13.51

Abgeordnete Dr. Stephanie Krisper (NEOS): Herr Präsident! Herr Minister! Liebe Kol­leginnen und Kollegen! Liebe Damen und Herren zu Hause! Franz Kafka würde ja im gegenwärtigen Österreich längst völlig erschöpft sein ob der vielen Eindrücke. Zuerst einmal: Der Ibiza-Untersuchungsausschuss wäre schon sehr fordernd gewesen durch Lächerlichmachen und Stören der parlamentarischen Kontrollarbeit (Zwischenruf bei der ÖVP) durch jene Partei, die zunehmend in den Fokus der Kontrolle geraten ist.

Dann: Corona und die vonseiten der Bundesregierung eigentlich nötigen Maßnahmen, die dann aber ausbleiben, weil – abstruse Gründe – Dilettantismus, Egoismus, Wahlkal­kül herrschen, die Bürokratisierung stört, und aufgrund des Föderalismus. Nun wird es selbst bei einer einfachen Herausforderung sehr kafkaesk, nämlich bei der Grundversor­gung von Asylwerberinnen und Asylwerbern in Österreich, denn es zeichnet sich erneut ein Managementversagen ab – wie bei Corona.

Der Budgetdienst befand, bei der Grundversorgung von Asylwerberinnen und Asylwer­bern bestehe ein Budgetrisiko, weil als Grundlage für die Budgetierung im Oktober von – laut BMI – 1 700 Personen in der Bundesbetreuung ausgegangen wurde. Ich habe aber kurz vor dem Budgetausschuss eine Übersicht erhalten, aus der sich ergibt, dass in Wahrheit mit Anfang November schon 4 500 Personen in der Bundesbetreuung unterge­bracht sind. Der Herr Minister bestätigte das im Ausschuss, das BMI nannte aber die Zahl von 1 700 – viel weniger. Warum nennen Sie hier nicht die validen Zahlen für die Budgetierung der Bundesbetreuung?

Was bedeuten diese Zahlen: Einen richtig hohen Anstieg? – In der Bundesbetreuung ja, aber insgesamt nicht, da liegen wir im Moment bei 29 000 Personen; das sind 2 000 weniger als vor zwei Jahren, 1 000 mehr als letztes Jahr zu diesem Zeitpunkt. Das heißt, diese Menschen stecken einfach im Flaschenhals der Bundesbetreuung fest, weil sie nicht rechtzeitig in ausreichendem Maße auf die Länder aufgeteilt werden. Auch wenn man einen Covid-Puffer von 15 bis 20 Prozent einrechnet, weil die Belegung nicht so dicht möglich ist wie sonst, wird nicht verständlich, was passiert, nämlich dass – was wir auch seit Wochen hören, abseits dieser Zahlen – Hallen für die Belegung aufgesperrt werden müssen und, seit Neuestem, dass Menschen in Turnsälen schlafen müssen.

Angesichts dieser Zahlen Hallen aufsperren zu müssen, das zeugt von völligem Ma­nagementversagen. Wo liegt das Versagen? – Anscheinend funktioniert der Verteilungs­schlüssel betreffend Bundesbetreuung beziehungsweise die Aufsplittung auf die Länder aus unterschiedlichen Gründen nicht, aber dem müsste man, Herr Minister, nachgehen. Es gibt anscheinend Probleme dahin gehend, dass die Artikel-15a-B-VG-Vereinbarung, die Quotenvereinbarung mit den Ländern, nicht eingehalten wird. Da müsste man ein­fach die Länder in die Pflicht nehmen. Wenn das Argument kommt, das ich von Länder­seite oft höre, dass die Tagsätze für die Asylwerber zu gering sind, dann muss man diese valorisieren und da endlich etwas tun. Man sollte es vonseiten der Politik auch bleiben lassen, vor Wahlen Quartiere extra nicht aufzusperren. Das sind feige politische Spiel­chen, die man nicht zulassen sollte.

Apropos Spiel: Es wundert uns ja, dass Sie, Herr Innenminister, aus dem Symptom die­ses Managementversagens – Bilder von Menschen in Hallen – nicht längst Profit schla­gen wollten, um das Schreckgespenst der Migrationskrise zu ventilieren; aber vielleicht fürchtet man ja mittlerweile auch in den türkisen Sphären, dass die Menschen sich dann langsam doch vermehrt fragen, warum plötzlich wieder so furchtbar viele – das würden diese Bilder ja insinuieren – in Traiskirchen und ähnlichen Einrichtungen sind. Ist die Balkanroute doch nicht geschlossen? Man kann Grenzen nicht völlig schließen. Ist der Innenminister überfordert, weil er das nicht kommen sah, genauso wie die Regierung generell die vierte Coronawelle nicht kommen sah? (Zwischenruf der Abg. Belakowitsch.)

Vorzugeben, es seien untragbar viele Menschen, die zu uns kämen, das käme jetzt nicht so gut an, also schweigt man lieber, man verschweigt lieber. Wenn man aber klar aus­spricht, was Sache ist, ist es so: Die Zahlen sind in Wahrheit überschaubar, Herr Mi­nister, eben vergleichbar mit vorletztem Jahr und letztem Jahr. Ihr Ressort kann und will das aber anscheinend nicht gut managen. Es kann sein, dass Sie es nicht können, weil dieselben Personen im Ressort tätig sind wie 2015 – da haben wir auch schon eine Ma­nagementkrise erlebt –, oder dass Sie die Situation für opportun halten, weil die Türkisen ja nichts lieber machen, als die Migrationskarte zu spielen, ihre Lieblingskarte, wenn sie wieder einmal gebraucht wird. In Wahrheit ist es schlicht ein weiteres Managementver­sagen vonseiten der ÖVP, das wir hier erleben. (Beifall bei den NEOS.)

Ich möchte nun noch spontan etwas betreffend Polen und Belarus sagen: Alle reden von Erpressung, und natürlich erpresst uns Lukaschenka, aber er presst uns auch ab, dass wir als Europäische Union unser heuchlerisches Gesicht zeigen, weil wir es angesichts einer – wiederum – überschaubaren Anzahl von ein paar Tausend Menschen nicht schaf­fen, unsere Grundwerte einzuhalten, und beginnen, gegen geltendes EU-Recht, gegen geltendes Verfassungsrecht in den EU-Staaten zu verstoßen.

Non-Refoulement, Push-backs sind abstrakte Begriffe, es geht aber darum, dass Men­schen – und darunter können auch Flüchtlinge sein – auf europäischem Terrain sind und gewaltsam zurückgedrängt werden. Diese Fratze zeigt die EU im Moment, das müssen wir stoppen, wie natürlich auch die Flüge nach Belarus und diese Möglichkeiten Luka­schenkas, Druck aufzubauen – aber jetzt gehört einmal diese überschaubare Zahl von Menschen in Sicherheit gebracht, bevor noch mehr erfrieren. (Beifall bei den NEOS. – Zwischenruf bei der FPÖ.)

13.56

Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu einer Stellungnahme hat sich Herr Bundesminister Karl Nehammer zu Wort gemeldet. – Bitte, Herr Bundesminister. (Abg. Belakowitsch: „Überschaubare Zahl“, was sagen Sie dazu, Herr Minister?)