13.37
Abgeordnete Dr. Pamela Rendi-Wagner, MSc (SPÖ): Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundeskanzler! Herr Vizekanzler! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich habe gehört, Herr Bundeskanzler, Sie haben mich an diesem Rednerpult schon vermisst. (Zwischenruf des Abg. Hanger.) Sie wissen, es gibt mehrere Redner und Rednerinnen im Laufe einer Debatte – und hier bin ich. (Abg. Wöginger: Der Wolf vermisst Sie auch, in der ZIB 2! – Ruf bei der ÖVP: Der Doskozil auch, glaube ich! – Heiterkeit und weitere Zwischenrufe bei Abgeordneten der ÖVP.)
Ich könnte jetzt Stunden über Ihre mehr als mangelhafte Beantwortung der 50 Fragen dieses Hauses sprechen (Abg. Prinz: Es genügen 10 Minuten!), ich könnte stundenlang über die Entwicklungen der letzten Monate, die sehr besorgniserregend sind, sprechen (Ruf bei der ÖVP: ... Redezeit!), Entwicklungen, die ihre traurigen Höhepunkte in ständigen ÖVP-Attacken gegenüber unserer Justiz (Abg. Melchior: Die Anzeigen der SPÖ! Anzeigen der SPÖ!), in mehr als unfassbaren Drohungen und Einschüchterungen gegenüber der katholischen Kirche, in einer bisher einzigartigen Missachtung des Verfassungsgerichtshofes durch Ihren Finanzminister sowie einer permanenten Verhöhnung dieses Hauses, des österreichischen Parlaments, hatten. (Abg. Melchior: Und vielen Anzeigen der SPÖ!) Die letzten Tage, Herr Bundeskanzler, und Ihre Äußerungen in den letzten Stunden und Tagen haben aber leider gezeigt, dass all diese traurigen Beispiele noch nicht das Ende dieser systematischen Missachtung unserer demokratischen Institutionen sind.
Die letzten Tage zwingen mich daher, heute hier in diesem Hohen Haus und von diesem Pult aus, statt über die letzten Monate zu reden, mich auf wenige, aber für unseren Rechtsstaat und für unsere Demokratie fundamentale Grundsätze zu beschränken. Fünf Grundsätze, die wir in einer Demokratie hier eigentlich nicht mehr diskutieren dürften, und dafür brauche ich keine Stunde, dafür brauche ich auch nicht 8 Minuten, dafür reicht 1 Minute. (Ruf bei der ÖVP: Das schaue ich mir an!)
Erstens: Niemand steht über dem Recht, auch Sie nicht, Herr Bundeskanzler! (Beifall bei SPÖ und NEOS sowie bei Abgeordneten der Grünen. – Zwischenrufe der Abgeordneten Melchior, Ottenschläger und Wöginger.)
Zweitens: Alle sind vor dem Recht gleich! (Beifall bei SPÖ und NEOS sowie bei Abgeordneten der Grünen. – Zwischenruf des Abg. Hörl.)
Drittens: Was Recht und Unrecht ist, entscheiden in unserem Land unabhängige Richterinnen und Richter. (Beifall bei SPÖ und NEOS. – Abg. Melchior: Entscheidet nicht der Untersuchungsausschuss!)
Viertens: Ob Sie die Wahrheit oder Unwahrheit gesagt haben, Herr Bundeskanzler, und damit eine Straftat begangen haben (Ruf bei der ÖVP: Unerhört!), auch das wird ein unabhängiger Richter entscheiden.
Fünftens: Ob Sie angeklagt werden, entscheidet die unabhängige Staatsanwaltschaft, abhängig davon, ob sie dafür ausreichende Gründe sieht und findet – so wie bei jeder anderen Bürgerin, so wie bei jedem anderen Bürger unseres Landes auch. (Beifall bei SPÖ und NEOS. – Zwischenrufe der Abgeordneten Salzmann und Sieber.)
All das entscheidet nicht dieses Haus, entscheidet nicht die Opposition, entscheidet nicht der Bundespräsident, entscheidet auch nicht die Bevölkerung. Wissen Sie, warum nicht? – Weil wir in einem Rechtsstaat leben. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Grünen. – Zwischenruf des Abg. Melchior.)
Darauf sind wir stolz, ob es Ihnen gefällt oder nicht. Und: Recht muss Recht bleiben. – Vielen Dank. (Anhaltender Beifall bei der SPÖ und Beifall bei den NEOS, bei Abgeordneten der Grünen sowie des Abg. Fuchs. – Zwischenrufe der Abgeordneten Melchior und Loacker.)
13.41
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Hanger. – Bitte.