14.27

Abgeordneter Mag. Gerhard Kaniak (FPÖ): Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bun­desminister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Zuhörerinnen und Zu­hörer! Wir haben letzte Woche eine sehr intensive Sitzung im Gesundheitsausschuss gehabt, und einer meiner Vorredner, Abgeordneter Kucher, hat es schon angemerkt: Über 20 Anträge sind von den Regierungsfraktionen erneut vertagt worden, und jene Tagesordnungspunkte, die es heute in das Plenum geschafft haben – sechs an der Zahl –, werden unter einem Tagesordnungspunkt zusammengefasst, sodass kaum die Möglichkeit besteht, tatsächlich auf jeden einzelnen Antrag, auf jede einzelne Gesetzes­änderung einzugehen. Dabei sind sie doch sehr unterschiedlich.

Einzelne dieser Tagesordnungspunkte werden von unserer Fraktion auch unterstützt, wie zum Beispiel die Änderungen im COVID-19-Zweckzuschussgesetz, bei denen es um die Verlängerung der Kostenübernahme für die Testungen generell geht, oder auch die Verlängerung der betrieblichen Testungen, die einen eigenen Tagesordnungspunkt darstellen. Das wird von uns positiv gesehen, wobei wir heute auch noch einen darüber hinausgehenden Ergänzungs- beziehungsweise Abänderungsantrag einbringen werden.

Andere Gesetze, die heute hier beschlossen werden sollen, stoßen auf unsere klare Ablehnung, wie das bereits angesprochene COVID-19-Lagergesetz, das vorsieht, dass Schutzausrüstung und Impfstoffe vom österreichischen Staat großzügigst verschenkt werden können. Herr Bundesminister Mückstein hat schon angekündigt, dass Impfstoffe im Wert von 100 Millionen Euro verschenkt werden sollen (Zwischenruf des Abg. Schall­meiner), obwohl wir das Geld für die Versorgung in Österreich benötigen würden.

Das Problem an diesem Flickwerk sind der unterschiedliche Fristenlauf, die vollkomme­ne Unverhältnismäßigkeit der einzelnen Maßnahmen. Es gibt überhaupt keinen roten Faden in der Pandemiebekämpfungsstrategie – so kann man es ja eigentlich gar nicht nennen. Es gibt keinen roten Faden in der Pandemiebekämpfung durch die Bundesre­gierung. Und ob wir Herrn Bundesminister Mückstein dabei unterstützen können, dass wir das noch hinbekommen, wage ich nach mehreren Monaten vergeblicher Versuche fast zu bezweifeln.

Die größte Änderung, den größten Brocken in den aktuell vorliegenden Gesetzesno­vellen stellen naturgemäß die Änderungen im Epidemiegesetz und im COVID-19-Maß­nahmengesetz dar. Was sich da abspielt, vor allem an Systematik, ist wirklich er­schütternd. Nach über eineinhalb Jahren der Krise und nach unzähligen kritischen Hin­weisen auch vonseiten des Verfassungsdienstes haben wir die Situation, dass die Bun­desregierung nun das Epidemiegesetz und das COVID-19-Maßnahmengesetz nicht nur bis Sommer 2022 verlängern möchte. Nein, sie möchte auch noch eine Ermächtigung dazu haben, eigenständig und ohne erneute Befragung des Parlaments diese Ausnah­mesituation, diese Notstandsregelung um ein weiteres halbes Jahr bis Ende 2022 zu verlängern. Das, meine sehr geehrten Damen und Herren, lehnen wir kategorisch ab. Das wird es mit uns Freiheitlichen nicht geben.

Einer der wesentlichen Punkte, warum wir das ablehnen, ist, dass im Epidemiegesetz und im COVID-19-Maßnahmengesetz nirgends verankert ist, wann denn die Epidemie in Österreich tatsächlich beendet ist und wann all diese freiheitseinschränkenden Maß­nahmen beendet werden müssen. Es ist aber umgekehrt durchaus logisch, warum das nicht der Fall ist: Das würde ja voraussetzen, dass wir ehrliche und transparente Zahlen haben, auf deren Basis Entscheidungen getroffen werden. Das haben wir aber leider noch immer nicht.

Wir haben in Österreich seit November 2020 die Situation, dass die von der Bundesre­gierung und der Ages verkündeten Fallzahlen nicht der Definition der WHO entsprechen. Gut, kann man sagen, kann passieren! Das könnte man aber natürlich ändern. Ich habe Herrn Bundesminister Mückstein darauf hingewiesen, dass sein Amtsvorgänger Anscho­ber da etwas etabliert hat, was international nicht vergleichbar und damit nicht standar­disiert ist. Bis heute ist es nicht geändert.

Aber gut, schauen wir weiter: Wir wissen ja nicht einmal, wie hoch unsere tatsächlichen Bettenkapazitäten im intensivmedizinischen Bereich sind – noch immer nicht! Gerade diese Woche ist ein neues Factsheet von der Gesundheit Österreich GmbH veröffentlicht worden, in dem nun erstmalig von der seit 18 Monaten geltenden Zahl von 2 000 inten­sivmedizinischen Betten abgewichen wurde und interessanterweise 2 102 Betten aus­gewiesen wurden. Ich habe keine Ahnung, wie man auf diese Zahl kommt, sie entspricht auch nicht dem Krankenanstaltenbericht, den das Gesundheitsministerium selber he­rausgegeben hat, wir nähern uns aber vielleicht schön langsam der tatsächlichen Reali­tät an. Ich hoffe, das wird auch bei den entsprechenden Prozentschwellenwerten im Rahmen der aktuellen Verordnung berücksichtigt. Die GÖG hat das bereits gemacht.

Ein weiterer interessanter Aspekt ist natürlich auch die Frage, ob jemand im Spital mit einer Sars-Cov-2-Infektion liegt, also Sars-Cov-2-positiv ist, oder ob er tatsächlich an Covid-19 erkrankt ist. Man hat das heute bei meinem Vorredner, Abgeordneten Schall­meiner, schon gemerkt: Da kommen manche ganz ordentlich ins Schleudern und ver­wechseln Äpfel mit Birnen.

Dass das auch bei den öffentlichen Zahlen einen großen Unterschied macht, möchte ich Ihnen anhand eines Berichtes von letzter Woche vom Direktor der Tiroler Landeskran­kenanstalten zeigen: Er hat gesagt, man müsse doch bei dieser hohen Zahl an Mel­dungen von Impfdurchbrüchen bei den doppelt Geimpften, die als Covid- oder Corona­patienten im Spital liegen, unterscheiden. Da seien viele dabei, die wegen regulärer Ope­rationstermine oder ganz anderer Geschichten auf der Intensivstation lägen und gar nicht an Covid-19 erkrankt seien. So erklärt er die Bis-zu-60-Prozent-Rate an Covid-Patienten auf der Intensivstation.

Ja, meine sehr geehrten Damen und Herren, da haben Sie es ja schwarz auf weiß! Of­fensichtlich schaffen wir es nicht, zu unterscheiden, wer tatsächlich an Covid-19 erkrankt in unseren Spitälern liegt und wer nur im Rahmen des Aufnahmeprozesses und der Routinetestung im Spital Sars-Cov-2-positiv ist, eigentlich aber gar nicht an Covid-19 erkrankt ist. – Herr Minister, wäre das nicht doch ein ganz wesentliches Kriterium und eine ganz entscheidende Zahl, um Belegsituationen im Spital interpretieren und daraus Maßnahmen ableiten zu können? – Ich denke schon. Wie man das vollkommen ignorie­ren kann, erschließt sich mir leider nicht.

Selbst bei den Verstorbenen haben wir leider noch immer keine Klarstellung. Sie müssen sich vorstellen: Mit oder an Covid-19 verstorben – wir könnten es in Österreich seit An­beginn der Krise durch Obduktionen ganz einfach klären. Der Gesundheitsminister – Ihr Vorgänger, aber auch der aktuelle – sieht keine Veranlassung, das zu tun. Dabei zeigen die aktuellen Zahlen der Gesundheit Österreich GmbH, dass 55 Prozent der – unter An­führungszeichen – „Covid-Toten“ vor ihrem Ableben ausschließlich auf der Normalsta­tion versorgt waren, 30 Prozent auf der Intensivstation und dass überraschenderweise 15 Prozent der Covid-Toten überhaupt nicht in Spitalsbehandlung waren.

Mir wäre neu, dass Covid-19 eine Erkrankung ist, die einem spontan über Nacht oder innerhalb von wenigen Stunden das Leben raubt. Meistens hat man da einen sehr un­schönen Krankheitsverlauf. – Herr Bundesminister, wie erklären Sie sich, dass trotzdem in Summe 70 Prozent keine intensivmedizinische Betreuung hatten, bevor sie gestorben sind? Ich kann mir das kaum erklären. Möglicherweise haben wir da lauter Palliativfälle, die an Covid-19 erkrankt waren, die Sars-Cov-2-positiv waren und gar nicht an Covid-19 erkrankt waren. Ich kann mir aber beim besten Willen nicht vorstellen, dass bei den be­reitgehaltenen Kapazitäten aus dem Gesundheitssystem 70 Prozent der Verstorbenen vorher gar keine spitals- oder intensivmedizinische Betreuung hatten.

Irgendetwas stimmt da also nicht. Ich würde Sie ersuchen: Schauen Sie sich das einmal ordentlich an, und wenn wir diese Zahlen haben, dann kann man vielleicht auch vernünf­tige Maßnahmen daraus ableiten!

Kommen wir zu den Maßnahmen! Ich habe das vorhin im Rahmen des Rechnungshofbe­richtes zum Budget schon angesprochen: Wir könnten diese Krise mit effektivem Mit­teleinsatz deutlich besser handeln. Wir brauchen diese Mittel im Gesundheitsbereich, wir brauchen den Schutz der Risikogruppen, und zwar effizient und kostenlos für die Betroffenen, genauso wie wir frühzeitige therapeutische Maßnahmen für Sars-Cov-2-positive Menschen in diesem Land brauchen.

Da gäbe es eine Fülle an Maßnahmen, Herr Bundesminister, wir haben das auch im Gesundheitsausschuss schon mehrmals diskutiert, und da passiert einfach gar nichts. Die Menschen, die positiv getestet werden, werden abgesondert, sitzen nach wie vor – jetzt halt vielleicht nur noch fünf bis zehn Tage statt sieben bis 14 Tage – zu Hause in Quarantäne und bekommen überhaupt keine medizinische Anleitung oder Betreuung, geschweige denn eine medikamentöse Therapie, um ein potenzielles Auftreten von Covid-19 und einen schweren Krankheitsverlauf zu verhindern.

Dabei gibt es so viel! Wir haben in Österreich mit den Budesonid-Inhalatoren zugelas­sene Arzneimittel, die in den Studien gezeigt haben, dass sie bei regelmäßiger Anwen­dung mindestens 70 Prozent der schweren Verläufe verhindern können. Das weiß man aus den Daten von Asthmapatienten.

Wir haben in Österreich Ivermectin in der Zulassung, das off label verwendet werden könnte. Andere Staaten wie zum Beispiel die Tschechei haben das bereits gemacht, haben nationale Zulassungen für diese Indikation ausgesprochen und therapieren be­reits flächendeckend damit, ganz zu schweigen von der internationalen Situation: Indien, der afrikanische Kontinent, Südafrika und, und, und. Bei uns findet das alles nicht statt.

Es gibt eine neue WHO-Empfehlung für monoklonale Antikörper – eine WHO-Emp­fehlung, Herr Bundesminister, das müsste bei Ihnen normalerweise sofort auf der To-do-Liste aufscheinen! Casirivimab in Kombination mit Imdevimab, zwei monoklonale Antikörper, die sowohl bei Risikopatienten mit frühzeitiger Gabe als auch bei bereits Er­krankten mit späterer Gabe das Risiko für schwere Verläufe und Todesfälle anscheinend um 50 Prozent reduzieren können.

Dann gibt es noch weitere Dinge: Sotrovimab, ein weiteres monoklonales Antikörperprä­parat mit einer Risikoreduktion von mindestens 80 Prozent, das in den USA bereits die Zulassung bekommen hat und in Europa kurz vor der Zulassung steht, das wir auch national vorab zulassen könnten; das erste oral verfügbare Therapeutikum in Tablet­tenform, Molnupiravir, das jetzt auch gerade in der Zulassung bei der EMA drinnen hängt und das in den Studien nicht nur eine Reduktion von mindestens 70, 80 Prozent der schweren Verläufe gezeigt hat, sondern auch über 90 Prozent der Todesfälle verhindert hat.

Herr Bundesminister, das sind alles Therapieoptionen, die auf dem Markt entweder schon verfügbar sind oder in kürzester Zeit verfügbar sein werden. Ich schaue mir Ihr Budget beziehungsweise das Budget des Herrn Bundesfinanzministers – die Gesund­heitsposition – an, und da ist nichts für die Beschaffung dieser Dinge vorgesehen – nichts!

Wie kann das sein? So kommen wir nicht aus der Krise. Ich würde Sie ersuchen, diese Anregungen ernst zu nehmen. Ich kann mich der Forderung von Kollegen Kucher nur anschließen: Kämpfen Sie für einen größeren Anteil im Budget! Nehmen Sie vielleicht die 100 Millionen Euro, mit denen Sie Impfstoff beschaffen und wieder verschenken wol­len, her und beschaffen Sie Arzneimittel, die die österreichische Bevölkerung braucht, um schwere Krankheitsverläufe zu verhindern! Nehmen Sie vielleicht etwas von den 200 Millionen Euro für Inseratenkampagnen der Bundesregierung her und geben Sie das den Pflegekräften, damit diese besser entlohnt werden und damit wir vielleicht noch ein paar zusätzliche Pflegekräfte finden!

Mir fallen noch etliche weitere Budgetpositionen ein. Wenn wir all die Einschränkungen, Maßnahmen, Betriebsschließungen und Ähnliches beenden würden und das Geld dafür für medizinische Therapie und Pflegekräfte verwenden würden, dann könnten wir diese Krise tatsächlich rasch überwinden, und zwar ohne weitere freiheitseinschränkende Maßnahmen.

Meine abschließende Forderung lautet daher: Schluss mit diesem Maßnahmenchaos! Schluss mit diesem Fleckerlteppich an Maßnahmen, der sich im Endeffekt nicht als ef­fektiv erwiesen hat! Stützen wir unser hervorragendes österreichisches Gesundheitssys­tem auch mit den entsprechenden finanziellen Zuwendungen, damit die letzten Züge dieser Krise rasch und erfolgreich beendet werden können! Verschaffen wir den Öster­reichern am 26. Oktober einen Tag der Freiheit und beenden alle Covid-Maßnahmen! – Vielen Dank. (Beifall bei der FPÖ.)

14.38

Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gelangt Dr. Josef Smolle. – Bitte schön, Herr Abgeordneter.