23.09
Volksanwalt Mag. Bernhard Achitz: Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren Abgeordnete! Danke für das viele Lob, das unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter bekommen haben, wir werden das gerne weitergeben.
Danke auch für die lebhafte Diskussion. Sie lässt mich hoffen, dass wir das Ziel, das wir mit diesen Berichten verfolgen, nämlich Missstände zu beseitigen und die Situation für die Bürgerinnen und Bürger zu verbessern, doch in einigen Punkten erreichen.
Manche Dinge erledigen sich ja relativ rasch schon durch eine Intervention der Volksanwaltschaft, viele andere brauchen aber eine Intervention des Gesetzgebers oder zumindest einen erhöhten Druck der Politik, damit sich eingefahrene Muster ändern und die Verwaltung bürgerfreundlicher wird.
In der nachprüfenden Kontrolle der Verwaltung haben wir bei 8 777 dieser 18 000 Beschwerden, die schon öfter angesprochen wurden, detaillierte Prüfverfahren eingeleitet. Das zeigt schon, dass es da noch Verbesserungspotenzial gibt und dass es Dinge gibt, die Bürgerinnen und Bürger massiv belasten. Ich werde dann noch einige Beispiele nennen.
25 Prozent der Prüfverfahren betreffen den Bereich Soziales, Gesundheit, Pflege, etwa 21 Prozent betreffen den Justizbereich, 19 Prozent den Bereich innere Sicherheit – das sind so die größten Brocken, und das ändert sich auch über die Jahre nicht.
Wir haben auch wieder den Bericht über die präventive Menschenrechtskontrolle vorgelegt. Dieser basiert auf 448 Kontrollen, die unsere Kommissionen durchgeführt haben. Was auch bedenklich ist und wo ich auch hoffe, dass sich das bald einmal verbessert: In 73 Prozent aller Fälle, bei 73 Prozent aller Besuche haben die Kommissionen Probleme festgestellt, Probleme bei der Einhaltung der Menschenrechte. Das geht von wirklichen Verletzungen der Menschenrechte – widerrechtlichen Freiheitsbeschränkungen, Fixierungen und dergleichen – bis hin zu Problemen in der Organisation einer Einrichtung, sodass zukünftig Menschenrechtsverletzungen zu befürchten sind. Auch da werde ich dann einige Beispiele nennen und etwas aufzeigen.
Den Covid-Bericht haben wir gemacht, weil Covid die Politik und die Verwaltung vor eine besondere Herausforderung gestellt hat; es ist etwas Neues. Es ist eine sehr schmale Gratwanderung zwischen den Freiheitsrechten der Einzelnen und dem Gesundheitsschutz der Allgemeinheit. Das ist in manchen Fällen sehr gut gelungen, in vielen Fällen weniger gut gelungen. Es ist laufend verbessert worden, aber es zeigt uns doch Potenzial auf, wo man wirklich Pläne machen muss, wo man Strategien entwickeln muss, die man in der Schublade hat, damit man dann rascher und punktgenau reagieren kann, wenn so etwas wieder auftaucht.
Ich möchte nicht verschweigen, dass wir jährlich nach wie vor rund 300 Heimopferrenten bearbeiten. Auch das ist etwas bedrückend, dass im vierten Jahr, in dem wir dieses Gesetz vollziehen, die Anzahl der Anträge nicht wie erwartet zurückgeht, sondern mehr oder weniger konstant bleibt. Das heißt, es wurden in den Heimen in Österreich zwischen 1945 und 1999 Tausende Menschen schwer misshandelt, und noch immer zögern manche, einen Antrag auf Entschädigung zu stellen. Wir merken hier keinen Rückgang.
Ich habe versprochen, ich spreche einige Themen an, die auffällig sind und die sich immer wiederholen beziehungsweise die die Bürgerinnen und Bürger besonders aufregen oder ärgern.
Der eine Bereich, den ich aus der nachprüfenden Verwaltung ansprechen will, ist der Bereich der Krankenversicherung. Da wurden den Menschen gleiche Leistungen für gleiche Beiträge in Aussicht gestellt, und außerdem wurde ihnen versprochen, dass durch Reformmaßnahmen in der Verwaltung die Leistungen nicht leiden würden.
Diese Versprechen wurden, so empfinden es viele, oft nicht eingehalten. Wir haben Beschwerden, dass Leistungen, die vor einigen Jahren noch gewährt wurden, jetzt in manchen Bereichen nicht mehr gewährt werden. Die neuesten Fälle betreffen die Inkontinenzversorgung.
Wir haben Beschwerden darüber, dass die gleiche Leistung in unterschiedlichen Bundesländern unterschiedliche finanzielle Folgen nach sich zieht, und auch, dass die gleiche Leistung nicht immer in gleicher Qualität und gleicher Weise erbracht wird.
Ich würde Sie bitten, auf diesen Teil des Berichts besonderes Augenmerk zu legen. (Beifall bei der SPÖ.)
Im Familienbereich fällt auf, dass wir zwar ausgezeichnete Familienleistungen haben, in der Vollziehung, in der Auszahlung dieser Familienleistung aber oft große Probleme auftreten und das Kinderbetreuungsgeld in vielen Fällen sehr spät oder überhaupt nicht ausbezahlt wird, obwohl die Leute Anspruch darauf haben.
Das ist besonders auffällig im Zusammenhang mit Mutter-Kind-Pass-Untersuchungen, wo vom Kinderbetreuungsgeld etwas einbehalten wird, wenn behauptet wird, die Untersuchungen wurden nicht durchgeführt. Das Problem ist nur: Auch wenn sie durchgeführt wurden, dies aber nicht rechtzeitig nachgewiesen wurde, wird das Kinderbetreuungsgeld einbehalten. Das halte ich in Zeiten wie diesen, wo eigentlich solche Untersuchungen schon längst elektronisch erfasst sein müssten, für entbehrlich.
Problematisch ist die Vollziehung des Kinderbetreuungsgeldes auch dann, wenn sich ein Partner im Ausland aufhält. Da dauert es oft sehr, sehr lange, bis die Leute zu ihren Ansprüchen kommen, und sie müssen viele bürokratische Hürden überwinden, die aus unserer Sicht zu vermeiden wären.
In der präventiven Menschenrechtskontrolle möchte ich ein bisschen die Lehren aus der Pandemie ziehen. Wir haben gemerkt, wie anfällig unser Pflegesystem ist, sowohl in der 24-Stunden-Betreuung als auch in der stationären Pflege.
Im ersten Lockdown konnten 24-Stunden-Betreuerinnen aufgrund von Quarantänevorschriften, aufgrund von Grenzschließungen nicht rechtzeitig einreisen, um die Betreuung aller, die sich in 24-Stunden-Betreuung befinden, sicherzustellen. Da braucht es unbedingt Strategien, die uns weniger abhängig von ausländischen Pflegekräften machen.
Diese Abhängigkeit besteht aber auch in der stationären Pflege, wie uns Ostösterreich gezeigt hat, denn diese Grenzschließungen haben unter anderem auch dazu geführt, dass viele Einrichtungen in Ostösterreich zu wenig Personal hatten. Das konnte auch nicht kurzfristig ersetzt werden. Wir konnten Ausfälle, die aufgrund von Krankheiten entstanden, nicht rechtzeitig kompensieren, und das hat sich natürlich in einer besonders schwierigen Zeit zusätzlich auf die Qualität der Betreuung ausgewirkt. Da braucht es Konzepte und Strategien, um gegenzusteuern.
Abschließend ein paar Bemerkungen zum Covid-Bericht: Ja, es hat bei einigen Problemen rasche Reaktionen gegeben, in manchen Fällen hat es uns aber zu lange gedauert. Es hat Wochen gedauert, bis wir selbst in der Volksanwaltschaft vom Gesundheitsministerium Richtlinien für den Besuch der Menschenrechtskommissionen in den Einrichtungen bekommen haben. Wir haben angefragt, welche Sicherheitsvorschriften wir einhalten sollen. Es hat sehr, sehr lange gedauert, bis wir da eine Rückmeldung bekommen haben.
Es hat noch länger gedauert, bis Strategien entwickelt wurden, die dazu geführt haben, dass Bewohnerinnen und Bewohner von Pflegeheimen nicht mehr eingesperrt waren und Besuche wieder vermehrt stattfinden konnten, und es dauert in manchen Bereichen teilweise bis heute, dass bundesweite Strategien entwickelt werden.
Neuestes Beispiel ist die Impfstrategie, die in den letzten Monaten sehr viele Bürgerinnen und Bürger sehr, sehr aufgeregt hat, weil sie nicht verstanden haben, warum manche Gruppen in einem Bundesland drankommen, im anderen Bundesland noch nicht drankommen. Es hat keine einheitliche Strategie gegeben, das hat sehr aufgeregt. (Beifall bei der SPÖ.)
So weit nur ein paar Schlaglichter aus dem Bericht. Wie gesagt, aufgrund der Diskussion bin ich zuversichtlich, dass vieles, das wir aufzeigen, verbessert werden kann und Anregungen aufgegriffen werden. – Herzlichen Dank. (Allgemeiner Beifall.)
23.20
Präsidentin Doris Bures: Danke.
Nun ist Herr Volksanwalt Werner Amon zu Wort gemeldet. – Bitte.