14.40
Abgeordneter Dr. Nikolaus Scherak, MA (NEOS): Herr Präsident! Herr Bundeskanzler! Herr Vizekanzler! Sehr geehrte Damen und Herren auf der Regierungsbank! Herr Bundeskanzler, seit Sie die ÖVP als Parteiobmann übernommen haben, glaube ich zumindest ein gewisses Muster zu erkennen, nach dem die ÖVP vorgeht: Das wesentliche Muster ist, dass es für die ÖVP seit Sebastian Kurz nur Freund oder Feind gibt. Das ist auch der Grund dafür, wieso Sie sich mit neutralen Institutionen meines Erachtens so schwertun: weil die in dieses Schema nicht hineinpassen. Die sind eben nicht schwarz oder weiß, die sind neutral, und deswegen ist das so schwierig.
In der Logik der ÖVP ist nämlich jeder, der ihr nicht loyal gegenübersteht und sie unterstützt, halt dann eben doch Feind. Die einzig logische Konsequenz ist dann: Den muss man angreifen, da muss man schauen, dass man ihn eventuell unter Kontrolle bringt. Das ist aber genau das, was funktionierende staatliche Institutionen eben nicht sind, denn die funktionieren, die sind neutral, und das ist das, was Sie geflissentlich ignorieren.
Sie haben diese Einstellung ja in den letzten Wochen, Monaten und Jahren wiederholt gezeigt. Sie haben wiederholt gezeigt, was Sie von den demokratischen Institutionen in Österreich halten, wie Sie glauben, dass solche Institutionen funktionieren sollten, und Sie haben sehr oft auch Ihre Missachtung gegenüber diesen Institutionen gezeigt.
Heute beispielsweise haben Sie wieder sehr klar gezeigt, was Sie vom Parlament halten, wenn Sie über ganz, ganz viele Fragen einer Dringlichen Anfrage einfach so drübergehen und gar nichts dazu sagen. Sie haben etwa die Fragen 30 bis 32 in einem beantwortet, nur als Beispiel. Da wurde gefragt, wie oft Sie den Novomatic-CEO Neumann getroffen haben – Ihre Antwort war, Sie träfen immer wieder Menschen, die in Österreich wichtig seien. Das ist keine Antwort auf die Frage, wie oft!
Auf die Frage 31, ob Sie mit jemanden, ob Sie mit Neumann und Krumpel über Spenden gesprochen haben, haben Sie geantwortet, sie hätten mit niemandem aus dem Novomatic-Universum über Spenden gesprochen.
Die Frage 32 lautete nach Abendessen an ganz bestimmten Kalenderdaten – von Ihrer Seite überhaupt keine Antwort.
Ihre Missachtung gegenüber dem Parlament haben Sie heute also wieder eindeutig gezeigt. Sie missachten aber auch ganz andere Institutionen und Regeln, Ihnen ist etwa die österreichische Bundesverfassung nicht so wichtig. Ich erinnere an die Aussagen, das wären ja nur „juristische Spitzfindigkeiten“ und bis der Verfassungsgerichtshof da entscheiden kann, sei das sowieso schon wieder außer Kraft getreten, das sei nicht so wichtig.
Das Gleiche geschieht auch mit der WKStA, auch das haben wir heute schon gehört. Die WKStA hat die Aufgabe, zu ermitteln – das tut sie, sie ermittelt gegen unterschiedliche Menschen. Wenn sie aber gegen die ÖVP ermittelt, ist das nicht in Ordnung, dann kommen Reformvorschläge, und man überlegt sich auch, wie man die WKStA zerschlagen kann.
Als letztes Beispiel: der Untersuchungsausschuss; auch über diesen haben wir heute schon intensiv diskutiert. Der Untersuchungsausschuss ist das wesentliche Kontrollgremium dieses Parlaments, und es ist neben dem Beschließen von Gesetzen eine der wesentlichen Aufgaben des Parlaments, auch die Arbeit der Regierung zu kontrollieren. Dabei ist die Wahrheitspflicht natürlich essenziell.
Es ist besonders spannend, wenn der Nationalratspräsident, der eigentlich dazu da sein sollte, sich schützend vor das Hohe Haus zu stellen und die Kontrollmechanismen des Hohen Hauses zu unterstützen, sich dann dazu hinreißen lässt, zu sagen: Na ja, also das mit der Wahrheitspflicht im Untersuchungsausschuss ist jetzt irgendwie unangenehm, wir sollten darüber diskutieren, ob wir die vielleicht doch abschaffen. – Herr Präsident, das ist nicht Ihre Aufgabe als Nationalratspräsident, das ist genau das Gegenteil! (Beifall bei NEOS, SPÖ und FPÖ.)
Es ist die ÖVP, die in der Öffentlichkeit immer wieder die Kosten des Untersuchungsausschusses thematisiert – natürlich, um den Untersuchungsausschuss schlecht dastehen zu lassen. Sie haben erklärt, er diene nur dazu, parteipolitisches Kleingeld zu wechseln.
Herr Bundeskanzler, Sie haben ganz zu Beginn einmal erklärt, Sie kämen total gerne als Gast in den Untersuchungsausschuss. Das verkennt irgendwie die Situation, denn Sie kommen nicht als Gast, weil das von Ihnen so nett ist, sondern Sie wurden als Auskunftsperson geladen!
Vielleicht ist das Problem aber auch das Bild, das Sie in der ÖVP grundsätzlich haben. Ihre Landwirtschaftsministerin hat vor Kurzem erklärt, sie findet, der Untersuchungsausschuss wäre so etwas Ähnliches wie die Löwinger-Bühne. – Das ist die Missachtung, die die ÖVP dem Untersuchungsausschuss und dem Parlament entgegenbringt! (Beifall bei NEOS und SPÖ.)
Herr Kollege Fürlinger, es war vorhin ein bisschen skurril, was da von Ihnen als Anwalt zur Frage der Aktenlieferung durch den Finanzminister gekommen ist. Natürlich ist es die Aufgabe des Finanzministers, in diesem Fall Persönlichkeitsrechte zu schützen, selbstverständlich! Das wäre auch seine Aufgabe gewesen, als er ursprünglich die Akten hätte liefern sollen – das Problem ist, dass der Finanzminister die Akten gar nicht geliefert hat!
Er selbst hat so lange gewartet, bis der Verfassungsgerichtshof mit der Exekution gedroht und angeordnet hat, er müsse alle Akten liefern. Selbstverständlich ist Persönlichkeitsschutz relevant und ist der Schutz von Gesundheitsdaten relevant – dass es überhaupt so weit kommen musste, daran ist aber einzig und allein der Finanzminister selbst schuld!
Im Ergebnis ist die Sache natürlich spannend, denn dass eine Exekution angedroht wird – ich meine, so weit hat es nicht einmal Jörg Haider kommen lassen, und Jörg Haider war bekanntlich wirklich kein Freund des Verfassungsgerichtshofes. Sie als ÖVP haben es geschafft, den Verfassungsgerichtshof noch mehr zu missachten, als es Jörg Haider getan hat, und schon allein das sollte Ihnen meiner Meinung nach zu denken geben! (Beifall bei den NEOS sowie des Abg. Matznetter. – Zwischenruf der Abg. Steinacker.)
Herr Bundeskanzler, Sie sind angezeigt worden, Sie sind Beschuldigter in einem Strafverfahren, und jetzt ist die Frage, was weiter geschehen wird. Ob Anklage erhoben wird oder nicht, das habe nicht ich zu entscheiden, dafür gibt es unabhängige Institutionen, denen ich vertraue. Die Frage ist nur, was Sie machen, wenn Anklage erhoben wird. Jetzt habe ich gehört, Sie hätten kein Interesse, zurückzutreten – das ist aus meiner Sicht schon eine ganz neue Dimension, die wir in Österreich so noch nie hatten! Ihre Landwirtschaftsministerin, die Ihnen da offensichtlich treu ergeben ist, geht sogar noch weiter: Sie ist der Meinung, selbst wenn Sie verurteilt sind, sollen Sie im Amt bleiben – diese Dimension kannten wir so noch gar nicht.
Herr Bundeskanzler, zum Schluss vielleicht noch eines: Sie sagen immer, es wäre eine Auseinandersetzung Opposition gegen Bundeskanzler, die da stattfindet. Das ist so nicht der Fall, die Auseinandersetzung lautet: ÖVP gegen die Institutionen dieses Landes. Es ist die ÖVP, die Woche für Woche die demokratischen Institutionen in Österreich lächerlich macht; es ist die ÖVP, die Woche für Woche Institutionen wie den Verfassungsgerichtshof und das Parlament diskreditiert; und es ist die ÖVP, die diese Auseinandersetzung sucht, und nicht die Opposition. (Beifall bei NEOS, SPÖ und FPÖ.)
14.46
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist nun Abgeordnete Holzleitner. – Bitte.