15.12

Abgeordnete Dr. Stephanie Krisper (NEOS): Herr Präsident, ich hätte sogleich an Sie, weil ich bedauere, dass sich der Herr Bundeskanzler schon seit Längerem aus dem Saal entfernt hat, die Bitte, ihn wieder herbeischaffen zu lassen. Ich muss seine Abwesenheit sehr bedauernd zur Kenntnis nehmen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Damen und Herren! Die Justiz begann nach Ibiza mit Ermittlungen gegen FPÖ-Politiker, aber auch gegen ÖVP-Politiker. Das Parlament als Volksvertretung möchte auch aufklären und richtete vor einem Jahr demnach einen Untersuchungsausschuss betreffend mutmaßliche Käuflichkeit der türkis-blauen Bun­desregierung ein. Und dann passiert im Land Österreich Seltsames, schlimmer, demo­kratiepolitisch Verstörendes.

Die türkise ÖVP begann vom Kanzler – dem nun abwesenden Kanzler – abwärts vor mehr als einem Jahr die WKStA zu diffamieren, gerade als diese begonnen hat, in ihren Korruptionsermittlungen die ÖVP immer mehr in den Fokus zu nehmen. (Zwischenruf des Abg. Kucher.) Die Beschuldigtenliste ist für meine Redezeit zu lang, dabei sind in jedem Fall mittlerweile aber die engsten Mitglieder der türkisen Familie, noch immer Fi­nanzminister Gernot Blümel, Kanzler Kurz, Thomas Schmid, der noch immer Alleinvor­stand der Öbag ist. Ich hoffe, dadurch ist mittlerweile für fast alle rückblickend völlig durchschaubar, dass es das Ziel der türkisen Familie war, die Korruptionsermittler einzu­schüchtern und zu zermürben, falls sie ihr zu nahe kommen. (Beifall bei den NEOS und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Und was macht die türkise Familie gegenüber dem parlamentarischen Untersuchungs­ausschuss? Kanzler Kurz – noch immer abwesend – hat zur Sicherheit einmal keine re­levanten Mails und Kalender mehr, alles rechtswidrig gelöscht. Es gibt nämlich eine klare Archivierungspflicht im Bundesarchivgesetz: Alles, was dienstlich ist, ist zu archivieren. Der Untersuchungsausschuss hat aber kein einziges Kanzlermail, keinen Kalender be­kommen. Rechtswidriges Löschen zur Verwischung von Spuren: Ist das der neue Stil? Hat sich der Kanzler, haben Sie sich bemüht, die gelöschten Mails wiederherzustellen? Das fragt sich auch der Verfassungsgerichtshof und meint, wir sollten das nun wieder einmal durch eine Exekution durch den Bundespräsidenten klären. Wir werden das tun, wir kämpfen weiter! (Beifall bei den NEOS.)

Was macht das türkise Familienmitglied Minister Blümel mit dem Untersuchungsaus­schuss? Er wäre seit Tag eins des Untersuchungsausschusses verpflichtet gewesen, die relevanten Unterlagen an uns zu liefern. Das machte er nicht. Er wartete frech, und zwar nicht nur darauf, dass der Verfassungsgerichtshof im März entscheidet, dass dem U-Ausschuss die Unterlagen zustehen, was klar war, sondern er ignorierte auch die Ent­scheidung des Höchstgerichtes einfach so lange, bis der Bundespräsident quasi schon mit Bundesheer oder Polizei vor seiner Tür steht.

Das ist ein unfassbar respektloser Umgang mit den höchsten Institutionen des Landes – Bundespräsident, Verfassungsgerichtshof und parlamentarischem Untersuchungsaus­schuss. Und wenn der Untersuchungsausschuss des Parlaments verhöhnt wird, wird das Parlament selbst und damit das Volk verhöhnt. Denn ob die ÖVP es will oder nicht, die Volksvertretung in Österreich ist und bleibt dieses Haus.

Und so wie sich die türkise Familie außerhalb des Untersuchungsausschusses verhält, werden Sie, liebe Zuseherinnen und Zuseher, wohl nicht glauben, dass sie es im Unter­suchungsausschuss anders macht. Das tut sie nicht! Sie stört die Aufklärungsarbeit, so gut sie kann, in unterschiedlichem Gewande: mit Wolfgang Sobotka als Vorsitzendem, der gegenüber Kollegen Krainer und anderen Oppositionspolitikern herablassend ist, nun mit Kollegen Hanger von der ÖVP, der –mein Highlight vor Kurzem – sich zur Ge­schäftsordnung meldete, um zu meinen, eine Frage sei unterstellend, als noch gar keine Frage gestellt gewesen war. Beide leisten sich auf jeden Fall immer dann viele Blutgrät­schen, wenn es inhaltlich interessant und für die ÖVP unangenehm wird. (Zwischenruf des Abg. Hörl.)

Wer stört die Aufklärungsarbeit? Die Auskunftspersonen vonseiten der ÖVP. Sie sind hämisch und herablassend. (Ruf bei der ÖVP: Wie war das mit der Verfahrensrichterin?) Der Finanzminister erinnert sich bei anscheinend unangenehmen Fragen vermeintlich unfassbar oft nicht, die engsten Mitarbeiter des Kanzlers belächeln uns von Minute eins bis zum Ende der Befragung und der Kanzler selbst hat uns mit vielen nichtssagenden Ausschweifungen wertvolle Befragungszeit gestohlen, tatkräftig unterstützt vom Vorsit­zenden, der zur Sache rufen könnte, genauso wie hier, im Plenum des Nationalrates. Ihnen, Herr Kanzler, war anscheinend wichtiger, den Schein aufrechtzuerhalten als die Wahrheit, den Schein, dass unter dem neuen Stil der türkisen ÖVP kein Postenschacher betrieben wird, obwohl in Wahrheit der ganz alte Stil gelebt wird. Es ist noch immer wich­tig, wer zur türkisen Familie gehört und wer nicht, und nicht, was Sie vermeintlich vorge­ben: Leistung soll sich wieder lohnen.

Wir haben aufgezeigt, was Sie von der Wahrheit halten, und wir kämpfen mit Anzeigen wegen möglicher Falschaussage für eine starke Kontrolle durch das Parlament und da­mit durch das Volk.

Wodurch ist dieses Vorgehen der ÖVP im Ausschuss eigentlich auch bewiesen? – Sie ist die einzige Partei, die sich gegen die Öffentlichkeit von parlamentarischen Untersu­chungsausschüssen ausspricht. Der ÖVP war es bei den Verhandlungen für das Min­derheitsrecht, dass die Opposition einen Ausschuss einsetzen kann, besonders wichtig, dass es nur Medienöffentlichkeit, also keine echte Öffentlichkeit, durch die sich jeder Bürger, jede Bürgerin ein Bild machen kann, gibt. Warum war das der ÖVP so wichtig? – Damit sie genau dieses Spiel spielen kann, das sie jetzt abzieht, damit sie Aufklärung im U-Ausschuss verhindern kann, ihn schlechtmachen kann und damit auch Konsequenzen verhindern kann. Öffentliche Ausschüsse hätten viel mehr Konsequenzen, man würde das Verhalten der Regierungsmitglieder direkt, gefährlich eindrücklich selbst wahrneh­men und erleben können, und die Öffentlichkeit könnte sich dann in dem Ausmaß empö­ren, das notwendig wäre, und es würde Druck entstehen und Konsequenzen geben.

Das will die ÖVP nicht. Sie will lieber den Untersuchungsausschuss als ganzen und kri­tische Mitglieder diskreditieren und vom Aufklärungsauftrag abhalten. Damit muss Schluss sein, und deswegen haben wir schon im Juli letzten Jahres einen Antrag auf Öffentlichmachen von Ton- und Bildaufnahmen, von Befragungen in U-Ausschüssen ge­stellt, beginnend mit Befragungen von ehemaligen und aktiven Regierungsmitgliedern. Die ÖVP war bis vor Kurzem strikt dagegen und nun will sie aufgrund des Drucks ver­meintlich darüber reden, aber mit einem berühmten türkisen Aber, nämlich nur in einem Gesamtpaket. – Nein, das kann man jetzt und sofort separat umsetzen!

Daher stellen wir heute zu diesem Antrag, der im Geschäftsordnungsausschuss liegt, einen Fristsetzungsantrag, damit Sie, ÖVP, heute Farbe für eine starke parlamentari­sche Kontrolle bekennen können – oder eben nicht. (Beifall bei den NEOS und bei Ab­geordneten der SPÖ.)

An die ÖVP: Stimmen Sie dem Antrag zu, dann kann sich die Bevölkerung selbst ein Bild davon machen, wie schlimm und vermeintlich grausam es im U-Ausschuss zugeht!

Eines möchte ich Ihnen noch sagen, Herr Kanzler: Wir sind in der größten Krise seit dem Zweiten Weltkrieg, und ich habe wirklich Bauchweh und kein großes Vertrauen, dass alles gut ausgeht, wenn unser Land im Moment in der Hand einer Person ist, die die Nerven wegschmeißt und nicht mehr weiß, was sie spricht, wenn jemand eine Wurst­semmel isst. (Beifall bei den NEOS und bei Abgeordneten der SPÖ.)

15.20

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Wöginger. – Bitte.