17.31

Abgeordneter Dr. Harald Troch (SPÖ): Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Es geht hier um Wiener Wohnen. Die blaue FPÖ verlangt, Wiener Wohnen unter Aufsicht, unter Zwangsaufsicht des Bundesministeriums für Wirtschaft zu stellen. Die Wirtschaftsministerin selber will das gar nicht, und ich glaube, die FPÖ bleibt hier ziem­lich allein mit ihren abstrusen Ausführungen.

Der kommunale Wohnbau ist Aufgabe der Gemeinde, auch die Verwaltung. Die Gemein­den sind laut österreichischer Bundesverfassung autonom, sie sind selbstständig. Die autonome Gemeinde ist eine Errungenschaft des Revolutionsjahres 1848, der bürger­lichen Revolution.

Im Provisorischen Gemeindegesetz von 1849 heißt es: „Die Grundfeste des freien Staates ist die freie Gemeinde.“ Ich habe diesen Stehsatz in der Vorlesung Einführung in die Rechtsgeschichte bei Prof. Brauneder gelernt. (Zwischenruf des Abg. Schrangl.) – Herr Abgeordneter Schrangl, Prof. Brauneder sollte Ihnen kein Unbekannter sein. (Bei­fall bei der SPÖ.) Sie können immer noch Nachhilfe bei Ihrem Gesinnungsfreund neh­men, der weiß es viel besser als Sie.

Die Revolutionäre von 1848 würden in ihrer heutigen Ruhelage rotieren, würden sie von diesem sehr einfach gestrickten, vereinfachenden Antrag wissen.

Grundsätzlich ist zum Wohnen zu sagen: Wohnen ist ein Menschenrecht, sagt die SPÖ. Tatsache ist aber, dass die Wohnungspreise, die Mieten ständig steigen. Für Menschen mit kleinen Einkommen wird es zusehends schwieriger, leistbaren Wohnraum zu finden.

2018 hat in Wien eine internationale Konferenz zum Thema Wohnen für alle, Housing for All, leistbares Wohnen stattgefunden. Die Sonderbeauftragte der UNO für Recht auf Wohnen, Leilani Farha, eine Rechtsanwältin aus Kanada, war damals in Wien und kritisierte besonders die ständig steigenden Zahlen von Obdachlosen in den großen Städten. Sie meint, ein noch nie da gewesener privater Reichtum an Kapital werde von privaten Investoren in Wohnraum geparkt. Das führt natürlich zu Veränderungen am Wohnungsmarkt. Es werden große und sichere Gewinne für einige wenige erwirt­schaf­tet, während die Mieten für alle anderen steigen. (Beifall bei der SPÖ.)

Die Frage ist: Was kann Wien diesbezüglich tun? Im internationalen Vergleich steht Wien immer noch relativ gut da, 60 Prozent der Wiener wohnen im geförderten Wohnbau, und so günstig wie im Gemeindebau wohnt man überhaupt nirgends in Wien. Die Netto­richtwertmiete ohne Betriebskosten schwankt zwischen 2,62 Euro und 5,81 Euro pro Quadratmeter. Und seit 100 Jahren gilt in Wien im sozialen Wohnbau, im Gemeindebau: keine Eigenmittel, keine Kaution, keine Befristung. Das ist ein wichtiger Aspekt der Erfolgsgeschichte des sozialen Wohnbaus in Wien. (Beifall bei der SPÖ.)

Die FPÖ hat ja Gott sei Dank einen Schwenk gemacht. Vor 20 Jahren hat die Wiener FPÖ noch die Privatisierung der Gemeindewohnungen verlangt, nachzulesen in ihrem Wahlprogramm. Die FPÖ hat dazugelernt. Die ÖVP hat noch nicht dazugelernt, die ÖVP träumt immer noch von der Privatisierung der Wohnungen in Wien, aber ich sage Ihnen: Wiener Wohnen darf nicht zur Buwog werden! (Beifall und Bravoruf bei der SPÖ.) Da haben Sie ja vorgezeigt, wie Privatisierung ausschaut und was das die Mieter dann kostet, wenn die Wohnungen einmal privatisiert sind.

Herr Abgeordneter Schrangl, Ihr blauer Antrag basiert auf Zahlen von 2013, und Sie zitieren Zeitungsartikel von vor der Wienwahl 2020, obwohl jetzt schon Mai 2021 ist. Wien hat eine neue Stadtregierung, und die Fortschrittskoalition in Wien hat neben den 4 000 Gemeindewohnungen, die neu errichtet werden, ein ambitioniertes Sanierungs­programm vorgelegt. Licht, Luft und Sonne, das sind die Prinzipien der sozialen Wohn­architektur in Wien: Wohnungen mit guter Ausstattung. Ihre fantasievollen Verschwö­rungstheorien, die Sie heute hier dargelegt haben, glaubt ja niemand, und die FPÖ wird damit auch allein bleiben.

Zur ÖVP noch, zur Leerstandsrate: Wann immer die SPÖ die Leerstandsabgabe ein­bringt, ist es genau die ÖVP, die abblockt und das nicht will! (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Gerstl: Weil es ein Blödsinn ist! – Weitere Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Abschließend darf ich sagen, die Sanierungen in Wien, wie zum Beispiel zuletzt jene mit 700 Wohnungen im Goethehof, sind im Wesentlichen barrierefrei ausgeführt und werden oft ausgezeichnet. Wiener Wohnen setzt auf Mietermitbestimmung, was natürlich oft zu Verzögerungen bei Sanierungen führt, wenn der Weg, der korrekte Weg zur Schlich­tungsstelle beschritten wird. Natürlich kann es bei großen Wohnhausanlagen mit 700 oder 1 000 Wohnungen häufiger zu Einsprüchen und zu Verzögerungen kommen.

Wien kann stolz auf 100 Jahre sozialer Wohnbau sein. Der Ball liegt jetzt allerdings bei Türkis-Grün. Wir warten immer noch auf den Notfallsfonds für Mieter, auch für Mieter von Privatwohnungen. Da liegt der Ball bei Ihnen, gerade in Covid-Zeiten. – Danke. (Beifall bei der SPÖ. – Zwischenrufe bei der ÖVP.)

17.37

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordnete Tomaselli. – Bitte.