13.57
Abgeordnete Sigrid Maurer, BA (Grüne): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundeskanzler! Sehr geehrter Herr Vizekanzler! Werte Regierende auf der Regierungsbank! Werte Kolleginnen und Kollegen! Liebe ZuseherInnen vor den Bildschirmen! „Unverbrüchliche Treue der Republik Österreich, stete und volle Beobachtung der Verfassungsgesetze und aller anderen Gesetze“ – das haben wir 183 Nationalratsabgeordnete in diesem Saal bei unserer Angelobung geschworen. Die Regierungsmitglieder haben ebenso geschworen, die Verfassungsgesetze getreulich zu beobachten und ihre Pflichten nach bestem Wissen und Gewissen zu erfüllen.
Für uns Abgeordnete in diesem Hohen Haus bedeutet das einerseits, die Gesetze dieses Landes zu beschließen, und es bedeutet andererseits, die Exekutive zu kontrollieren. Diese parlamentarische Aufgabe kommt allen Abgeordneten zu, nicht etwa nur den Abgeordneten der Opposition. Die Instrumente, die wir dafür in der Hand haben, sind umfangreich: parlamentarische Anfragen, Dringliche Anfragen, Dringliche Anträge, das Verlangen nach Prüfung durch den Rechnungshof oder auch das Einsetzen von Untersuchungsausschüssen.
Diese parlamentarischen Rechte sind keine Selbstverständlichkeit. Sie wurden erkämpft, und in vielen, vielen anderen Ländern der Welt ist eine saubere Gewaltenteilung zwischen Exekutive, Legislative und Judikative noch weit unterentwickelt. (Zwischenruf bei der FPÖ.) Dementsprechend verantwortungsvoll sollten wir diese Instrumente auch nutzen – unsere Demokratie ist nämlich von enormem Wert.
Manchmal aber gewinnt man den Eindruck, dass wir mit unseren demokratischen Errungenschaften schleißig, ja geradezu fahrlässig umgehen, wenn diese Gewaltenteilung nicht respektiert wird, wenn das Parlament und auch der Verfassungsgerichtshof an der Nase herumgeführt werden – so geschehen letztens bei den Aktenlieferungen an den Untersuchungsausschuss. (Beifall bei Grünen und SPÖ sowie der Abg. Meinl-Reisinger.)
Es ist hochnotpeinlich, dass der Herr Finanzminister eine Extraaufforderung durch den Bundespräsidenten gebraucht hat, um zu erkennen, dass er sehr wohl dem Parlament und den Gesetzen verpflichtet ist und sehr wohl die Vorgaben des Verfassungsgerichtshofes erfüllen muss.
Keine Frage, der breite Untersuchungsgegenstand, die Vorgaben zum Datenschutz und zur Verfahrensordnung bergen schon mitunter knifflige Fragen, das kann aber niemals rechtfertigen, dass ein Minister seiner Informationspflicht gegenüber der verfassungsmäßigen Kontrolle durch das Parlament nicht nachkommt. (Beifall bei Grünen, SPÖ und NEOS.)
Selbstverständlich ist es legitim, den Verfassungsgerichtshof anzurufen, um Klarheit über etwaige Unschärfen zu gewinnen. Es ist aber nicht legitim, durch allerlei Schikanen, wie die pauschale Einstufung von Akten auf Stufe 3, das Parlament zu papierln. (Beifall bei den Grünen, bei Abgeordneten der SPÖ sowie der Abg. Meinl-Reisinger.)
Ich bin sehr froh, dass der Finanzminister die Kurve gekratzt hat – gerade noch –, jetzt selbstständig eine Neueinstufung vorgenommen hat und eine digitale Lieferung vornimmt. Meinen Informationen nach sollen die ersten Akten gerade jetzt hier im Parlament eintreffen. (Beifall bei den Grünen. – Zwischenruf des Abg. Martin Graf.)
Ja, das Parlament und seine Abgeordneten können nervig und lästig sein und sicher manches Mal auch ungerecht. Nicht jede Anfrage ist gerechtfertigt oder sinnvoll. Ich erinnere mich da beispielsweise an Anfragen zu den gelagerten Klopapierrollen in den Regierungsressorts seitens der Freiheitlichen oder auch an Anfragen, die in einer Tonalität und mit inhaltlichen Fehlern gespickt gestellt werden, die sicher nicht der Würde des Hauses entsprechen. (Zwischenrufe der Abgeordneten Belakowitsch und Hafenecker.)
Wenn wir von der Würde des Hauses sprechen, dann muss ich an dieser Stelle auch sagen: Kollege Hanger, ich glaube, es entspricht auch nicht der Würde des Hauses, pauschal Reden anderer Abgeordneten, beispielsweise jene Rede der Klubobfrau Rendi-Wagner, hier pauschal als schlechte Reden abzukanzeln. Auch das entspricht nicht unseren Vorstellungen einer guten demokratischen Auseinandersetzung hier im Parlament. (Beifall bei Grünen, SPÖ und NEOS. – Abg. Martin Graf: Aber objektiv gesehen war die Rede wirklich schlecht! – Zwischenruf des Abg. Hörl.)
All das, dass das Parlament lästig sein kann, ist keine Entschuldigung dafür, ihm mit Respektlosigkeit zu begegnen. Selbstverständlich müssen alle Anfragen beantwortet werden, seien sie noch so deppert (Zwischenruf der Abg. Belakowitsch), denn nicht die Regierenden bestimmen darüber, was gefragt werden darf und was nicht – das machen wir!
Ich möchte an dieser Stelle sagen, dass dieses Hohe Haus unser Haus ist. Das ist das Haus der Nationalratsabgeordneten und der Mitglieder des Bundesrates, der gewählten Mandatarinnen und Mandatare, die von der Bevölkerung gewählt wurden. Die Regierenden sind hier zu Gast. Sie sind hier zu Gast, um Auskunft zu erteilen und zu informieren, um Rede und Antwort zu stehen. (Beifall bei Grünen und SPÖ.)
Um auch für die ZuseherInnen vor den Bildschirmen die informellen Regeln im Parlament ein bisschen zu erläutern: Dieses Verhältnis zwischen Exekutive und Legislative spiegelt sich auch hier in Usancen wider. Das bedeutet nämlich beispielsweise, dass die Regierenden in diesem Raum ausschließlich auf der Regierungsbank Platz zu nehmen haben. Es bedeutet auch, dass die Regierenden selber nicht klatschen, wenn sie hier zuhören. Es bedeutet auch, dass die Regierenden keine Zwischenrufe zu machen haben, denn sie sind hier, um Rede und Antwort zu stehen, und nicht, um selbst zu kommentieren, was einzelne Abgeordnete formulieren (Abg. Hörl: Anständig beantworten sollen sie sie aber schon! – Zwischenruf des Abg. Deimek), und auch nicht, um Beifalls- oder Unmutsbekundungen zu äußern. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)
Das alles ist Teil eines Demokratieverständnisses, das für uns Grüne selbstverständlich ist. Mir scheint, dieses Verständnis muss bei der Partei, die an fast jeder Regierung der Zweiten Republik beteiligt war, nämlich bei der ÖVP, neu geschärft werden. Unsere Demokratie funktioniert, unsere Verfassung funktioniert, wir müssen uns diesbezüglich, was den gesetzlichen Rahmen betrifft, keine Sorgen machen. Der Bundespräsident hat diesen Umstand, dass in der Verfassung für alle denkbaren und undenkbaren Eventualitäten vorgesorgt ist, als Eleganz der Verfassung bezeichnet.
Wir Grüne versprechen hier im Parlament, ebenso wie auf Regierungsebene, die Verfassung in all ihren Teilen nicht nur zu respektieren, sondern zu bestärken. Es ist kein Zufall, dass im Regierungsprogramm an vielen Stellen extra betont wird, was eigentlich selbstverständlich sein sollte, nämlich dass Gesetze verfassungs- und menschenrechtskonform zu formulieren sind. (Beifall bei den Grünen. – Zwischenrufe der Abgeordneten Kassegger und Kickl.)
Wir Grüne haben auch in voller Absicht das Justizressort übernommen, um die unabhängige Justiz und ihre wichtige Arbeit zu beschützen und zu bestärken.
Ja, vor dem Gesetz sind alle gleich zu behandeln, auch die Spitzenpolitikerinnen und Spitzenpolitiker des Landes können und dürfen sich der kritischen Prüfung durch die Justiz nicht entziehen. In der Vergangenheit gab es da durchaus fragwürdige Umstände: verratene Hausdurchsuchungen, Verfahren, die derschlagen worden sind, und massive Angriffe auf die agierenden Behörden.
Unter einer grünen Justizministerin ist das Geschichte. Alma Zadić wird auch in einem allfälligen Verfahren gegen den Bundeskanzler dafür sorgen, dass die Justiz in Ruhe ihre Arbeit machen kann – völlig ohne politischen Einfluss, egal von welcher Seite. (Beifall bei den Grünen sowie der Abg. Herr.)
Als Politikerinnen und Politiker haben wir die Verantwortung, unsere demokratischen Institutionen zu schützen und zu stärken, jeder und jede Einzelne von uns in diesem Saal, Abgeordnete wie Regierende. Ich erwarte mir, dass wir uns dieser Verantwortung vollumfänglich verpflichten, wie wir es auch bei unseren Angelobungen geschworen haben. – Vielen Dank. (Beifall bei den Grünen.)
14.05
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordnete Klubobfrau Meinl-Reisinger. – Bitte.