11.21

Abgeordnete Mag. Beate Meinl-Reisinger, MES (NEOS): Sehr geehrter Herr Prä­sident! Sehr geehrter Herr Bundeskanzler! Herr Vizekanzler! Werte Mitglieder der Bun­desregierung, insbesondere Herr Außenminister, herzlich willkommen bei uns im Hohen Haus! Werte Kolleginnen und Kollegen! Der neue Kollege ist nicht hier, ich bitte, ihm schöne Grüße auszurichten. (Abg. Wöginger: Er kommt schon! Könnt ihr es gar nicht mehr erwarten? – Abg. Michael Hammer: Es gibt ja Fristenläufe auch!) Liebe Zuschau­erinnen und Zuschauer! Die Regierungskrise ist vorbei. Ist die Regierungskrise vorbei? – Ich glaube, das ist heute die zentrale Frage, der wir nachgehen. Ich teile die Einschät­zung vieler, vieler Vorredner und Analysten der vergangenen Tage, die gemeint haben, dass eigentlich, seit die türkise ÖVP sich aufgeschwungen hat, unser Land zu regieren, ein Chaos auf das nächste Chaos, eine instabile Situation auf die nächste folgt, eine Regierungskrise auf die nächste folgt, und ja, auch eine Hausdurchsuchung auf die nächste folgt.

Ich habe es gestern ganz bewusst getan und möchte das auch heute tun, nämlich Ihnen, Herr Bundeskanzler, zu diesem neuen Amt, zu dieser Verantwortung gratulieren; und auch Ihnen, Herr Außenminister, herzliche Gratulation von unserer Seite und ein ernst gemeintes herzliches Willkommen! Ich habe gestern aber auch gesagt, es braucht diesen Mut für einen Neustart. Ganz offensichtlich ist dieser Mut für einen Neustart nicht gegeben (Oh-Rufe bei der ÖVP), oder zumindest habe ich diesen Eindruck in den vergangenen Stunden bekommen, als ich Ihren Worten hier gelauscht habe.

Es ist schon spannend, Herr Bundeskanzler: Während Sie gesprochen haben, auch hier im Hohen Haus, und sich als Verteidiger der ÖVP, als Vertreter der ÖVP, als jemand, der von der Unschuld des Sebastian Kurz überzeugt ist, präsentiert haben, wurde gleich­zeitig die eine Meinungsforscherin festgenommen. Das lässt doch eigentlich nur einen Schluss zu, meine sehr geehrten Damen und Herren, vor allem in Richtung der ÖVP: Es ist vorbei! Es ist einfach vorbei! (Beifall bei NEOS und SPÖ sowie bei Abgeordneten der FPÖ. – Abg. Leichtfried: Bravo!)

Herr Bundeskanzler, Sie haben es jetzt in der Hand, ob Sie sich mit Weh und Ach an dieses türkise System klammern und dann mit diesem türkisen System untergehen, das ist Ihre Entscheidung. Eines aber sage ich Ihnen heute hier: Wir als Parlament werden nicht zulassen, dass Sie das Land in den Untergang mitreißen. (Beifall bei den NEOS, bei Abgeordneten der SPÖ sowie der Abgeordneten Hauser und Lausch.)

Es ist nämlich wirklich ein Sumpf, in dem sich unser Land und ganz besonders die ÖVP befindet. Im Zentrum steht Ex-Kanzler Sebastian Kurz, aber rund um ihn herum (mit der Hand eine Kreisbewegung ausführend) – wir haben es schon gehört – gibt es ein Netz­werk von türkisen Fanboys und -girls, die nichts anderes gemacht haben, als ihre eige­nen Interessen vor die Interessen des Landes zu stellen.

Die Akten, meine sehr geehrten Damen und Herren – und ich habe diese 104 Seiten noch einmal mitgebracht (ein umfangreiches Schriftstück in die Höhe haltend) –, kann ich jedem neuerlich ans Herzen legen: Lesen Sie sich das durch! Herr Bundeskanzler, ich gebe sie Ihnen jetzt einfach einmal. (Die Rednerin legt das genannte Schriftstück vor Bundeskanzler Schallenberg auf die Regierungsbank.) Bitte sehr! (Beifall bei den NEOS.) Die Anordnung zur Hausdurchsuchung, 104 Seiten: Es ist ein Sittenbild des moralischen Verfalls der ÖVP. (Bundeskanzler Schallenberg legt das genannte Schrift­stück hinter sich auf den Boden.) – Werfen Sie es nicht einfach so weg! Das ist die unabhängige Justiz, und die haben Sie auch als Bundeskanzler zu achten und zu ehren! (Beifall bei den NEOS, bei Abgeordneten der SPÖ sowie der Abgeordneten Bösch und Schmiedlechner.)

Es ist ein Sittenbild des moralischen Verfalls, ein Sittenbild des Verfalls des Bürgerlichen an sich, wie ich meine. Es gibt sehr handfeste und konkrete Vorwürfe der Korruption, der Bestechung, der Bestechlichkeit und der Untreue. Das ist nicht etwas, das vor Jahren vielleicht einmal ein bisschen passiert ist, sondern das ist etwas, das schon sehr, sehr konkret ist. (Zwischenruf des Abg. Schnedlitz.) Sie haben sich eine Partei erkauft und sich innerhalb der Partei an die Macht geputscht. Sie haben sich eine Wahl gekauft. Sie haben versucht, Medien zu kaufen, die öffentliche Meinung zu kaufen, Menschen zu kaufen und zu manipulieren, und das alles mit dem Steuergeld der Steuerzahlerinnen und Steuerzahler. Alles, was gezählt hat, war Macht, Macht, Macht, Macht. Das ist auch das, was heute so spürbar ist, dieses An-der-Macht-Festklammern, Nicht-Loslassen-Können, denn das ist offensichtlich das Einzige, das Sie noch zusammenhält; die Men­schen waren Ihnen völlig egal.

Ich weiß, es ist in den vergangenen Tagen sehr viel aus den Akten zitiert worden, aber ich sage es hier gerne wieder: Was mich sehr, sehr betroffen gemacht hat, war die Thematik, dass ganz offensichtlich der Ex-Kanzler mit anderen Leuten gemeinsam ver­sucht hat, wirklich gute Projekte vergangener Regierungen zu verhindern, zum Beispiel betreffend das Thema flächendeckende Nachmittagsbetreuung in Kindergärten. Gerade heute steht groß in der Zeitung (eine Ausgabe der „Kronen Zeitung“ in die Höhe haltend), dass es einen Plan für die Vereinbarkeit von Arbeit und Familie gibt, dass es einen Schulterschluss der Sozialpartner gibt, dass es notwendig ist, endlich Kinderbetreuung voranzubringen, wo Sie längst säumig sind. – Das hätten wir schon! Wir hätten eine flächendeckende Nachmittagsbetreuung in allen Kindergärten, wenn, ja wenn nicht die Machtgeilheit einer Person so groß gewesen wäre, dass man lieber Gutes verhindert, als so etwas auf den Weg zu bringen. (Beifall bei den NEOS.)

Das Gleiche hat man bei der kalten Progression, der schleichenden Steuererhöhung, gesehen. Sie schaffen sie jetzt wieder einmal nicht ab. Damit ist auch Ihre Steuerreform, die Sie bringen werden, eine zukünftige Belastung der Steuerzahlerinnen und Steuer­zahler. Sie wäre abgeschafft worden, aber das haben die Türkisen verhindert, denn sonst wären die Schwarzen und die Roten an der Macht geblieben. Ihnen geht es nicht um die Menschen, Ihnen sind die Menschen in unserem Land völlig egal, es geht Ihnen nur um Ihre Posten, es geht Ihnen nur um Ihre Macht und es geht Ihnen nur darum, jetzt diese Macht zu erhalten. (Beifall bei den NEOS.)

Da hätte ich mir eine Abgrenzung gewünscht, denn ich glaube, das, was die Menschen sehen, ist, dass es so nicht weitergehen kann, dass wir einen echten Neustart brauchen. Dieser Neustart braucht aber eine Abgrenzung zum Bisherigen. Herr Bundeskanzler, Herr Vizekanzler, ich kann nur appellieren, dass Sie nicht so weitermachen wie bisher, denn dann werden Sie untergehen. Und noch einmal: Wir als Parlament werden aufpas­sen, dass Sie nicht das Land mitreißen!

Es braucht einen Neustart in puncto Integrität. Es braucht einen Neustart in puncto Verlässlichkeit, dass eine Regierung ausschließlich im Interesse der Menschen in Öster­reich arbeitet. Es braucht auch einen Neustart in Sachen Vertrauen. Dafür braucht es schärfere Spielregeln, schärfere Gesetze. Es reicht nicht, einen Spieler auszutauschen, man muss das Spiel ändern und die Spielregeln ändern.

Wir als NEOS reichen einmal mehr die Hand und wollen mit Ihnen gemeinsam kon­struktiv voranschreiten und Ihnen ein Angebot machen. Zeigen wir gemeinsam den Men­schen, dass wir es verstanden haben, dass wir nicht so sind, dass vor allem auch Sie nicht so sind, denn wir sind eh nicht so. (Oh-Rufe bei der ÖVP.) Schreiten wir voran, beschließen wir gemeinsam schärfere Regeln in Bezug auf Medientransparenz und machen wir Schluss mit der Inseratenkorruption! Das ist möglich (Abg. Ottenschläger: Fangen wir mal in Wien an!), dazu braucht es bessere Gesetze. Wir bringen heute dazu einen Entschließungsantrag ein, und ich lade Sie ein, machen wir da gemeinsam den Schulterschluss, um konstruktiv für Österreich, für die Menschen in Österreich zu arbeiten.

Ich sage Ihnen etwas: Ja, Österreich hat Besseres verdient!, aber vor allem eines: Heben wir unserem Land die Flügel! – Vielen herzlichen Dank. (Beifall bei den NEOS.)

11.29

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesminister Linhart. Ich darf ihm das Wort erteilen.