12.42
Abgeordnete Mag. Nina Tomaselli (Grüne): Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuseherinnen und Zuseher, die an diesem historischen Tag heute sicher zahlreich zuschauen! Kollege Hanger hat es schon erwähnt, an diesem Ibiza-Ausschuss ist sehr, sehr viel beeindruckend, dafür sprechen auch Zahlen: Wir haben 2,7 Millionen Aktenseiten verarbeitet, an 52 Befragungstagen getagt, 493 Befragungsstunden mit 105 Auskunftspersonen absolviert. Die Statistik, finde ich, wäre aber noch zu wenig, um zu umfassen, worum es geht.
Vor eineinhalb Jahren ist der Ibiza-Ausschuss angetreten, um wirklich in die finstersten Ecken von Türkis-Blau zu blicken, und ehrlich gesagt wir haben anfangs nicht gedacht, dass wir so viel finden würden – haben wir aber. Ich finde, man darf das durchaus mit ein bisschen Stolz sagen: Das war ausgezeichnete parlamentarische Arbeit dieses Hohen Hauses, meine sehr geehrten Damen und Herren. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)
Dieser U-Ausschuss ist aber viel mehr als Zahlen oder die vielen Chats, die herumschwirren. Im Kern ist er und bleibt er ein politischer Selbstreinigungsprozess. Der Untersuchungsausschuss betreffend „mutmaßlichen Käuflichkeit der türkis-blauen Bundesregierung“, wie er in der Langversion heißt, ist angetreten, um das Vertrauen in die Politik zurückzuerkämpfen. Wieso war das notwendig? – Man vergisst das ganz oft, aber vor zwei Jahren war Österreich tatsächlich in einer veritablen Staatskrise, die am Abend des 17. Mai 2019 ihren Ausgang genommen hat; wir alle können uns noch ganz genau an die Bilder erinnern.
Damals hat das Ibizavideo die türkis-blaue Bundesregierung aus dem Amt gefegt, und das Misstrauen der Bevölkerung war so groß, dass die Bundesregierung nicht mehr von Politikerinnen und Politikern, sondern von Expertinnen und Experten geführt werden musste. Es ist mir an diesem Punkt auch wichtig, zu erwähnen – weil Sie, Kollege Hafenecker, aber auch andere Kollegen der FPÖ sich jetzt gerne als Saubermänner darstellen –: Es war die FPÖ, die bereit war, die komplette Republik an eine russische Oligarchin zu verhökern. (Beifall bei den Grünen.)
Wir haben alle noch die Aussagen von Strache im Ohr, wie er „zack, zack, zack“ die komplette Republik korrumpieren wollte. Unsere Aufgabe im Ibiza-Untersuchungsausschuss war es, diese Aussagen einem Realitätscheck zu unterziehen. Wir haben also geschaut, ob das, wovon er gesprochen hat, eine Realitätsbeschreibung oder besoffene Prahlerei war, wie er gerne sagt. Wir konnten in diesem Untersuchungsausschuss überprüfen, ob es stimmt, dass ein Glücksspielkonzern alle zahlt, ob es stimmt, dass man sich über Vereine in die Politik einkaufen kann, ob es stimmt, dass öffentliche Aufträge nicht an die Besten gehen, sondern an Gönnerinnen und Gönner, ob es stimmt, dass man sich als Wohlhabende in Österreich Gesetze kaufen kann, und – das wird ganz oft vergessen – ob es stimmt, dass man öffentlichen Besitz still, heimlich und leise privatisieren kann. Dank der Aufklärungsarbeit im Ibiza-Untersuchungsausschuss wissen wir heute: Vieles, wovon H.-C. Strache gesprochen hat, wurde tatsächlich in die Tat umgesetzt.
Ich habe eingangs die finsteren Ecken erwähnt. Wir haben diese finsteren Ecken ausgeleuchtet, und in diesen finsteren Ecken haben wir folgende zentrale Erkenntnis gefunden: Die türkis-blaue Bundesregierung wollte ein politisches Parallelsystem einführen, um vorbei am Parlament, vorbei an jeder Kontrolle und vor allem vorbei an den Bedürfnissen der österreichischen Bevölkerung Politik zu machen. So eine Politik, meine sehr geehrten Damen und Herren, ist mit jeder Faser des Körpers abzulehnen. (Beifall bei den Grünen sowie des Abg. Krainer.)
Die 2,7 Millionen Aktenseiten, die Zigtausenden Chats legen tatsächlich ein Zeugnis ab, mit welchem Machtanspruch dieses politische System angetreten ist. Der Umbau der Republik sollte im Sinne der wohlhabenden Freundinnen und Freunde erfolgen und vor allem nicht offen und transparent, sondern still, heimlich und leise. Nicht zuletzt haben die Chats, die diesen Ibiza-Untersuchungsausschuss so geprägt haben, ein Sittenbild gezeichnet, das viele Österreicherinnen und Österreicher lieber nicht gesehen hätten.
Es ist mir schon wichtig, an diesem Punkt zu erwähnen, Kollege Hanger – ich habe Ihren Fraktionsbericht aufmerksam durchgelesen, genauso wie ich Ihnen aufmerksam zugehört habe –: Ihre künstliche Empörung zu den Persönlichkeitsrechten können Sie sich meiner Meinung nach sparen, denn Sie sind da nicht glaubwürdig. Jeder in Österreich weiß, dass Ihnen die Chats über den „Pöbel“, über die schlechte Behandlung eines Kirchenvertreters, die vielen Bussiemojis hochnotpeinlich sind. Und wenn sich ein ÖVP-Generalsekretär im Finanzministerium in seinem Machtrausch Stück für Stück ein Machtinstrument wie die Öbag inklusive selbst gebasteltem Vorstandsjob zusammenbaut, dann ist das nicht privat, dann hat die Öffentlichkeit ein Recht darauf, das zu erfahren. Das bitte ich Sie, zur Kenntnis zu nehmen! (Beifall bei den Grünen. – Abg. Hanger: Aber Privatsphäre gibt es schon noch, oder?!)
Neben der Öbag gab es ja noch andere wichtige Erkenntnisse, lassen Sie sie mich kurz umreißen: Da wäre zum Beispiel das innige, von Spenden geleitete Verhältnis zur Versicherungswirtschaft, das sich in mehreren Gesetzen niedergeschlagen hat – wir haben ja sogar Belege dafür gefunden, dass die Versicherungswirtschaft ihre eigenen Gesetze geschrieben hat. Das prominenteste Beispiel ist aber mit Sicherheit der Prikraf und dazu der bekannteste Chat: „Hallo Walter! Welches Bundes-Gesetz wäre für dich wichtig, damit die Privatklinik endlich fair behandelt wird? Prikraf!“
Auch sehr brisant: Privatisierungen. Sie erinnern sich an die Zeit der türkis-blauen Bundesregierung: Während man die Öffentlichkeit darauf eingeschworen hat, dass die Fehler von Schwarz-Blau I und II sicher nicht wiederholt werden, wurde hintenherum und ganz gerne über die Drehscheibe im Finanzministerium am Verkauf unserer privatesten Daten gearbeitet; ich spreche vom Bundesrechenzentrum, Stichwort Operation Edelstein. Das alles ist wie so oft still, heimlich und leise und eben überhaupt nicht öffentlich und transparent passiert.
Ich bin froh, dass der Ibiza-Untersuchungsausschuss Stück für Stück freigelegt hat, was Türkis-Blau im Dunkeln lassen wollte. Das ist gut so, meine sehr geehrten Damen und Herren. (Beifall bei den Grünen sowie des Abg. Krainer.)
Was wird vom Ibiza-Untersuchungsausschuss bleiben? – Ich habe eingangs erwähnt, dass ein Untersuchungsausschuss vor allem zwei Funktionen hat: einerseits einen politischen Selbstreinigungsprozess in Gang zu setzen, aber auch durch gute Beschlüsse im Nationalrat Grundlagen zu schaffen. In beiden Punkten, finde ich, hat der Ibiza-Untersuchungsausschuss alle Erwartungen erfüllt, die Rücktritte und Suspendierungen bei der Öbag und in der Justiz gehören zum politischen Selbstreinigungsprozess.
Wenn sich die ÖVP jetzt den letzten Ruck gäbe, dann könnten wir auch die gesetzlichen Grundlagen schaffen, die wichtig wären, um genau solche Vorhaben zu bekämpfen: also Abschaffung des Amtsgeheimnisses, Antiglücksspielpaket, Antikorruptionsbestimmungen.
Lassen Sie mich zum Schluss kommen! Gestern Abend hat die APA getitelt: „U-Ausschuss wird ad acta gelegt“. Das mag für den U-Ausschuss gelten, aber sicher nicht für die zahlreichen Erkenntnisse, die wir gesammelt haben. Ja, diese Erkenntnisse – auch wenn sie viele am liebsten schreddern würden – werden bleiben und können auch eine wichtige Grundlage sein, auch eine wichtige Grundlage für eine Weiterführung des Untersuchungsausschusses.
Das müssen Sie mich jetzt auch kurz erwähnen lassen, liebe Kolleginnen und Kollegen von der Opposition: Sie lassen ja die Öffentlichkeit noch im Dunkeln. Geht es überhaupt weiter? Wie geht es weiter? Vor dem Sommer, als wir hier zahlreiche Male die Verlängerung des Untersuchungsausschusses diskutiert haben, hat sich das immer sehr nach Gefahr im Verzug angehört. Jetzt ist es wohl doch nicht so eilig, denn Sie könnten ab jetzt die Einsetzung eines neuen Untersuchungsausschusses verlangen. Das tun Sie aber nicht – Sie werden wohl Ihre Gründe haben. Das neue Motto ist wohl: Eile mit Weile!
Sei’s drum – wichtig an so einem Tag ist ja auch, Danke zu sagen: Danke an die Kolleginnen und Kollegen von der eigenen Fraktion, Danke an die Kolleginnen und Kollegen von allen anderen Fraktionen, an die vielen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die im Hintergrund arbeiten, an die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Parlamentsdirektion, an alle Beteiligten dieses Untersuchungsausschusses – die Verfahrensrichter, die Verfahrensanwälte und an alle, die sonst noch mitgearbeitet haben. – Danke schön, es war großartig. (Beifall bei den Grünen. – Heiterkeit bei den NEOS. – Abg. Stögmüller: Glück auf!)
12.51
Präsidentin Doris Bures: Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Stephanie Krisper. – Bitte.