15.58

Abgeordneter Mag. Gerhard Kaniak (FPÖ): Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bun­desminister! Ich muss ganz ehrlich sagen, Herr Bundesminister, Ihre Ausführungen haben mich mehr als irritiert. Ich weiß nicht, wer Ihnen Ihre Stellungnahme zusammen­geschrieben hat, aber sie hat so ganz und gar nicht nach Ihnen geklungen.

In eine Politik der Angstmache einzusteigen und Menschen, die sich aus gesund­heit­lichen oder persönlichen Gründen nicht impfen lassen wollen, Angst zu machen und Drohungen in den Raum zu stellen, das hört sich gar nicht nach Ihnen an (Abg. Belakowitsch: Eigentlich schon!), genausowenig wie plumpes FPÖ-Bashing, was wir in den letzten Wochen sonst nur aus den Reihen der ÖVP gehört haben.

Ich kann auch nicht glauben, dass Sie sich als Mediziner tatsächlich hinstellen und sagen, dass Menschen, die nachweislich genesen sind, weil sie einen entsprechenden Antikörperstatus haben, keinerlei Schutz genießen, da es mehrere internationale und auch nationale Studien gibt, die zeigen, dass natürlich ein Schutz, auch ein lang an­haltender Schutz besteht, der möglicherweise dem Impfschutz nicht nur gleichwertig, son­dern ihm vielleicht sogar überlegen ist. (Zwischenrufe der Abgeordneten Belakowitsch und Hauser.)

So wie Sie nicht nur Sie, sondern die Regierungsparteien im Speziellen – hier die Impfung als einzigen Weg aus der Krise verteidigen, muss man sich ja fast fragen, ob Sie irgendetwas daran verdienen, dass so viele Impfungen verabreicht werden. Warum soll denn das der einzige Weg sein? Was hätten wir denn gemacht, wenn es gar keine Impfung gegeben hätte? Das frage ich Sie, meine sehr geehrten Damen und Herren. An der Entwicklung dieser Impfung hat die Bundesregierung kein Verdienst, es war die pharmazeutische Industrie, die diese Impfung entwickelt hat. Was hätten Sie gemacht, wenn es diese nicht gegeben hätte? Dann hätten Sie nämlich tatsächlich Krisenmana­gement betreiben müssen.

Auf den Vorwurf hin, dass es vonseiten der FPÖ keine konstruktiven, sondern nur destruktive Maßnahmen gibt, möchte ich auf unser Gespräch, Herr Bundesminister, vom 7. Mai des heurigen Jahres, kurz nach Ihrem Amtsantritt verweisen. Ich habe Ihnen damals schon etliche Punkte aufgezählt, wie man diese Krise konstruktiv bewältigen kann.

Wir haben über die Problematik der Falldefinitionen gesprochen, darüber, dass wir seit November letzten Jahres durch Ihren Amtsvorgänger eine nicht WHO-konforme Falldefi­nition haben. Haben Sie es in der Zwischenzeit geändert? – Nein. Wir haben darüber gesprochen, dass wir in Österreich die Möglichkeit hätten, die Verstorbenen tatsächlich zu obduzieren, um transparente Zahlen zu bekommen und die Glaubwürdigkeit zu erhöhen. Haben Sie das umgesetzt? – Nein. Wir haben uns darüber unterhalten, dass wir in der Steuerung dieser Krise ein völliges Zahlenchaos haben, dass die Bettenzahlen, die Kapazitätszahlen nicht stimmen. Haben Sie das bislang bereinigt? – Leider Gottes noch immer nicht. (Abg. Belakowitsch: Kommt auch nicht! – Zwischenruf des Abg. Deimek.)

Wir haben uns auch über die Testpolitik unterhalten, darüber, dass die Testungen gratis sein müssen, dass aber die Massentests und die Laientests nicht sehr sinnvoll sind. Wir haben uns über Antikörpertestungen und Immunitätstestungen und über entsprechende Studien unterhalten. Sie haben keine einzige der Anregungen aufgenommen. Wir haben uns auch über die Impfpolitik unterhalten, und ich habe Ihnen gesagt: Ganz entschei­dend wird sein, dass da die Freiwilligkeit sowie Aufklärung und Beratung im Vordergrund stehen und kein Zwang. Wo sind wir heute gelandet? – Genau beim Gegenteil. Über die Maskenpflicht, die kurz nach dem damaligen Termin aufgehoben wurde und jetzt vor einer Wiedereinführung steht, brauche ich, glaube ich, gar nichts mehr zu sagen. (Zwi­schenrufe der Abgeordneten Belakowitsch und Deimek.)

Im Endeffekt kann man zusammenfassend sagen: Außer der Impfung gibt es für die Bundesregierung keinen Weg aus der Krise. Statt tatsächlich effektive Maßnahmen zu beschließen, hat man vielfach die falschen oder gar keine Maßnahmen beschlossen.

Ich möchte noch ein paar Punkte aufzählen, die ich notiert habe: Es finden noch immer Massentestungen an symptomlosen Bürgern statt, etwas, das in dieser Form nicht nur extrem teuer, sondern auch vollkommen ineffektiv, ja sinnlos ist. Noch immer findet keine Konzentration der Testungen auf die symptomatischen Patienten statt.

Die Forderung, dass die Gesundheitsbehörden gestärkt werden müssen, hat kein Gehör gefunden. Der Rohbericht des Rechnungshofes hat gezeigt, dass im Jahr 2020 65 Pro­zent der Coronakontaktfälle nicht aufgeklärt werden konnten, weil zu wenig Personal da war. Auch da hat es im heurigen Jahr und auch unter Ihrer Ägide keine Verbesserung gegeben. Stattdessen schicken wir lieber Zehntausende Bürger ungetestet oder sogar negativ getestet in Quarantäne, wie das momentan in den Schulen passiert. Da werden die Schüler regelmäßig getestet, und wenn einer bei einem Test positiv, der Nachbar aber negativ ist, dann muss der aktuell negativ Getestete trotzdem in Quarantäne gehen, obwohl er negativ getestet ist. Viel unlogischer kann das ja gar nicht mehr sein.

Sie haben keine Leitlinien für Menschen erlassen, die positiv getestet sind, sondern diese werden einfach nach Hause geschickt und unter Absonderung gestellt, ohne dass man ihnen sagt, wie sie sich richtig verhalten sollen, was sie tun können, damit eine potenzielle Erkrankung nicht ausbricht, beziehungsweise auf welche Symptome sie achten müssen, damit sie frühzeitig eine Verschlimmerung ihres Zustands erkennen. Ge­nauso wenig gibt es Leitlinien für Personen, die tatsächlich schon Symptome haben. Es gibt keine standardisierten Verordnungen, obwohl die Arzneimittel auf dem österreichischen Markt vorhanden wären und Therapien möglich wären. Es gibt überhaupt nichts, die Menschen werden sich selbst überlassen.

Wenn wir dann schon beim Spital sind: Im Spital hat es, zumindest nach offizieller Darstellung, auch keine Aufstockung der Behandlungskapazitäten gegeben. Wir haben in Ihrer aktuellen Verordnung als Maßzahl für die Behandlungskapazitäten im intensiv­medizinischen Bereich noch immer dieselben 2 000 Betten, die Sie seit 18 Monaten propagieren. Ich kann mir beim besten Willen nicht vorstellen und ich weiß auch, dass es nicht der Realität entspricht, dass es österreichweit tatsächlich seit 18 Monaten eine intensivmedizinische Behandlungskapazität von exakt 2 000 Betten gibt und keinem einzigen mehr. Wozu haben wir denn mehrere Hundert Beatmungsgeräte gekauft? (Abg. Belakowitsch: Die Beatmungsgeräte finden wir nicht mehr!) Ich hoffe, dass innerhalb von 18 Monaten auch personelle Anpassungen durchgeführt wurden, um die Kapazitä­ten zu erhöhen.

Sollte das aber vielleicht tatsächlich nicht möglich sein, Herr Bundesminister, warum haben Sie dann nicht entsprechende Kooperationsvereinbarungen mit den Privatkliniken getroffen? Die Zahl der Behandlungskapazitäten in diesem Bereich findet man in Ihren Aufstellungen gar nicht. Stattdessen kreieren Sie Schwellenwerte, die aus meiner Sicht ziemlich willkürlich sind und die vor allem mit der tatsächlichen Zahl der verfügbaren Kapazität einfach nicht zusammenpassen.

Sie haben noch etwas anderes gemacht, was im Endeffekt zur Verschlimmerung der Situation beigetragen hat: Sie haben die Personalsituation in den Spitälern, aber auch im Pflegebereich mit den geschaffenen Strukturen verschärft. Sie haben auf der einen Seite durch den indirekten Impfzwang und Testzwang, den Sie ausüben, dafür gesorgt, dass Ärzte, die im Spitalsbereich zum Beispiel zur Ableistung von Notdiensten, für Bereitschaftsdienste benötigt werden, lieber in die Impfstraßen gehen, anstatt die Grundversorgung aufrechtzuerhalten, weil sie dort mehr verdienen. Wir haben erst letzte Woche aus Kärnten die Meldung bekommen, dass keine Notärzte mehr gefunden werden konnten und teilweise ganze Dienste nicht besetzt waren. (Zwischenruf des Abg. Deimek.) Das ist eine direkte Konsequenz aus den Maßnahmen, die Sie getroffen haben, Herr Bundesminister.

Im Pflegebereich sieht es ähnlich schlimm aus. Wir haben vorher schon zu wenige Pflegekräfte gehabt. Durch die verpflichtende Impfung für Schüler von Pflegeschulen sind die Anmeldezahlen dort deutlich zurückgegangen; was die Diplompflege betrifft, die zum Beispiel im Alten- und Pflegeheimbereich benötigt werden würde, haben wir öster­reichweit Tausende Betten gesperrt, weil wir zu wenige Pflegekräfte haben. Das wissen Sie, Herr Minister. Die Probleme klingeln bei Ihnen wahrscheinlich jeden Tag über das Telefon rein. Es ist natürlich auch klar: Wenn die Pflegekräfte lieber in den Test- und Impfstraßen stehen und dort mehr verdienen, dann fehlen sie in den Altenheimen und dann können wir die Menschen dort nicht ordentlich versorgen. Das sind alles Folgen Ihrer Maßnahmen.

Ich sage Ihnen Folgendes: Wir benötigen eine Neubewertung der Lage. Es hat sich im letzten Jahr nämlich viel geändert. Wir haben eine Grundimmunität in der Bevölkerung, die wir vor einem Jahr noch nicht hatten, und wir fordern eine flächendeckende Erhebung dieser Immunität. Da helfen keine repräsentativen Studien, wobei 5 000 Studien­teilneh­mer, wie Sie angeführt haben, für mich sowieso keine repräsentative Studie ergeben, denn da schaffen Sie keine differenzierte Analytik der verschiedenen Altersgruppen und der verschiedenen Vorerkrankungen und Ähnliches, das wäre sowieso ein viel zu kleines Sample. Das hatten wir übrigens auch schon vor über einem Jahr. Ich glaube, es ist Zeit, dass wir in die Fläche gehen, dass wir tatsächlich allen Bürgern dieses Angebot machen. Damit geben wir ihnen einerseits Sicherheit über den eigenen Status und erhalten andererseits vollständige und valide Daten für die weiteren Maßnahmen. All das kostet einen Bruchteil dessen, was wir laufend für die Antigen- und PCR-Testungen ausgeben.

Des Weiteren fordern wir den Schutz der Risikogruppen. Das sind für mich nicht nur die Hochrisikopatienten, sondern von mir aus eben auch alle, bei denen sich herausstellt, dass sie noch keine Immunisierung haben. Die sollen ein kostenloses Angebot für Masken, für Testungen oder auch für Impfungen bekommen, aber das alles bitte auf freiwilliger Basis, denn es geht dabei ja um den Selbstschutz.

Des Weiteren fordern wir die bestmögliche und sofortige Therapie aller positiv Getes­teten beziehungsweise Erkrankten. Es kann doch nicht wahr sein, dass unser Gesund­heitssystem darauf wartet, dass die Menschen, die zuerst isoliert werden, ohne dass irgendjemand auf sie schaut, so krank werden, dass sie im Spital aufschlagen, bevor man mit irgendeiner Behandlung beginnt.

Des Weiteren fordern wir einerseits in den Gesundheitsbehörden und andererseits im Spitalsbereich flexible Strukturen, das heißt Strukturen, die in der Lage sind, mit einer epidemiologischen Entwicklung, mit einer Infektionswelle anzuwachsen und dann auch schnell wieder reduziert zu werden. In diese Richtung ist auch noch überhaupt nichts entstanden.

Abschließend fordere ich eine Konkretisierung des Epidemiegesetzes, denn eine Sache ist schon sehr auffällig: Es gibt trotz der monatelangen Debatte in Österreich nach wie vor keine klare Definition, ab wann eine Epidemie beginnt und vor allem, ab wann sie wieder für beendet zu erklären ist. Diese Vorgabe gehört gesetzlich im Epidemiegesetz geregelt, und daran wird sich dann auch eine schwarz-grüne oder türkis-grüne Bundes­regierung zu halten haben.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, abschließend kann ich nur eines feststellen: Eine wirkungsvolle Coronapolitik mit Herz und Hirn und unter Einhaltung und Wahrung der Grund- und Freiheitsrechte kann es nur mit der FPÖ, nur mit uns geben. (Beifall bei der FPÖ.)

16.07

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Schallmeiner. – Bitte.