9.47
Abgeordneter Dr. Nikolaus Scherak, MA (NEOS): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Vizekanzler! Herr Finanzminister! Werte Mitglieder der Bundesregierung! Geschätzte Zuseher, und vor allem: Liebe Steuerzahlerinnen und Steuerzahler! Vielen Dank zuerst einmal an Sie, weil Sie es sind, die dieses Budget mit Ihrer harten Arbeit überhaupt erst ermöglichen. (Beifall bei den NEOS und bei Abgeordneten der ÖVP.)
Vorne weg: Bevor ich zum Budget komme, würde ich schon gerne so wie Frau Kollegin Rendi-Wagner ein paar Worte zu den letzten Tagen verlieren. Sie haben uns ja versprochen, dass Sie „das Beste aus beiden Welten“ in diese Regierung einbringen, ich kann Ihnen aber sagen, dass das, was wir in den letzten Tagen erlebt haben, das denkbar Schlechteste aus beiden Welten ist. Sie haben sich in den letzten Tagen so oft gegenseitig widersprochen, dass sich die Bürgerinnen und Bürger in Österreich dahin gehend, was denn überhaupt gilt, überhaupt nicht mehr auskennen. Das, was Sie hier machen, ist, dass Sie die Situation – und das ist ja so skurril, weil wir alle wussten, dass wir in diese Situation kommen werden – völlig verkennen. Jeder, der sich ein bisschen mit der Pandemie beschäftigt hat, weiß, dass wir in eine weitere Welle schlittern, wenn wir die Impfquote, die notwendig ist, nicht erreichen.
Anstatt niederschwellige Angebote zu machen, einfache Maßnahmen zu setzen, wie zum Beispiel eine Impflotterie, die Tests endlich kostenpflichtig zu machen, damit die Menschen sich impfen lassen, allen Menschen einen fixen Impftermin per Brief oder auch per SMS zuzusenden, anstatt das alles zu machen, hat Sebastian Kurz vor ein paar Monaten die Pandemie für beendet erklärt. Landeshauptmann Stelzer wusste während der Landtagswahl in Oberösterreich überhaupt nicht, dass gerade eine Pandemie ist – so war zumindest mein Eindruck –, und Gesundheitsminister Mückstein hat am Sonntag im Hauptausschuss mehrere Fragen sowohl von unserer Fraktion als auch von der SPÖ dahin gehend, was denn die nächsten Maßnahmen sind und sein werden, nicht beantwortet. Zwei Stunden später geht er aber in die „ZIB 2“ und erklärt, dass er für Ausgangssperren für Geimpfte ist. (Zwischenruf des Abg. Deimek.) Meine Damen und Herren, ich kann Ihnen sagen: Sie können es offensichtlich nicht! – Das ist der einzige Schluss, der hier zum Schluss möglich ist. (Beifall bei den NEOS.)
Was Sie auch nicht können – und damit komme ich zum eigentlichen Thema –, ist, ein Budget vorzulegen, das die großen Zukunftsfragen angeht. Sie verkünden uns wieder einmal die größte Steuerreform aller Zeiten und übertreffen sich in Superlativen. Wir kennen das ja. Sebastian Kurz hat, als er noch Bundeskanzler war, gesagt: Wir in Österreich haben die Pandemie am erfolgreichsten gemeistert.
Das, was Sie machen, ist reine Marketingpolitik, ohne den wirklichen Problemen auf den Grund zu gehen. Das ist Schlagzeilenpolitik ohne echten Reformwillen. Das ist nicht das Beste aus beiden Welten, das ist reine Zukunftsvergessenheit.
Es fehlt Ihnen der Mut, ernsthaft in die Zukunft zu gehen und innovative Reformen zu machen. Ich frage mich immer – und das ist auch das, was ich mich frage, wenn ich mir das Budget anschaue –: Was überlegen Sie sich denn dazu, wie Österreich in zehn Jahren noch wettbewerbsfähig sein kann, wie wir den Standort weiterhin attraktiv halten können, wie wir es schaffen, dass Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter am Ende endlich mehr Geld zur Verfügung und weniger Kosten haben, wie wir es schaffen, dass unsere Kinder die beste Bildung bekommen, wie wir es schaffen, dass wir ein echtes Vorbild in Sachen Klimapolitik sind?
Das von Ihnen vorgelegte Budget gibt auf diese drängenden Zukunftsfragen schlichtweg keine Antworten. Sie verwalten den Status quo, und wir diskutieren in Wirklichkeit ein Budget – und das fand ich sehr spannend, weil Kollege Obernosterer jetzt mehrmals gesagt hat, wie großartig diese Bundesregierung ist –, das sich einzig und allein darauf verlässt, dass die Unternehmerinnen und Unternehmer in diesem Land, dass die Menschen, die arbeiten gehen, mit ihrem Steueraufkommen dieses Land finanzieren, ohne dass Sie eine einzige echte, nachhaltige Reformansage machen. – Bei diesen Menschen können Sie sich bedanken, aber nicht bei dieser Bundesregierung. (Beifall bei den NEOS.)
Wenn wir dann über die Steuerreform, die ja hier im Budget abgebildet ist und über die auch schon gesprochen wurde, diskutieren, dann sage ich Ihnen, das ist wieder nur reines Marketing und keine echte Steuerreform, und vor allem werden die Steuerzahlerinnen und Steuerzahler nicht in den Mittelpunkt gestellt.
Herr Finanzminister, zu diesen Tarifreformen, die Sie da jedes Mal machen, sage ich Ihnen ganz ehrlich: Die können Sie sich schenken. Wenn wir es nicht endlich schaffen, die kalte Progression abzuschaffen – und das haben alle hier in diesem Parlament vertretenen Parteien versprochen, in mehreren Wahlkämpfen –, dann geben Sie mit Ihren Tarifreformen den Menschen in Gutsherrenmanier nur das zurück, was Sie ihnen Jahre zuvor in Wirklichkeit in Raubrittermanier aus der Tasche gezogen haben. Diesen Menschen steht das Geld zu, und es ist eigentlich eine Zumutung, dass wir immer noch auf die Abschaffung der kalten Progression warten müssen. (Beifall bei den NEOS.)
Dann betiteln Sie das wiederum als die größte Steuerreform aller Zeiten. Im Übrigen: Jede Steuerreform ist die größte Steuerreform aller Zeiten. Wenn Sie immer um einen Euro mehr entlasten, ist es wieder aufs Neue die größte Steuerreform. Wenn Sie es aber nicht schaffen, die kalte Progression abzuschaffen, dann ist das nichts anderes als ein Hohn für all die Menschen, die jeden Tag in der Früh aufstehen, arbeiten gehen und Jahr für Jahr aufgrund der kalten Progression mehr Steuern zahlen, als sie eigentlich zahlen müssten.
Schauen wir weiter zu den Unternehmerinnen und Unternehmern; Kollege Obernosterer hat es auch schon angesprochen. Ja, die KöSt-Senkung ist etwas, das wir begrüßen – selbstverständlich! (Zwischenruf des Abg. Wöginger.) Wenn Sie nachfragen, Herr Kollege Wöginger: Ja, selbstverständlich werden wir als eine Partei, der die Unternehmerinnen und Unternehmer wichtig sind, eine Senkung der KöSt begrüßen. (Abg. Wöginger: Ja, der Haselsteiner hat euch das angeschafft!) – Herr Kollege Wöginger! Wenn Sie dazwischenrufen, dass Hans Peter Haselsteiner uns etwas angeschafft hat (Zwischenruf des Abg. Wöginger), dann ist das Ausdruck Ihrer Denke. Vielleicht ist das bei Ihnen so, dass die Spenderinnen und Spender Ihnen etwas anschaffen können. Wir sind überzeugt von der Politik, die wir machen! (Beifall bei den NEOS und bei Abgeordneten der SPÖ.)
Fakt ist, die KöSt-Senkung ist etwas Positives, gar keine Frage. Wenn es aber um die eigentliche Frage geht, wie wir es denn schaffen, dass die Unternehmen weiterhin wettbewerbsfähig sind, wie wir es schaffen, dass wir die Arbeitskosten runterbringen, dann passiert da viel zu wenig. Diese Versäumnisse, diese hohen Lohnnebenkosten sind das, was die Unternehmerinnen und Unternehmer dazu bringt, dass sie nach und nach ins Ausland abwandern, weil sie einen absurden Wettbewerbsnachteil haben.
Wissen Sie, was den Unternehmerinnen und Unternehmern derzeit schlaflose Nächte bereitet? – Das ist die Frage, wie sie Arbeitskräfte finden. Sie suchen händeringend nach Arbeitskräften für ihre Unternehmen in Österreich. Und das Einzige, was Ihnen als Bundesregierung dazu einfällt, ist, zuerst einmal über ein erhöhtes Arbeitslosengeld zu reden, ohne auch nur im Entferntesten darüber nachzudenken, wie man einen Anreiz schaffen kann, dass die Menschen wieder einer Erwerbsarbeit nachgehen. Das bringt den Unternehmerinnen und Unternehmern in Österreich schlichtweg gar nichts.
Zu der von Frau Kollegin Maurer angesprochenen Ökologisierung: Wenn Sie alle umweltschädlichen Förderungen weiter beibehalten, wenn Sie den Klimabonus so machen, wie Sie es vorhaben, wenn Sie einen CO2-Preis von 30 Euro vorsehen, dann wissen Sie als Grüne doch ganz genau, dass jeglicher Lenkungseffekt, der notwendig wäre, in der Sekunde wieder verpufft und dass das absolut nichts mit einer wirklich zukunftsfähigen Klimapolitik zu tun hat. Das müssten Sie, die Sie jahrzehntelang für Klimapolitik kämpfen, doch eigentlich am allerbesten wissen.
Wenn man sich anschaut, ob im Budget irgendeine Reaktion auf die immer höher steigenden Pensionskosten zu finden ist, sucht man vergeblich. Wir finden gar nichts. Anstatt dass Sie sich einmal überlegen, wie Sie den Menschen nachhaltig mehr Pension zahlen könnten – und nicht immer nur mit diesen Einmaleffekten, wie Sie es machen – und gleichzeitig das absurde Schuldenmachen auf Kosten der nächsten Generation beenden, machen Sie schlichtweg nichts.
Herr Finanzminister, noch eine Anmerkung zum Schluss: Wenn die angebliche Wirtschaftspartei ÖVP als einzige Idee im Zusammenhang mit dem Kapitalmarkt jetzt versucht, Gewinne auf Kryptowährungen zu besteuern, anstatt dass Sie endlich wieder darüber nachdenken, wie Sie eine Behaltefrist für Aktien umsetzen können, dann lässt einen das einigermaßen irritiert zurück. Ich weiß, Sie wollten das, Sie haben sich aber offensichtlich in Ihrer Partei nicht durchsetzen können und Sie haben sich gegenüber dem Koalitionspartner nicht durchsetzen können. Vielleicht schaffen wir es einmal, dass wir den Kapitalmarkt in Österreich attraktivieren und dass die Menschen, die langfristig für die Zukunft und für ihre Pension veranlagen, auch einmal etwas davon haben. Da müssten Sie sich durchsetzen. Ich hätte Ihnen viel Glück gewünscht, aber offensichtlich funktioniert das mit Ihrer Partei und Ihrem Koalitionspartner nicht.
Im Ergebnis: Das ist eine enttäuschende Verlängerung des Status quo. Das ist keine echte, nachhaltige Entlastung für die Menschen in diesem Land. Das sind keine Zukunftsreformen im Sinne der nächsten Generation und das ist keine wirkliche Ökologisierung des Steuersystems.
Ganz zum Schluss noch einen Satz zur Pandemie: Meine Damen und Herren! Wenn Sie noch nicht impfen waren, machen Sie das! Gehen Sie impfen! Schützen Sie sich und schützen Sie die anderen Menschen in diesem Land! (Beifall bei den NEOS sowie bei Abgeordneten von ÖVP und SPÖ.)
9.56
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Klubobmann Wöginger. – Bitte sehr, bei Ihnen steht das Wort, Herr Klubobmann.