14.46
Abgeordnete Mag. Nina Tomaselli (Grüne): Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuseherinnen und Zuseher! „Und [...] für dich: zahlen sind in schwankungsbreite frisiert“, „Geniales investment“, „Und Fellner ist ein Kapitalist“, „Wer zahlt schafft an“, „Ich liebe das“, „Mitterlehner ist ein Linksdilettant und ein riesen oasch!! Ich hasse ihn Bussi Thomas“. – Ich finde, an einem Tag wie dem heutigen muss man mit diesen Chats anfangen. (Abg. Pfurtscheller: Was hat das jetzt mit dem Thema zu tun?)
Ich habe mir im Laufe des Tages auch ganz oft gedacht, eigentlich müssten wir auch eine Lesestunde machen, denn ich nehme an, dass sich einige Personen bis heute geweigert haben, die 104 Seiten der richterlich genehmigten Anordnung zur Hausdurchsuchung zu lesen – anders sind die Zweifel nicht erklärbar.
Was diese Chats belegen, ist, wie ich finde, ganz klar, nämlich mit welcher Machtlust das eigene Fortkommen über das Wohl des Landes gestellt worden ist. Wenn Sie mir nicht glauben – ich würde sagen, es ist versucht worden, die Österreicherinnen und Österreicher zu manipulieren, die Medien, aber auch (erheitert) die eigene Partei –, möchte ich die Worte von Landeshauptmann Schützenhöfer heranziehen. Er hat nämlich gesagt: „Die Härte der Vorwürfe ist unfassbar. Sie hat eine Dimension erreicht, die an die Grenzen des Möglichen heranreicht.“
Was wir in den Chats aber sehen, ist, dass das tatsächlich möglich ist, denn es sind Dokumente aus der Realität, und das, meine sehr geehrten Damen und Herren, ist ehrlich gesagt beschämend. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)
Eigentlich könnte man sich als Politikerin einer nicht betroffenen Partei jetzt zurücklehnen und sagen: Ja, die ÖVP ist schuld!, oder, wie es die NEOS gemacht haben, noch ein bisschen absurder: Die Grünen sind schuld! Und in einer einfachen Welt könnten wir uns vielleicht darauf verlassen, dass alle Beteiligten, die dieses System unterstützt haben und beschützt haben, eh jeden Tag die Rechnung präsentiert bekommen. Wissen Sie aber, was die Wahrheit ist? – Wir sind eben nicht in einer einfachen Welt. Sie ziehen uns alle mit hinunter! Diese persönlichen Worte möchte ich jetzt sagen, weil es mich wirklich bestürzt: Die Machenschaften, die wir in diesen Chats sehen, zerstören nachhaltig das Vertrauen in die Politik, und das müssen wir uns alle zusammen mühsam wieder erarbeiten. Nur zwei Jahre nach Ibiza, nach einem so einschneidenden Ereignis in der Innenpolitik, muss das Parlament, muss ein nächster U-Ausschuss schon wieder hinter der Selbstbesessenheit, hinter den blinden Allmachtsfantasien Einzelner hinterherräumen. Ich finde, damit muss endlich Schluss sein. (Beifall bei den Grünen.)
Wieso sage ich das? – Es ist mir ein tiefes Anliegen, denn ich möchte nicht, dass wir als Politik der Bevölkerung ein Bild vermitteln – auch den vielen Kindern und Jugendlichen, die jetzt zusehen –, dass es normal ist, dass man sich Steuergeld nehmen kann, das einem gar nicht gehört, dass man damit den Boulevard schmieren kann, dass alles irgendwie eine Frage des Preises ist und dass sich diejenigen durchsetzen, die frech genug sind, weil sie die anderen mit dem Ellenbogen wegräumen. Ich finde auch nicht, dass es sein kann, dass die Unschuldsvermutung ein zentrales Kriterium wird. Nein, das Strafrecht ist keine politische Kategorie, und das Strafrecht kann auch nicht als einziges Kriterium für die Würde eines politischen Amts herangezogen werden. (Beifall bei den Grünen sowie der Abg. Krisper.)
Ich finde, es geht vielmehr um Vertrauen, es geht um Glaubwürdigkeit: um die Glaubwürdigkeit, die man vermittelt, dass man alles, was in der eigenen Macht steht, für das Land tut. Es geht um Integrität. Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir brauchen integre Menschen, die für die Republik arbeiten bei den vielen Herausforderungen, die vor uns stehen – sei es Klimakrise, Pandemie, Armutsbetroffenheit, Gleichberechtigung. Ich hoffe, dass hier im Hohen Haus möglichst viele mitziehen, damit wir gemeinsam diese Herausforderungen meistern können.
Abschließend möchte ich sagen: Bei dem, was in den letzten Tagen passiert ist, geht es nicht um eine einzelne Partei, sondern da geht es um Vorkommnisse, die das Gefüge der ganzen Republik ins Wanken gebracht haben. Heute ist so viel von Systemen die Rede – System hier, System da. Ich komme im Gegensatz zu meinen Vorrednern zu einer anderen Conclusio, denn die ganzen Chats, die wir in den vergangenen Monaten gesehen haben, dieses Sittenbild, das – man kann es als widerlich bezeichnen – sie zutage gefördert haben, die Entrüstung darüber und das Wissen, dass noch mehr Chats kommen werden, sehr geehrte Damen und Herren, machen mich sicher: system overload, game over. – Danke. (Beifall bei den Grünen sowie der Abgeordneten Brandstätter und Shetty.)
14.52
Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gelangt Frau Abgeordnete Henrike Brandstötter. – Bitte schön, Frau Abgeordnete.