21.02
Abgeordnete Petra Bayr, MA MLS (SPÖ): Herr Präsident! Frau Ministerin! Ich freue mich sehr, sehr, sehr, sehr, sehr, dass es gelungen ist, die Gebühren für die GerichtsdolmetscherInnen nach 14 Jahren zu erhöhen. Es war wirklich an der Zeit. Ich denke, das ist auch ein gutes Beispiel dafür, dass sich hartnäckige Oppositionsarbeit auszahlt. Wir haben diesbezüglich sehr, sehr viele Anträge eingebracht. Wir haben das auch immer wieder diskutiert. Es freut mich, dass es jetzt gelungen ist, da wirklich etwas weiterzubringen.
Es ist aber auch noch eine Menge zu tun. Es gibt noch einiges, was wir an Wertschätzung im wahrsten Sinne des Wortes, auch pekuniär, diesen Menschen, die zu einem reibungslosen Ablauf von Gerichtsverhandlungen beitragen, schuldig sind, würde ich sagen.
Deswegen bringe ich auch den Entschließungsantrag der Abgeordneten Petra Bayr, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Verbesserung der Qualitätsstandards, der Gebühren und der Arbeitsbedingungen für Gerichtsdolmetscher*innen“ ein, der auch gerade verteilt wird, der folgende weitere Forderungen enthält, die, wie ich glaube, durchaus angemessen und richtig sind:
Die Auszahlung – ich hoffe, dass das wirklich gelingt – der Honorare an die Gerichtsdolmetscherinnen und -dolmetscher soll wenigstens innerhalb von drei Monaten erfolgen. Es gibt nach wie vor keine klar festgelegte Frist. Die Gerichtsdolmetscherinnen und -dolmetscher müssen zwar ihre Honorarnoten sehr bald stellen, aber im Gegenzug bekommen sie nicht sehr bald ihr Geld.
Es sollte auch, wenn Verhandlungen kurzfristig abberaumt werden, wenn jemand schon vor Ort ist, schon zu einem Gericht nach Niederösterreich gefahren ist und dann die Verhandlung nicht stattfindet – warum auch immer –, Entschädigungen geben, das wäre notwendig.
Rückübersetzungen, die vor allem auch bei der Polizei erfolgen, sollten nicht pauschaliert sein, sondern wirklich wieder, wie das früher war, nach Seiten abgegolten werden.
Es sollte auch eine Gebühr für Fahrten über 30 Kilometer geben, weil das ja auch ein Zeitversäumnis ist, das die DolmetscherInnen, die da zu einem Gericht fahren, haben.
Es sollten auch bei der Polizei – das ist jetzt nichts, was Sie direkt betrifft; auch bei der Polizeiarbeit ist gute Dolmetschung wichtig – nur gerichtlich beeidete und zertifizierte DolmetscherInnen hinzugezogen werden dürfen, die wirklich Qualität in ihrer Arbeit bringen können, sodass auch die Vertrauensfrage ganz klar abgedeckt ist.
Wenn nicht zertifizierte Gerichtsdolmetscher oder Gerichtsdolmetscherinnen zugezogen werden, dann sollen diese ad hoc beeidet werden, und diese Beeidigung soll auch protokolliert werden.
Darüber hinaus – noch einmal zur Gebühr oder zur Abgeltung – wäre es auch wichtig, ab jetzt – wir haben gesehen, 14 Jahre sind eine unglaublich lange Zeit – zu einer jährlichen Indexanpassung zu kommen, zumindest wenn, das haben wir eh auch im Budgetausschuss diskutiert, ein gewisser Prozentsatz an Inflation überschritten ist.
Es ist, und darin sind wir uns alle einig, ein grundlegendes Menschenrecht, auch nach Artikel 6 der EMRK, an einer Verhandlung, die einen selbst betrifft, teilzunehmen – das muss allen Menschen möglich sein –, zu verstehen, was dort gesprochen wird, sich äußern zu können. Die Gerichtsdolmetscherinnen und -dolmetscher sorgen genau dafür, dass der Artikel 6 EMRK da umgesetzt wird.
Ich möchte mich abschließend beim Berufsverband bedanken, der da sehr, sehr hartnäckig war, sehr präzise auch in seinen Forderungen und auch sehr offen für jeden Austausch, und ganz besonders bei Funda Sel, das ist die Gerichtsdolmetscherin, mit der ich ganz viel Kontakt hatte, die mir sehr, sehr viele Inputs für die Arbeit geliefert hat – danke. Das ist wirklich ein großer Schritt vorwärts für die etwa 850 Gerichtsdolmetscherinnen und -dolmetscher, die wir in Österreich haben. Also: fein so. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Grünen.)
21.06
Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:
Entschließungsantrag
der Abgeordneten Petra Bayr, MA MLS
und Genoss*innen
betreffend Verbesserung der Qualitätsstandards, der Gebühren und der Arbeitsbedingungen für Gerichtsdolmetscher*innen
eingebracht im Zuge der Debatte zu Top 4) Bericht des Budgetausschusses über die Regierungsvorlage (1034 d.B.): Bundesgesetz über die Bewilligung des Bundesvoranschlages für das Jahr 2022 (Bundesfinanzgesetz 2022 – BFG 2022) samt Anlagen (1157 d.B.), zur Untergliederung UG 13 Justiz
Die Aufgabe von Gerichtsdolmetscher*innen ist enorm wichtig und erfordert höchste Konzentration während der gesamten Verhandlungsdauer.
Diesem Umstand trägt die Regierungsvorlage vom 13. Oktober 2021 Rechnung, indem Gebühren teilweise erhöht wurden und Fristen und Verrechnungsmethoden aus Sicht der Dolmetscher*innen verbessert wurden. Die Erhöhungen treten aber erst mit 1. Juli 2022 in Kraft.
Ein*e Gerichtsdolmetscher*in ist an einem Tag in mehreren Gerichtsverhandlungen und oft in mehreren Bundesländern im Einsatz. Trotzdem wurde in der Regierungsvorlage § 33 (1) gestrichen (Zeitversäumnis über 30 km à € 28,20). Aufgrund der Streichung dieses Postens und des herrschenden Mangels an beeideten Dolmetscher*innen, muss befürchtet werden, dass weitere Wegstrecken nicht mehr in Kauf genommen werden und zunehmend nicht beeidete Dolmetscher*innen zum Einsatz kommen
Gemäß Artikel 6 (3) e der EMRK hat jede angeklagte Person das Recht, „die unentgeltliche Beiziehung eines Dolmetschers zu verlangen, wenn der Angeklagte die Verhandlungssprache des Gerichts nicht versteht oder spricht.“
Es geht bei Gerichtsverhandlungen so gut wie immer um Existenzen, egal ob ein Delikt mit Geld- oder Haftstrafen bedroht ist. Die Dolmetschung muss gewissenhaft, vollständig und korrekt durchgeführt werden.
Nach jeder Einvernahme bei der Polizei wird das Aussageprotokoll, das bis zu 20 Seiten lang sein kann, ausgedruckt und der aussagenden Person zur Durchsicht und Unterschrift vorgelegt. Der/Die Dolmetscher*in dolmetscht die nunmehr verschriftlichte Aussage zurück, um sicherzustellen, dass richtig und vollständig protokolliert wurde. Der/Die Beschuldigte hat die Möglichkeit Korrekturen vornehmen zu lassen. Eine exakte und präzise Rückübersetzung ist hier sehr wichtig. Eine Leistung die zuvor mit € 20,- pauschaliert war und in der Regierungsvorlage nun auf € 12,- reduziert wurde.
Es ist fahrlässig und eines Rechtsstaates unwürdig, Menschen Dolmetschungen durchführen zu lassen, die weder einschlägige Kompetenz noch Erfahrung haben. Zweisprachig aufgewachsen zu sein oder anzugeben, eine bestimmte Sprache sprechen zu können, ist keine Qualifikation, um den Beruf eines*r Dolmetschers*in ausüben zu können. Weiters sind soft skills, wie Präzision und Konzentrationsfähigkeit und Verhaltensregeln wie Objektivität, Verschwiegenheitspflicht und Distanziertheit zu allen Beteiligten, wesentliche Kompetenzen von zertifizierten Gerichtsdolmetscher*innen.
Gerichtsdolmetscher*innen verrechnen bei jedem Strafverfahren und bei jedem Verfahren, in dem Verfahrenshilfe gewährt wurde, gemäß GebAG. Das trifft bei ungefähr 90 % der Gebührennoten zu. Die Gebühren für Dolmetscher im GebAG wurden seit 2007 nicht inflationsangepasst.
Die Dolmetschung ist ein Menschenrecht, es braucht Kompetenz, Qualifikation und Erfahrung, hohe Mobilität und geistige Flexibilität.
Die Dolmetschleistung ist somit eine fordernde, anspruchsvolle und vor allem verantwortungsvolle Aufgabe und essenzieller Baustein im Justizsystem, die auch dementsprechend abgegolten werden muss.
Auch der Rechnungshof geht in seinem Bericht „Dolmetsch– und Übersetzungsleistungen im Innenministerium und Justizministerium“ (2020) auf die Notwendigkeit einer Verbesserung der Arbeitsbedingungen von Gerichtsdolmetscher*innen ein.
Die unterzeichneten Abgeordneten stellen daher folgenden
Entschließungsantrag
Der Nationalrat wolle beschließen:
Die Bundesregierung, insbesondere die Bundesministerin für Justiz, wird aufgefordert, dem Nationalrat einen Gesetzesentwurf vorzulegen, der folgende Eckpunkte beinhaltet:
1. Nur Personen, die allgemein beeidet und gerichtlich zertifiziert sind, dürfen an Verhandlungen bei Gericht oder Vernehmungen bei der Polizei hinzugezogen werden.
2. Wenn aus Dolmetschermangel vorläufig noch nicht ausgebildete und zertifizierte Gerichtsdolmetscher*innen beauftragt werden, müssen diese adhoc-beeidet werden und die adhoc-Beeidigung muss protokolliert werden.
3. Eine Gebühr für Zeitversäumnis ab 30 km [§ 33 (1)]
4. Die Gebühr ab der dritten halben Stunde bei einem Satz von € 30,00 anzusetzen
5. Die Aufhebung der Pauschalierung von Rückübersetzung und sie mit einer Verrechnung pro Seite ersetzen
6. Die Gebühren der Gerichtsdolmetscher*innen, geregelt im GebAG, sollen einer jährlichen Indexanpassung unterzogen werden.
7. Die Festlegung einer Frist für die Auszahlung von gestellten Honorarnoten auf drei Monate.
8. Die Einführung einer Stornogebühr/Ausfallsentschädigung bei kurzfristig abberaumten Verhandlungen.
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Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Der Antrag ist ordnungsgemäß eingebracht und steht somit in Verhandlung, weil er auch ausreichend unterstützt ist.
Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Singer. – Bitte sehr.