereits Ihre Frage unterstellend ist. Ich habe im Untersuchungsausschuss nach bestem Wissen und Gewissen die Wahrheit gesagt. (Abg. Belakowitsch: Was ist da unterstellend?)
Zu den Fragen 2 und 3:
Ich habe dazu schon öffentlich Stellung genommen und auch Gespräche mit den betroffenen Personen geführt.
Zu den Fragen 4 und 5:
Seitdem ich politisch tätig bin, hat es immer einen Alleinvorstand in der Beteiligungsverwaltung gegeben, und das ist daher auch nichts Ungewöhnliches. Zudem liegt die Öbag im Verwaltungsbereich des Finanzministeriums. Alles Weitere habe ich bereits im U-Ausschuss beantwortet und ist im Befragungsprotokoll nachzulesen.
Zu den Fragen 6 bis 17:
Die Bestellung der Aufsichtsräte in der Öbag ist laut Bundesministeriengesetz eine Aufgabe des Finanzministeriums, und der Finanzminister hat diese Entscheidung auch getroffen. Wie im U-Ausschuss bereits ausgeführt, wird man als Bundeskanzler bei Aufsichtsratsbestellungen von Minister zu Minister unterschiedlich – manchmal mehr, manchmal weniger – informiert. Grundsätzlich treffen die zuständigen Minister ihre Entscheidungen. Im Regelfall werde ich danach informiert, manchmal werde ich vorher um meine Meinung gefragt. Wichtig ist, dass die Personen immer qualifiziert sind.
Ich schreibe und erhalte täglich Hunderte Nachrichten und habe mindestens ein Dutzend Termine und führe ebenso viele Telefonate pro Tag. Ich bitte daher um Verständnis, dass viele dieser Themen bereits Jahre zurückliegen und ich mich nicht im Detail an jedes einzelne Gespräch erinnern kann. (Abg. Deimek: ... Wahrnehmungen!)
Zu den Fragen 18 bis 20:
Für die Bestellungen in Unternehmen mit Beteiligung der Republik sind die jeweils zuständigen Gremien verantwortlich. Man trifft in einer Regierung täglich Vereinbarungen – jeder Minister, die Regierung als Ganzes. Insbesondere was die Aufsichtsräte betrifft, gab und gibt es ja auch die Idee – jetzt und bereits in der Vergangenheit, in verschiedenen Koalitionen – eines Kontrollrechts mit rund einem Drittel der Aufsichtsräte für den Koalitionspartner, der nicht zuständig ist.
Zur Frage 21:
Nein.
Zu den Fragen 22 und 23:
Es ist mir seit Dienstagabend bekannt, und ich wurde vom Anwalt der Volkspartei informiert.
Zu den Fragen 24 bis 29, 33 und 41:
Die Interessen der Republik bei den Casinos Austria werden durch die Österreichische Beteiligungs AG wahrgenommen, und die Entscheidungen über die Vorstandsbestellungen werden im Aufsichtsrat getroffen. In meiner Tätigkeit als Bundeskanzler führe ich täglich sehr viele verschiedene Gespräche mit Vertreterinnen und Vertretern des wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Lebens in Österreich, in denen auch unterschiedlichste Themen erörtert werden. Die Vorwürfe und Unterstellungen gegen Gernot Blümel, die in diesem Zusammenhang erhoben werden, entbehren jeder Grundlage und sind falsch. Bester Beweis dafür ist, dass es keine Spende der Novomatic an die ÖVP-Bundespartei in meiner Zeit als Bundesparteiobmann gab. Grundlage für die Arbeit in der Bundesregierung sind das Bundesministeriengesetz und die dort geregelte Kompetenzverteilung.
Zu den Fragen 30 bis 32:
Ich habe weder mit Herrn Graf noch mit Herrn Neumann noch mit sonst irgendjemandem, den ich der Novomatic zuordnen würde, in den letzten Jahren über Spenden gesprochen. Ich habe auch als Bundesparteiobmann keine Spenden von der Novomatic angenommen. (Zwischenruf des Abg. Deimek.)
Zu den Fragen 34 bis 38:
Nach dem Ausscheiden aus dem Bundeskanzleramt wurde entsprechend den Vorgaben des Bundesarchivgesetzes (Zwischenruf des Abg. Deimek) relevantes Schriftgut dem Staatsarchiv zur Aufbewahrung übergeben. Den Anfragen des Untersuchungsausschusses wurde im Bundeskanzleramt immer im Rahmen der geltenden Gesetze und der jeweiligen Entscheidungen des Verfassungsgerichtshofes entsprochen.
Zur Frage 39:
Nein, die Vergabe von Aufträgen ist Zuständigkeit der jeweiligen obersten Organe und deren Organisationseinheiten.
Zur Frage 40:
Fragen zu Dienstleistungen, die das BKA vergibt, beantworte ich regelmäßig in parlamentarischen Anfragen.
Zu den Fragen 42 und 43:
Ich habe mit Thomas Schmid nach wie vor in unregelmäßigen Abständen Kontakt. Er ist nach wie vor Vorstand in der Öbag.
Zur Frage 44:
Ich weiß, dass der Herr Nationalratspräsident mit vielen Menschen täglich in Kontakt ist und zu vielen Spitzenbeamten in dieser Republik ein gutes Verhältnis pflegt.
Zur Frage 45:
Durch das Mobile Device Management ist sichergestellt, dass auf dienstliche Ressourcen nur von definierten Geräten zugegriffen werden kann. Ich bitte um Verständnis, dass aus Gründen der Sicherheit keine Angaben über Synchronisationsschnittstellen beziehungsweise Maßnahmen zur Absicherung der Geräte in öffentlicher Sitzung gemacht werden können. Festgehalten werden kann, dass im Bedarfsfall technische Mittel vom Ressort zur Verfügung gestellt werden.
Zur Frage 46:
Ich habe mich nie bereichert! Das ist ein Faktum und bedarf aus meiner Sicht auch keiner weiteren Erklärung. (Zwischenruf des Abg. Deimek.)
Zu den Fragen 48 und 49:
Diesbezüglich darf ich auf die parlamentarische Anfrage Nummer 3099/J verweisen. Wie in der Beantwortung ausgeführt, liegt archivrelevantes Schriftgut in der Regel entweder in entsprechend gekennzeichneter Papierform, elektronisch im Elak oder in für die Archivierung aufbereiteten Datenbeständen von Fachanwendungen vor. Folgende Vorschriften finden dabei Anwendung: Bundesarchivgesetz, Denkmalschutzgesetz, Bundesarchivgutverordnung, Büroordnung 2004, Datenschutz-Grundverordnung und Datenschutzgesetz.
Zur Frage 50:
Auch diese Frage ist eine einzige Unterstellung und zeigt einmal mehr, dass es Ihnen nicht um Objektivität und Sachpolitik geht, sondern nur ums Anpatzen und Skandalisieren. (Abg. Deimek: Ist Ihnen das nicht peinlich?)
Vielen Dank. (Lang anhaltender Beifall bei der ÖVP.)
13.36
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordnete Klubobfrau Rendi-Wagner. – Bitte.