12.35
Abgeordneter Kai Jan Krainer (SPÖ): Herr Kollege Kurz (Ruf bei der ÖVP: Klubobmann Kurz!), Sie haben hier wieder behauptet, dass Sie in der Vergangenheit die Steuern in diesem Land gesenkt hätten. Ich sage immer: Zahlen lügen nicht! Wir schauen uns nur die Zahlen der Regierung, die Regierungszahlen an; diese sagen, dass die Steuern und Abgaben in Österreich in der Zeit, als Sie Bundeskanzler waren, jedes Jahr höher waren als in den zwei Jahren, bevor Sie Bundeskanzler geworden sind.
Die Höhe der Steuern und Abgaben in Österreich wird noch immer mit der sogenannten Steuer- und Abgabenquote gemessen, und die war 2016 42,4 Prozent und 2017 42,5 Prozent. Dann wurden Sie Bundeskanzler einer zunächst türkis-blauen Bundesregierung. Was ist mit der Steuer- und Abgabenquote passiert? – Sie ist gestiegen. (Zwischenrufe bei der ÖVP.) Das heißt, die Steuern in diesem Land sind zu dem Zeitpunkt, zu dem Sie Bundeskanzler geworden sind, auf 42,8 Prozent gestiegen. Im Jahr darauf sind sie auf 43,1 Prozent gestiegen. Wo werden sie heuer liegen? – Bei 43,1 Prozent. Im gesamten Verlauf des Budgetrahmens werden in jedem einzelnen Jahr die Steuern und Abgaben in Österreich höher sein, als es unter Faymann/Mitterlehner und unter Kern/Mitterlehner der Fall war. – Das sind die Zahlen der Bundesregierung, und ich kann Ihnen sagen: Zahlen lügen nicht! Wenn Sie sagen, Sie senken die Steuern, erhöhen Sie sie. (Beifall bei der SPÖ.)
Wenn wir uns aber die Steuerstruktur ansehen, dann sehen wir: Ja, in der Tat gibt es Gruppen in Österreich, die weniger Steuern als früher zahlen werden, und andere Gruppen, die mehr Steuern als früher zahlen werden. (Zwischenrufe bei der ÖVP.) Wer zahlt weniger? – Ich nehme nur die Zahlen, die der Finanzminister vorgelegt hat. – Die Konzernsteuern, die Körperschaftsteuer, steigen im Vergleich zu 2019 um 4 Prozent. Das heißt, die Konzerne werden 2025 um 4 Prozent mehr Steuern als vor der Krise zahlen – um 4 Prozent! Was werden die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer zahlen? – Sie werden zwischen 23 und 29 Prozent mehr Steuern als vor der Krise zahlen. Das heißt, das, was Sie da in die Wege geleitet haben, als Sie noch Bundeskanzler waren, war: Konzerne zahlen weniger Steuern, die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer zahlen mehr Steuern. Das sind die Zahlen, die die Bundesregierung dem Hohen Haus vorgelegt hat, und ich sage: Zahlen lügen nicht, sie sagen aber genau das aus! (Beifall bei der SPÖ.)
Im Übrigen möchte ich die Gelegenheit wahrnehmen, schon auch etwas zu Ihrem persönlichen Umgang mit der Krise der ÖVP und mit der ganzen Affäre, die es da gibt, zu sagen. (Abg. Diesner-Wais: Haben wir eine Affäre?) Erstens habe ich hier bereits öfters gesagt, Sie wandeln auf den Spuren von Karl-Heinz Grasser, weil Sie immer nur Ihre Unschuld beteuern, genauso wie ich das von einem gewissen Karl-Heinz Grasser in Erinnerung habe. In der Zwischenzeit beschäftigen Sie auch denselben Gutachter, der Sie gutachterlich – unter Anführungszeichen – „entlastet“. (Zwischenrufe bei der ÖVP.) Ob das zu Ihrem Vorteil ist, weiß ich nicht. Der Gutachter, der noch dazu fälschlicherweise für dieses Gutachten das Logo der Universität verwendet hat (Ruf bei der ÖVP: Mein Gott na!), ist derselbe, der schon versucht hat, Karl-Heinz Grasser von jeder Schuld freizusprechen. Die Unschuldsvermutung gilt natürlich auch noch für Karl-Heinz Grasser, auch wenn er bereits in erster Instanz verurteilt worden ist. Das sind Sie noch nicht, das stimmt, die Unschuldsvermutung im strafrechtlichen Sinn gilt auch für Sie. (Zwischenrufe bei der ÖVP.)
Aber: Ich erinnere Sie daran, was Sie vor etwas mehr als zwei Jahren hier gesagt haben. Da kam das Ibizavideo, und wir alle haben noch in Erinnerung, wie Strache und Gudenus über Korruption theoretisiert haben, wie sie gemeint haben, wie sie am Rechnungshof vorbei Spenden sammeln, wie sie mittels Überpreis ihren Spendern öffentliche Aufträge zuschanzen und wie sie gezeigt haben, dass sie ein – ich sage einmal – eigenartiges Verhältnis zum Begriff Medienfreiheit haben – in der Theorie!
Sie haben nachher den Rücktritt von den beiden verlangt. Sie haben nie von Unschuldsvermutung gesprochen, Sie haben gesagt, aus politisch-moralischen Gründen müssen die beiden zurücktreten. – Ich stimme dem zu. Wieso aber legen Sie nicht dieselbe moralische Latte, die Sie an Strache und Gudenus und auch an Kickl angelegt haben, an sich selber (Zwischenrufe bei der FPÖ), an Herrn Finanzminister Blümel und an Innenminister Nehammer an? (Anhaltender Beifall bei SPÖ, FPÖ und NEOS.)
Wenn es nämlich danach geht, was Sie selber nach dem Ibizavideo gegenüber der FPÖ, gegenüber Strache, Gudenus und Kickl verlangt haben, wenn Sie dieselben Grundsätze auf sich selber anwenden, würden Sie nicht mehr hier sitzen und Herr Blümel und Herr Nehammer auch nicht. (Zwischenrufe bei ÖVP und FPÖ.) Sie sollten wirklich nicht bei anderen mit der Apothekerwaage messen und bei sich selber nur von der Unschuldsvermutung sprechen. Das steht niemandem zu, damit erweisen Sie der Politik und sich selber keinen guten Dienst. – Vielen Dank. (Beifall bei SPÖ, FPÖ und NEOS. – Ruf bei der FPÖ: Wo er recht hat, hat er recht, der Krainer!) – Danke.
12.41
Präsidentin Doris Bures: Herr Abgeordneter Andreas Ottenschläger ist zu Wort gemeldet. – Bitte.