10.36

Abgeordneter Mag. Ernst Gödl (ÖVP): Herr Präsident! Geschätzter Herr Bundesminis­ter! Hohes Haus! Geschätzte Damen und Herren zu Hause! Als Obmann eines Sozialhil­feverbandes ist es immer so um den November herum meine Aufgabe, das Sozialbudget für den Bezirk, in meinem Fall für den Bezirk Graz-Umgebung, zu entwerfen, um die sozialen Ausgaben, die in einem Bezirk anfallen, auch finanzieren zu können.

Graz-Umgebung ist zwar nur einer von 94 Bezirken, aber ich sage Ihnen – ich bin jetzt seit einigen Jahren Sozialhilfeverbandsobmann –: Wir haben Jahr für Jahr stark steigen­de Ausgaben. Im kommenden Jahr wird unser Budget etwa 128 Millionen Euro betra­gen – allein in Graz-Umgebung 128 Millionen Euro Ausgaben für den Bereich Pflege, für den Bereich Behindertenhilfe, für den Bereich Jugendwohlfahrt, für den Bereich Mindest­sicherung, für den Bereich Sozialhilfe Neu und auch, kürzlich eingeführt, für die Schulso­zialarbeit.

Allein diese Tatsachen, diese Zahlen beweisen, dass Österreich ein extrem ausgepräg­ter und breit aufgestellter Sozialstaat ist. Wir gehören auf jeden Fall zu jenen Staaten auf der gesamten Welt, die die höchste Sozialquote haben. Und das zeigt auch ein Blick ins Budget, wenn wir uns anschauen, dass wir im nächsten Jahr etwa 32 Prozent des Bruttonationalproduktes – 32 Prozent des Bruttonationalproduktes! – für soziale Ausga­ben zur Verfügung stellen. Also jeder dritte Euro, der in Österreich verdient wird, der von Steuerzahlerinnen und Steuerzahlern einbezahlt wird, wird für soziale Aufgaben aufge­wendet. Und unsere Aufgabe hier als Gesetzgeber ist es, einerseits natürlich dieses System der sozialen Sicherheit treffsicher zu halten und es dort treffsicherer zu machen, wo es das vielleicht nicht ist.

Ganz wichtig ist aber auch: Wir müssen diesen Sozialstaat auch finanzierbar halten. Und zur Finanzierung ist, glaube ich – einer meiner Vorvorredner, Herr Koza von den Grünen, hat es aus meiner Sicht richtig angesprochen –, eine der wichtigsten Maßnahmen eine offensive Arbeitsmarktpolitik, damit möglichst viele ein Einkommen erwirtschaften kön­nen, von dem sie und die Familie leben können, und natürlich auch davon Steuern zah­len, damit wir diesen Sozialstaat, also jeden dritten Euro, auch in Zukunft finanzieren können.

Wir werden zwar erst morgen das Thema Arbeitsmarkt im Detail diskutieren, aber schon jetzt sei gesagt: Das, was wir uns in diesem Jahr und auch im nächsten Jahr vorgenom­men haben, nämlich die Coronajoboffensive und die Aktion Sprungbrett, um Langzeitar­beitslose wieder in den Arbeitsmarkt zu integrieren, sind sehr wichtige sozialpolitische Maßnahmen, um unser System überhaupt am Laufen zu halten.

Ich glaube schon, dass, wenn man sich ein paar sozialpolitische Meilensteine im Budget anschaut, wir uns durchaus sehr zufrieden geben können, etwa damit, dass – das The­ma Pensionen wurde ja mehrmals angesprochen – wir jetzt als sozialpolitische Maß­nahme die niedrigen Pensionen, Pensionen bis 1 000 Euro, ab dem 1.1.2022 weit über der Inflationsrate, nämlich mit 3 Prozent, erhöhen. Das ist eine wichtige sozialpolitische Maßnahme. Gleichzeitig erhöht sich auch der Ausgleichszulagenrichtsatz, und auch das wirkt sich natürlich positiv auf alle Sozialhilfe- und Mindestsicherungsbezieher aus.

Auch was die Energiekosten betrifft sind wir, denke ich, auf einem guten Weg, um eine Lösung zu finden und die steigenden Energiekosten gerade bei unteren Einkommen auch abfedern zu können. Dass wir im Rahmen der Steuerreform beschlossen haben, dass arbeitende Menschen weniger an öffentlichen Abgaben entrichten sollen, auch ganz konkret einkommensschwache Haushalte, dass eben ab Juli 2022 die Krankenver­sicherungsbeiträge um 1,7 Prozent gesenkt werden, ist auch eine wichtige sozialpoliti­sche Maßnahme, um einkommensschwache Haushalte zu stärken.

Der Sozialstaat steht immer vor Herausforderungen, wird immer vor großen Herausfor­derungen stehen. Es stimmt, dass eine der ganz großen Herausforderungen die Pflege ist. Darauf bitte ich durchaus, einen exakten Blick zu werfen. Es genügt nicht, Herr Ku­cher aus Klagenfurt, wenn Sie hier mit doppelt geballter Faust stehen und, ja, laute Worte von sich geben. (Beifall bei der ÖVP sowie der Abg. Ribo.) Wir müssen von der Theorie in die Praxis kommen, und die Praxis in der Pflege, die passiert nicht nur hier auf der Regierungsbank, die Praxis in der Pflege passiert vor Ort.

Was mache ich zum Beispiel als Sozialhilfeverbandsobmann in Graz-Umgebung? – Wir werden im nächsten Jahr in einigen weiteren Gemeinden neue Tageszentren eröffnen, denn wir brauchen die Tageszentren für Senioren, um die Pflege zu Hause zu stärken. Das sind konkrete Maßnahmen, die müssen wir setzen. Es wird nicht den Urknall in der Pflegereform geben, der alles löst, sondern wir müssen Schritt für Schritt an vielen Rädchen drehen, in den Gemeinden, vor allem auch in den Ländern, denn die haben große Kompetenzen in der Pflege, und auch im Bund. (Beifall bei der ÖVP und bei Ab­geordneten der Grünen.)

Eines sei auch gesagt, man vergisst es nämlich so leicht: Das Pflegegeld, das wir in Österreich haben, das ist weltweit einzigartig, auch einzigartig betreffend die Höhe. In der höchsten Stufe, der Pflegestufe 7, bekommt man über 1 700 Euro. Vergleichen Sie alleine mit Deutschland, dort bedeutet die Pflegestufe 5, das ist dort die höchste Pflege­geldstufe, etwas über 1 000 Euro an Zuwendung an die betroffenen Menschen! Wir sind in vielen Bereichen sehr gut aufgestellt. Das bedeutet aber nicht, dass wir uns in vielen Bereichen nicht auch offensiv weiterentwickeln müssen – und die Pflege ist so ein Punkt. Meine Damen und Herren, aber: Weniger Reden, mehr tun in den Gemeinden, in den Ländern und natürlich auch hier bei uns im Parlament! – Danke schön. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

10.42

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Drobits. – Bitte.