12.18

Abgeordnete Mag. Martina Künsberg Sarre (NEOS): Frau Präsidentin! Frau Rech­nungshofpräsidentin! Herr Bundesminister! Werte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zu­schauerinnen und Zuschauer! Die ÖVP und die Grünen haben gestern einen Antrag eingebracht, der den Bildungsminister auffordert, die Punkte aus dem Regierungspro­gramm umzusetzen. Ich glaube, Sie merken mittlerweile überhaupt nicht mehr, wie lächer­lich Sie sich eigentlich damit machen. Sie haben letzte Woche im Unterrichtsausschuss noch sämtliche Anträge der Opposition, nämlich insbesondere auch die Elementarbil­dungsthemen betreffend, mit der Begründung, dass eigentlich quasi alles auf dem Weg und in Umsetzung ist, es unsere Anträge eigentlich überhaupt nicht mehr braucht, ver­tagt. Wenn ich mir jetzt den Bundesrechnungsabschluss anschaue und auch den Blick ins nächste Jahr mache, dann glaube ich, dass es diese Anträge der Opposition sehr wohl braucht. (Beifall bei den NEOS und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Wir hören unentwegt von den Grünen, dass durch sie in der Regierung das Thema Bil­dung einen größeren Stellenwert bekommt. Wir hören gebetsmühlenartig vor allem von den Grünen, aber heute auch vom neuen Elementarbildungsexperten Hanger, wie wich­tig ein Ausbau im Bereich Elementarbildung sei und dass ohne die Länder leider, leider, leider nichts weitergehen werde. Wir hören von den Grünen, dass viel Geld in die Hand genommen wird, um eben den Kindergartenbereich auszubauen.

Und was ist? – Uh! Wenn wir uns das Jahr 2022 anschauen, sehen wir: Für den Ele­mentarbildungsbereich sind 142,6 Millionen Euro veranschlagt, das ist exakt der Betrag, den die 15a-Vereinbarung vorsieht, kein Cent mehr.

Liebe Kollegin Hamann, Sie haben letzte Woche im Ausschuss gesagt, dass wir uns überraschen lassen und auf das Budget warten sollen. Das haben wir getan, und wir sind auch sehr überrascht, aber leider nicht positiv, weil da natürlich von einer Steigerung überhaupt keine Rede ist. Wir müssen endlich einmal festhalten, dass es für die Grünen offensichtlich ein Erfolg ist, wenn der Betrag gleich bleibt – das ist schon einmal ein Erfolg gegen die ÖVP oder mit der ÖVP. Und halten wir weiters fest: Die Grünen bringen in der Bildungspolitik einfach nichts zustande. (Beifall bei NEOS und SPÖ.)

Kollegin Plakolm hat gestern gemeint – sie hat ja gestern mit vollem Elan ihren Ex-Kanz­ler verteidigt –, wir sollten doch nicht immer gegen etwas, sondern für etwas sein.

Ich möchte Ihnen jetzt noch gerne etwas vorlesen, man kann das ja nicht oft genug tun: „1,2 Mrd für Nachmittagsbetreuung mit Rechtsanspruch“, „Mega Sprengstoff!“, „Gar nicht gut!!!“, „Wie kannst du das aufhalten?“ (Zwischenruf des Abg. Ofenauer.) – Das, werte Kolleginnen und Kollegen von der ÖVP, hat ihr neuer Klubobmann geschrieben, unter anderem. Diese Sätze zeugen von Arroganz, Unwissenheit und fehlendem Gespür dafür, was die Menschen hier in diesem Land wirklich brauchen. (Beifall bei NEOS und SPÖ sowie bei Abgeordneten der FPÖ.)

Es hätte selbstverständlich heißen müssen: 1,2 Milliarden für Nachmittagsbetreuung und Rechtsanspruch! Mega wichtig! Super! Wie können wir das schnellstmöglich ge­meinsam umsetzen? – So hätte es heißen sollen! (Beifall bei den NEOS sowie bei Abge­ordneten von SPÖ und FPÖ.)

Die Ausschnitte aus den Akten sind der blanke Hohn gegenüber allen Kindern, Eltern und allen, die im Kindergarten oder in Kinderbetreuungseinrichtungen im frühkindlichen Bereich arbeiten, aber auch gegenüber allen Unternehmerinnen und Unternehmern, die händeringend nach Fachkräften suchen. (Beifall bei den NEOS und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Weil es immer heißt, dass ohne die Länder in der Elementarbildung überhaupt nichts geht: Wie wir sehen, ginge ja etwas, wenn zwei moderne, nach vorne blickende Parteiob­leute sich darauf einigen und nicht zukunftsvergessene Politik machen, sondern Politik für die nächsten Generationen – und das schaffen Sie beide offensichtlich nicht. (Beifall bei den NEOS.)

Was hätten wir mit diesen zusätzlichen 1,2 Milliarden Euro für Österreich gemacht? – Wir hätten bereits vor Jahren damit begonnen, eine flächendeckende Nachmittagsbe­treuung in Österreich zu sichern, wir hätten einen Betreuungsplatz für jedes Kind und jede Familie, die ihn benötigt und in Anspruch nehmen möchte, wir hätten es geschafft, dass Eltern nicht mehr wie Bittsteller um einen Kindergartenplatz ansuchen müssen, wir hätten es geschafft, dass es genügend Plätze und weniger Schließtage gibt und dass nicht mehr die Hälfte der Einrichtungen vor 16 Uhr schließt. Und vielleicht hätten wir es auch geschafft, dass alle Bürgermeister lieber eine dritte Kindergartengruppe eröffnen, als ein drittes Feuerwehrauto anschaffen. (Abg. Stark: ... keine Ahnung!)

Liebe ÖVP, seit diese unsäglichen Nachrichten ausgetauscht wurden, sind fast 2 000 Tage vergangen, in denen sich die Eltern abgerackert und bemüht haben, Familie und Beruf unter einen Hut zu bringen (Ruf bei der FPÖ: So ist es!), 2 000 Tage, in denen man Familien, Alleinerziehende, aber auch das Personal im Elementarbildungsbereich massiv hätte entlasten können, 2 000 Tage, in denen Kindern frühkindliche Bildung zu­teil geworden wäre, 2 000 Tage, die stattdessen dafür verwendet worden sind, Medien mundtot zu machen, politische Rivalen abzudrängen und ein türkises System der Macht aufzubauen für eine Familie, die die alltäglichen Herausforderungen der Bevölkerung offensichtlich nicht kapiert hat. (Abg. Rauch: Die Dame bringt es auf den Punkt ...!)

Die Messlatte für Sie ist mittlerweile ziemlich niedrig, aber wenn Sie nicht mehr zustande bringen als die Fortschreibung vom letzten Jahr und das Bummerl immer den Ländern umhängen, wird sich da nichts verändern.

Ich bringe daher folgenden Antrag ein:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Mag. Martina Künsberg Sarre, Kolleginnen und Kollegen betreffend „EUR 1,2 Mrd. und Rechtsanspruch auf Nachmittagsbetreuung“

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung wird aufgefordert, nachdem die ,Vereinbarung gemäß Art. 15a B-VG über die Elementarpädagogik für die Kindergartenjahre 2018/19 bis 2021/22‘ nächs­ten Sommer ausläuft, in den bevorstehenden Verhandlungen über die Folgevereinba­rung sicherzustellen, dass fortan statt 142,6 Mio. Euro die bereits 2016 geplanten 1,2 Mrd. Euro jährlich inklusive Rechtsanspruch auf Nachmittagsbetreuung zur Verfü­gung gestellt werden.“

*****

(Beifall bei den NEOS.)

12.24

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Mag. Martina Künsberg Sarre, Kolleginnen und Kollegen

betreffend EUR 1,2 Mrd. und Rechtsanspruch auf Nachmittagsbetreuung

eingebracht im Zuge der Debatte in der 125. Sitzung des Nationalrats über Bericht des Budgetausschusses über den Bundesrechnungsabschluss für das Jahr 2020 (III-321/1062 d.B.) – TOP 2

Aufgrund der Kompetenzverteilung des elementaren Bildungswesens in Österreich, welche die Zuständigkeit bei den Ländern sieht, wurde eine Vereinbarung gemäß Art. 15a B-VG zwischen dem Bund und den Ländern beschlossen, damit der Bund Investitionen tätigt, welche an gewisse Bedingungen für die Länder geknüpft sind. Diese Vereinbarung regelt letztlich den Umgang und die Bedingungen bzw. Verpflichtungen im Zusammenhang mit der Inanspruchnahme der Zweckzuschüsse. Zweckzuschüsse stellen zusätzliche finanzielle Mittel dar, die der Bund den Ländern zur Verfügung stellt. Für das Schuljahr 2021/22 sind Zweckzuschüsse in der Höhe von jeweils 142,5 Millionen Euro vereinbart. Wie die Causa rund um den ehemaligen Bundeskanzler Sebastian Kurz zeigt, hätten die Zuschüsse weitaus höher ausfallen sollen. Aus untenstehendem Schrift­verkehr zwischen Herrn Schmid und Herrn Kurz aus dem Jahr 2016 geht klar hervor, dass der damalige Bundeskanzler Christian Kern und Vizekanzler Reinhold Mitterlehner planten, 1,2 Mrd. Euro für Nachmittagsbetreuung samt Rechtsanspruch zur Verfügung zu stellen. Doch wie die Akten der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) zeigen, befand Sebastian Kurz diese Entwicklungen für "gar nicht gut!!!". Nicht, weil die Summe nicht angemessen oder dringend notwendig gewesen wäre - der flä­chendeckende Ausbau der Kinderbetreuung wäre ein großer Erfolg für den Kollegen und Kurz-Rivalen Mitterlehner gewesen und hätte sich negativ auf die Machtergreifung von Sebastian Kurz ausgewirkt. Der Schriftverkehr zeigt auf, dass durch "terrorisieren", "auf­hetzen" etc. diese wichtige Investition einfach sabotiert wurde.

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Doch wäre eine solche Investition mehr als überfällig gewesen, da es gerade im Bereich der Kinderbetreuung in Österreich massive Defizite gibt. Wie ein Europa-Vergleich zeigt, schneiden nur wenige Staaten schlechter ab, wenn es darum geht, für Eltern von Unter-3-Jährigen ein zumindest 30-stündiges Betreuungsangebot pro Woche anzubieten. Diese Defizite machen es vor allem Frauen schwer, den (Vollzeit-) Berufseinstieg nach der Karenz wieder zu schaffen, sie werden weniger oft befördert, verdienen weniger (Stichwort großer Gender Pay Gap in Österreich) und enden nicht selten in Altersarmut.

Wie schon etliche Studien zeigen, würde der Ausbau der Kinderbetreuungseinrichtun­gen massive Auswirkungen auf das Einkommen von Frauen haben, da diese nach der Geburt aufgrund des Mangels an Kinderbetreuungsplätzen besonders häufig einer Teil­zeitbeschäftigung nachgehen und im weiteren Erwerbsverlauf nur in den seltensten Fällen in eine Vollzeitbeschäftigung wechseln. Laut Statistik Austria waren im Jahr 2020 ganze 72,8% der Frauen im Alter von 25 bis 49 Jahren mit Kindern unter 15 Jahren teilzeitbeschäftigt - im Vergleich dazu waren nur 6,9% der Väter in Teilzeitarbeit (vgl. Gender-Statistik, Statistik Austria). Besonders verschärft stellt sich diese Situation für Alleinerziehende dar - ebenfalls zu über 90% Frauen -, sie sind die am stärksten von Armutsgefährdung betroffene Gruppe. Aber nicht nur Betreuungsplätze alleine sind Mangelware, auch zu kurze Öffnungszeiten und häufige Schließtage würden Teilzeit­arbeit bei Frauen verstärken, meint Ökonomin Köppl-Turyna. Außerhalb Wiens hat mehr als die Hälfte aller Kinderbetreuungseinrichtungen mehr als fünf Wochen im Jahr ge­schlossen (51,2 Prozent) – das heißt, dass nicht einmal die Hälfte aller Kinderbetreu­ungseinrichtungen es Alleinerzieher_innen ermöglichen, erwerbstätig zu sein und keine private Kinderbetreuung organisieren zu müssen. Auch was die Öffnungszeiten der Kindertagesheime angeht, zeigt sich ein deutliches Stadt-Land-Gefälle: Knapp die Hälfte der Betreuungseinrichtungen außerhalb Wiens (47,2 Prozent) schließt bereits vor 16 Uhr, fast ein Drittel (rund 32 Prozent) sogar vor 15 Uhr. Knapp die Hälfte der Be­treuungseinrichtungen in Österreich hat täglich weniger als acht Stunden geöffnet (vgl. Kindertagesheimstatistik, Statistik Austria).

Während in den Bundesländern mit NEOS Regierungsverantwortung, nämlich Salzburg und Wien, die Kinderbetreuung in den letzten Jahren deutlich ausgebaut wurde und wird - in Wien werden z.B. ab September 2022 die Assistenzstunden in Kindergärten verdop­pelt und Sprachförderkräfte aufgestockt -, wurde darüber hinaus der österreichweite Ausbau der Kinderbetreuung durch Altkanzler Sebastian Kurz und sein türkises System aufgrund von Machtinteressen gezielt sabotiert. Die finanziellen Mittel von 1,2 Mrd. Euro für eine flächendeckende Nachmittagsbetreuung inklusive Rechtsanspruch hätte die Möglichkeit geschaffen, all jenen Kindern und Familien Betreuungsplätze zur Verfügung zu stellen, die diese dringend brauchen und in Anspruch nehmen möchten. Dadurch wären Familien und insbesondere Mütter sowie Alleinerziehende massiv entlastet und persönliche Freiheit sowie finanzielle Sicherheit gefördert worden.

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgenden

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

"Die Bundesregierung wird aufgefordert, nachdem die „Vereinbarung gemäß Art. 15a B-VG über die Elementarpädagogik für die Kindergartenjahre 2018/19 bis 2021/22" nächs­ten Sommer ausläuft, in den bevorstehenden Verhandlungen über die Folgevereinba­rung sicherzustellen, dass fortan statt 142,6 Mio. Euro die bereits 2016 geplanten 1,2 Mrd. Euro jährlich inklusive Rechtsanspruch auf Nachmittagsbetreuung zur Verfü­gung gestellt werden."

*****

Präsidentin Doris Bures: Der Entschließungsantrag ist ordnungsgemäß eingebracht und steht daher auch mit in Verhandlung.

Nächster Redner: Herr Abgeordneter Nikolaus Prinz. – Bitte.