15.23

Bundeskanzler Mag. Alexander Schallenberg, LL.M.: Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! Liebe Regierungsmitglieder! Hohes Haus! Frau Abgeordnete, ich habe Ihnen ganz genau zugehört (Abg. Belakowitsch: Nein, Sie haben getratscht!), und ich muss dazu eine Sache ganz offen sagen: Der Vergleich mit der DDR und mit Stasimethoden (Abg. Steger: Angemessen!), den Sie angestellt haben, ist Ihrer unwürdig und er ist eine Verhöhnung der Opfer des Kommunismus. (Beifall bei ÖVP und Grünen. – Rufe bei der FPÖ: Das sagen die Leute!) Es ist erstaunlich, dass das gerade Ihnen geschieht.

Meine Damen und Herren! (Neuerliche Zwischenrufe bei der FPÖ. – Präsident Sobotka gibt das Glockenzeichen.) Meine Damen und Herren! (Anhaltende Zwischenrufe bei der FPÖ. – Präsident Sobotka gibt neuerlich das Glockenzeichen.) Ja, die Coronasituation in Österreich ist und bleibt ernst, ebenso wie in einer ganzen Reihe von anderen euro­päischen Staaten, die gerade mit einer sehr schwierigen vierten Welle konfrontiert sind. Die Zahl der Neuinfektionen in Österreich ist höher als je zuvor. Das liegt zum einen an der besonders ansteckenden Deltavariante und zum anderen an der leider Gottes noch zu geringen Impfquote, an der zu geringen Anzahl an Menschen in diesem Land, die sich haben impfen lassen. Für mich ist eines ganz klar: Unsere Aufgabe als Bundesre­gierung ist es, die Menschen in Österreich zu schützen, und dieser Aufgabe kommen wir auch gemeinsam nach. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

Die Inzidenz, also die Anzahl der an Covid-19 Erkrankten unter 100 000 Einwohnern innerhalb einer Woche, ist bei ungeimpften Menschen weiter ansteigend, und zwar ex­ponentiell ansteigend. (Abg. Brückl: Weil sie testen!) Sie liegt derzeit bei einem Wert über 1 700.

Zum Vergleich: Bei Geimpften (Abg. Brückl: Weil die nicht testen müssen!) liegt der Inzidenzwert unter 350, ist damit also viermal geringer. (Abg. Belakowitsch: Die sind nicht getestet! – Ruf bei der FPÖ: Weil die Geimpften nicht testen müssen!) – Alle wer­den getestet, unterschiedslos. (Abg. Belakowitsch: Das ist falsch! – Zwischenrufe bei der FPÖ.) Frau Abgeordnete, diese Zahlen sprechen für sich und sie sprechen eine ganz deutliche Sprache: die Sprache der Mathematik. (Beifall bei ÖVP und Grünen. – Weitere Zwischenrufe der Abgeordneten Belakowitsch, Brückl und Wurm.)

Bereits seit Monaten warnen wir immer und immer wieder davor, dass sich jeder un­geimpfte Mensch in diesem Land früher oder später anstecken wird, und leider Gottes bewahrheitet sich das. (Abg. Belakowitsch: Die Geimpften auch, Herr Bundeskanzler!) Ich darf an dieser Stelle auch ausdrücklich Klubobmann Herbert Kickl und seiner Familie eine rasche Genesung und einen hoffentlich milden Verlauf ihrer Covid-Infektion wün­schen.

Wir alle wissen, dass das Risiko für ungeimpfte Menschen um ein Vielfaches höher ist. (Abg. Hauser: Stimmt ja nicht!) Geimpfte stecken sich bis zu 70 Prozent weniger an. (Abg. Belakowitsch: Sie sollten die neuesten Studien lesen! Hätten Sie mir zugehört!) Es ist bis zu 95 Prozent weniger wahrscheinlich, dass sie einen schweren Krankheitsver­lauf haben. (Abg. Martin Graf: Wie ist das beim Kogler?) Meine sehr geehrten Damen und Herren, es ist klar: Die Zahlen sprechen für sich. Und die Ungeimpften – das ist auch klar – sind derzeit die wesentlichen Treiber des Infektionsgeschehens in unserem Land. (Abg. Belakowitsch: Nein, falsch! Selbst Drosten sagt das! – Neuerliche Zwischenrufe bei der FPÖ.)

Wir haben daher am Sonntag gemeinsam mit den Landeshauptleuten einen drastischen und weitreichenden Schritt setzen müssen. Seit gestern gilt im ganzen Land eine Aus­gangsbeschränkung für den ungeimpften Teil der Bevölkerung. (Abg. Amesbauer: Und auf das sind Sie stolz? – Weitere Zwischenrufe bei der FPÖ.) Damit haben wir die so­genannte fünfte Stufe im Stufenplan vorgezogen.

Ich muss ganz klar sagen, dass wir diese Entscheidung nicht leichten Herzens getroffen haben. (Abg. Belakowitsch: Oh doch ...!) Niemand wünscht sich solch gravierende Ein­schränkungen. Niemand wünscht sich, für rund 2 Millionen Menschen die Freiheit des Ausgangs aus den eigenen vier Wänden einzuschränken. In Anbetracht der Lage in die­sem Land war dieser Schritt aber leider notwendig. (Ruf bei der FPÖ: Niemand hat die Absicht, eine Mauer zu errichten!) Es ist mein Ziel und ich stehe ausdrücklich dazu, dass wir in dieser Situation gemeinsam alles dafür tun, die Ungeimpften zur Impfung zu bringen, statt die Geimpften einzuschränken. (Ruf bei der FPÖ: Zu zwingen!) Das ist in der Politik, die wir betreiben, mein ganz klares Ziel. (Beifall bei ÖVP und Grünen. – Zwi­schenrufe bei der FPÖ.)

Mit der Maßnahme, die wir am Sonntag gemeinsam getroffen haben (Abg. Belako­witsch: Wer gemeinsam?), haben wir eine einheitliche bundesweite Unterkante ge­schaffen: 3G gilt am Arbeitsplatz, 2G gilt in der Freizeit und es gibt Ausgangsbeschrän­kungen für die Ungeimpften. (Abg. Deimek: ... wie es funktioniert hat!) Wie wir schon wiederholt festgestellt haben, liegt es aber natürlich in der Hand der Bundesländer (Abg. Amesbauer: Das ist gefährlich ...!), und es steht ihnen dementsprechend auch frei, strengere Maßnahmen einzuführen. Wir stehen diesbezüglich laufend mit den Landes­hauptleuten in Kontakt. Ich habe heute in der Früh mit dem Salzburger Landeshaupt­mann Wilfried Haslauer über die angespannte Situation in seinem Bundesland gespro­chen, und ich habe ihm zugesagt, dass vonseiten des Bundes in diesem Fall – wie auch in jedem anderen Fall – alles getan wird und wir mit aller Kraft helfen und unterstützen werden, wenn es in Salzburg notwendig und gebraucht wird. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

Nach bald 20 Monaten Pandemie wissen wir, dass Maßnahmen Zeit brauchen, bis sie ihren vollen Effekt entfalten. Ich sehe aber bereits jetzt sehr starke und ermutigende Signale. Seit der Einführung der 2G-Regel ist die Impfbereitschaft in Österreich unglaub­lich – ja beeindruckend – gestiegen. (Abg. Steger: Die Bereitschaft! – Ruf bei der FPÖ: Ja, weil Sie die Leute zwingen!) Allein in der letzten Woche wurden fast eine halbe Million Impfdosen verabreicht, das ist so viel wie seit Juli nicht. (Abg. Loacker: Da sieht man, was man alles früher hätte haben können!) Momentan ist Österreich das Land in der Europäischen Union, wo die meisten Impfdosen verabreicht werden. (Zwischenrufe bei den NEOS.) Das zeigt, glaube ich, dass die Maßnahmen wirken und dass immer mehr Menschen das Angebot nutzen, sich impfen lassen – sei es der erste Stich, der zweite Stich oder, ganz besonders wichtig, der dritte Stich, die Auffrischungsimpfung – und sich damit schützen.

Wir sind alle gemeinsam aufgefordert, dafür zu kämpfen, dass dieser Trend so weiter­geht, dass er nicht abreißt, dass dieser Push und dieser Rush zu den Impfungen weiter­gehen. Man müsste es endlich schaffen, dass die Impfquote in unserem Land sich nach­haltig erhöht. Sie ist immer noch beschämend niedrig und wir müssen gemeinsam alles tun, damit sie sich erhöht, denn das ist der einzige Weg raus aus dem Teufelskreis, in dem wir uns befinden. (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Wurm: Was heißt „beschämend niedrig“?!)

Auch wenn Sie es nicht tun: Ich glaube daran, dass es möglich ist; ich glaube an die Menschen in diesem Land, und ich glaube, dass es uns gemeinsam gelingen kann, aus diesem Teufelskreis von Wellen und Lockdowndiskussionen endlich hinauszukommen. (Abg. Wurm: Das ist keine beschämend niedrige Quote, Herr Bundeskanzler!)

Eines will ich auch klarstellen, weil das manchmal infrage gestellt wird: Wir werden keine der Maßnahmen, die wir in der Bundesregierung gesetzt haben, auch nur eine Stunde länger aufrechterhalten, als es absolut notwendig ist. (Abg. Belakowitsch: Na dann sofort weg damit! Dann weg damit!) Wir haben keine dieser Stufen leichten Herzens ausgelöst, aber wir werden sie in dem Moment leichten Herzens zurücknehmen, in dem sich die Impfquote erhöht und sich das Infektionsgeschehen in diesem Land beruhigt hat. (Beifall bei ÖVP und Grünen. – Abg. Belakowitsch: Das ist Erpressung!)

Was es von der Politik, von Regierungsseite, von uns dafür braucht, ist ein gemeinsames Vorgehen und – ich sage es ganz klar – auch Klarheit in der Kommunikation. (Ruf bei der SPÖ: Bitte! Bitte!) Ich werde als Bundeskanzler alles daransetzen, dies sicherzustel­len. Heute Vormittag hatte ich auch ein Gespräch mit Gesundheitsminister Mückstein über die weitere Vorgangsweise und die Kommunikation in den kommenden Wochen. Da haben wir uns noch einmal miteinander abgestimmt. Ich habe auch heute mit Innen­minister Nehammer darüber gesprochen. Ich muss dem Innenminister auch ein großes Kompliment aussprechen: Allein gestern wurden 15 000 Kontrollen durchgeführt, über 120 Übertretungen festgestellt. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen. – Abg. Amesbauer: Bravo! – Weitere Zwischenrufe bei der FPÖ.)

Um es ganz klar zu sagen: Die Ausgangsbeschränkungen sind schwierig, aber sie sind keine Empfehlung, sondern sie sind klare, rechtliche Vorgaben (Zwischenrufe bei der FPÖ – Präsident Sobotka gibt das Glockenzeichen), die auch kontrolliert werden, und Übertretungen werden, wenn notwendig, sanktioniert. (Abg. Rauch: ..., Herr Bundes­kanzler, das ist ...! Genau das ist das, was Sie gesagt haben! – Weitere Zwischenrufe bei der FPÖ. – Präsident Sobotka gibt neuerlich das Glockenzeichen.)

Eines ist auch ganz klar: Wir werden natürlich die Situation weiterhin sehr genau be­obachten. Sie ist natürlich volatil, sie ist in Bewegung, sie ist dynamisch. Wir werden die Vorgangsweise auch laufend aus gesundheitspolitischer, wirtschaftlicher und gesell­schaftlicher Sicht evaluieren. Falls notwendig, werden wir natürlich gemeinsam als Bun­desregierung in Absprache mit den Bundesländern dort, wo es notwendig ist, nachschär­fen, aber noch einmal – und das ist für mich entscheidend –: Bei all jenen Menschen in diesem Land, die einen Beitrag geleistet haben, die sich haben impfen lassen, die damit sich und ihr Umfeld geschützt haben, sehe ich nicht ein, dass wir ihre Freiheit weiterhin oder in Zukunft wieder einschränken. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen. – Abg. Belakowitsch: Was reden Sie da? Das ist ja inhaltlich falsch!)

Sehr geehrte Damen und Herren! Wir müssen zur Kenntnis nehmen, dass das Virus nicht verschwinden wird. Wir werden lernen müssen, damit zu leben und damit umzuge­hen. Das ist möglich, und zwar dank der Impfung. (Abg. Belakowitsch: Durch Zwang, ja!) Sie hat schon Hunderttausende Leben gerettet, auch wenn Sie es nicht wahrhaben wollen, sie hat Hunderttausende Menschenleben gerettet. (Abg. Belakowitsch: Wie kommen Sie da drauf?) Sie ist das einzige Mittel, damit wir diesen Spuk endgültig hinter uns lassen können.

Staaten wie Israel zeigen es uns vor. Sie haben mitten in die vierte Welle hinein geimpft, und man sieht schon in den Grafiken, wie die Entwicklung fast senkrecht nach unten geht. (Abg. Wurm: Herr Bundeskanzler, haben Sie eine Ahnung von der Impfquote in Israel? Kennen Sie die Impfquote in Israel?) Das ist Wissenschaft, das ist Mathematik, das sind Fakten. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen. – Zwischenruf der Abg. Belakowitsch.)

Ich kann Ihnen eines versprechen: Diese Bundesregierung wird auch in Zukunft, so wie das schon in den letzten 20 Monaten der Fall war, ihre Politik auf Fakten und nicht auf Fakenews aufbauen. (Neuerlicher Zwischenruf der Abg. Belakowitsch.) Das wird wei­terhin der Fall sein.

Ich habe diesbezüglich eine ganz große Bitte an alle in diesem Haus, aber insbesondere an Sie, sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete der FPÖ: Bei allen Auffassungs­unterschieden, die wir haben, bei allen Diskussionen müssen wir doch alle anerkennen: Das ist eine gesamtgesellschaftliche Herausforderung, eine Herausforderung, die jeden einzelnen Menschen in diesem Land betrifft, nicht nur die Personen, die in diesem Haus sind. (Zwischenruf des Abg. Hauser. – Abg. Rauch: Hören Sie auf, die Gesellschaft zu spalten! – Abg. Belakowitsch: Hören Sie bitte auf, die Leute gegeneinander aufzu­hetzen!)

Wenn man auf politischer Ebene versucht, sich damit zu profilieren, politisches Kleingeld zu schlagen, dann bewirkt man nur eines: die Verwirrung von Menschen, die Verunsi­cherung von Menschen. Was bewirken Verwirrung und Verunsicherung von Men­schen? – Sie bewirken, dass die Maßnahmen langsamer greifen, dass die Impfungen weniger schnell voranschreiten und dass die Situation in den Spitälern sich weiter zu­spitzt. Das kann doch in niemandes Interesse sein! (Zwischenruf der Abg. Belako­witsch. – Abg. Rauch: ... Ihr Versagen in der Gesundheitspolitik, in der Personalpolitik in den letzten 20, 22 ...!) Daher lautet meine nachdrückliche Bitte und auch Einladung an Sie: Leisten Sie einen Beitrag! Arbeiten wir zusammen, um diese Pandemie endgültig hinter uns lassen zu können! – Danke sehr. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

15.34

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Kaniak. – Bitte.