14.09

Abgeordnete Heike Grebien (Grüne): Frau Präsidentin! Sehr geehrte Herren Minister! Sehr geehrte KollegInnen und wertgeschätzte ZuseherInnen zu Hause! Meine heutige Rede beginne ich mit einem Beispiel: Ich möchte Ihnen damit aufzeigen, was unser Antrag, der allparteilich im letzten Sozialausschuss einstimmig beschlossen wurde, was mich sehr freut, einerseits individuell für Menschen bedeutet. Andererseits möchte ich erklären, warum es aus unserer Sicht notwendig ist, da vier große Bereiche zu trennen und vier One-Stop-Shops zu schaffen.

Ich werde Ihnen jetzt anhand eines Beispiels den Ablauf der Finanzierung bei einem Hilfsmittel erklären, und Sie – viele, die sich damit beschäftigen – werden noch viel mehr Beispiele haben. Eine junge Frau im Alter von zwölf Jahren benötigt ein Hilfsmittel. Es handelt sich um ein Sitzschalenfahrgestell, das heißt, das Gerüst des Rollstuhls, bei dem einfach noch keine Sitzschale enthalten ist, die für diese junge Frau speziell angefertigt werden muss, damit sie eine gute Stütze hat und zum Beispiel keine weiteren körper­lichen Haltungsschäden davonträgt.

Der Weg der Eltern sieht folgendermaßen aus – das ist ein reales Beispiel –: Die Eltern erhalten im März einen Kostenvoranschlag in der Höhe von 4 000 Euro. Die ÖGK über­nimmt von diesem Kostenvoranschlag 500 Euro. Die Eltern stellen einen Antrag beim SMS, jedoch müssen beim SMS die verbleibenden Kosten von 3 500 Euro vorausge­zahlt werden und dem SMS muss die Rechnung zukommen gelassen werden. Dann bewilligt das SMS im Mai 1 000 Euro davon. Da noch immer 2 500 Euro selbst getragen werden müssen, stellen die Eltern einen Antrag bei der Bezirkshauptmannschaft für den Landesanteil. Im Juli bewilligt die Bezirkshauptmannschaft eine Förderung von knapp 650 Euro für die Sitzschale.

Die Eltern haben noch immer 1 850 Euro selber zu tragen. Deshalb stellen sie einen Antrag beim Unterstützungsfonds der ÖGK. Im August bewilligt der Unterstützungsfonds der ÖGK eine Förderung von knapp 1 000 Euro. Die Eltern haben dann noch immer 850 Euro, die sie tragen müssen, deshalb stellen sie einen Antrag bei der BVA. Im Sep­tember bewilligt die BVA eine Förderung von knapp 400 Euro. Ich weiß, es wird Ihnen schon langweilig, aber die Geschichte ist noch nicht zu Ende. Die Familie zahlt schluss­endlich einen Selbstbehalt von 450 Euro. Die letzte Zahlung aus den zugesagten Förde­rungen erhält die Familie im Jänner des folgenden Jahres.

Zusammengefasst: Der Amtsprozess für eine Sitzschale hat elf Monate gedauert, fünf unterschiedliche Antragstellungen wurden benötigt. Ich glaube, ich brauche Ihnen nicht zu sagen, was für ein enormer Koordinierungs- und Einreichaufwand das für die Betroffe­nen ist – für ein Hilfsmittel. Die Familie zahlt noch immer 450 Euro Selbstbehalt für ein Hilfsmittel, das zusätzlich, möchte ich noch erwähnen, für die junge Frau notwendig ist, um sich selbstständig fortzubewegen, um selbstständig soziale Teilhabe zu gewährleis­ten – das, wozu wir uns, wie ich meine, mit der UN-Behindertenrechtskonvention für die Inklusion von Menschen mit Behinderungen in unserer Gesellschaft verpflichtet haben.

Ich könnte Ihnen noch mehr Geschichten erzählen, weil ich ja selbst in der Inklusions­fachassistenz tätig war und weiß, was es da noch für Geschichten gegeben hat. Es ist für mich auch nicht nachvollziehbar, warum Anträge in derart komplexer Sprache erstellt werden, wodurch 95 Prozent der Gesellschaft Schwierigkeiten beim Beantragen haben.

Kollegin Nussbaum hat in der letzten Sitzung des Sozialausschusses völlig richtig ge­sagt, dass es ja nicht nur um Menschen mit Behinderungen per se geht, sondern es geht um alle Menschen, die zu unterschiedlichen Zeiten ihres Lebens in unterschiedlichen Lebensphasen Unterstützung benötigen und sich dann in einem Förderdschungel wie­derfinden und nicht einmal wissen, wo sie überhaupt beantragen sollen. Aus meiner Sicht setzen wir mit diesem Antrag wieder einen Schritt in die richtige Richtung: zur Vereinfachung, um Zugänglichkeiten zu Leistungen für Menschen mit Behinderungen, für alle Menschen in Österreich, die es brauchen, zu erleichtern.

Konkret handelt es sich um eine Vereinfachung der Verwaltungsabläufe, die im Hinter­grund stattfinden. Das Ziel soll sein, dass man als betroffene Person zu einer Stelle geht und mit einem Antrag einen Bescheid bekommt, egal ob dahinter zehn Stellen zum Zusammenziehen sind. Das ist ein richtig, richtig großer Aufwand der Verwaltung, und das heißt, der Antrag fordert wirklich auch die MitarbeiterInnen und Leitungsfunktionen der jeweiligen Stellen auf, sich da wieder zusammenzuraufen und kreative Lösungen zu finden.

Für uns Grüne ist die größte Zielsetzung dabei, dass die One-Stop-Shops für die Men­schen möglichst einfach, wohnortnahe, niederschwellig und vor allem inklusiv ausgestal­tet werden. Ich freue mich, dass wir mit den One-Stop-Shops bei diesem Antrag, vor allem beim genannten Hilfsmittel- und Heilbehelfebedarf, wieder Schwung in die Debatte bekommen, und ich freue mich auch, dass es über die Fraktionen mitgetragen wurde und als wichtig erachtet wird. Auch von Länderseite vernehme ich das. Das ist großartig, und ich hoffe wirklich, dass wir alle miteinander eine entsprechende Lösung für die Be­troffenen finden. Ja, gehen wir es an! – Danke. (Beifall bei Grünen und ÖVP sowie bei Abgeordneten der NEOS.)

14.14

Präsidentin Doris Bures: Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Verena Nussbaum. – Bitte.