18.01

Abgeordneter Dr. Helmut Brandstätter (NEOS): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Herr Kurz verlässt wieder einmal fluchtartig den Saal, obwohl ich ihm so gerne etwas gesagt hätte. (Zwischenrufe bei der ÖVP.) Es geht näm­lich um einen ganz wichtigen Satz, den man, wenn man an einer Universität studiert, auf jeden Fall mitbekommt, und wenn man nicht an der Universität studiert, nicht mitbe­kommt. Deswegen hätte ich ihm das gerne gesagt, aber Sie können es ihm ja dann ausrichten: „Die Wissenschaft und ihre Lehre ist frei.“ (Weitere Zwischenrufe bei der ÖVP.) – Sie schreien schon wieder, und wenn Sie schreien, hören Sie nicht. Kollege Loacker hat das heute schon erklärt. Deswegen sage ich es noch einmal, und der Herr Bundesminister kann es Ihnen dann auch noch erklären: „Die Wissenschaft und ihre Lehre ist frei.“ (Beifall bei den NEOS.)

Das steht im Staatsgrundgesetz, Artikel 17, ist also in Verfassungsrang. Das gilt für uns alle – außer für eine kleine Gruppe rund um Herrn Kurz. Für die gilt dieser Satz nicht, denn das ist ja nicht der Pöbel. Also die Gesetze gelten für den Pöbel. Herr Schmid hat das ja in seinen Chats geschrieben, und deswegen war er der Meinung, die Wissen­schaft ist überhaupt nicht frei, und hat sich Herrn Badelt als einen anerkannten Wissen­schaftler geholt und gesagt, also das mit der Finanzierung von seinem Institut, das ist jetzt bitte schön vorbei, denn der veröffentlicht da Sachen, die ihnen überhaupt nicht gefallen.

Herr Badelt hat das dann in einem „Profil“-Interview erzählt. Er hat gesagt, Schmid hat ihn zum Essen eingeladen. Das war noch das Freundlichste. Dann hat er ihm „sehr rüde eröffnet“, dass das Finanzministerium die Wifo-Grundsubvention um ein Viertel kürzen muss, und dann hat er gesagt, er ist unzufrieden, und es geht ja alles nicht so weiter. Dann hat er gesagt, es gibt Studien, die zwar bezahlt, aber nicht veröffentlicht werden. – Das, meine Damen und Herren, ist schon skandalös: dass mit Steuergeld Studien finan­ziert werden, und wenn sie einem Beamten – nicht einem Beamten, sondern Herrn Schmid, der irgendwie zum System Kurz gehört – nicht passen, dann werden sie nicht veröffentlicht. Deswegen haben wir heute einen Entschließungsantrag vorbereitet. (Abg. Martin Graf: Warum hat er damals nichts gesagt?) – Wer? (Abg. Martin Graf: Herr Pro­fessor Badelt!) – Das müssen Sie Professor Badelt fragen, aber wenn jemand eine Dro­hung ausspricht - - (Weiterer Zwischenruf des Abg. Martin Graf.) Wenn jemand eine Drohung ausspricht (Zwischenruf des Abg. Eßl), ist ja der Böse derjenige, der die Dro­hung ausspricht, und nicht derjenige, der bedroht wird. (Beifall bei den NEOS und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Kollege Margreiter hat das bei der Diskussion um die Justizdebatte schon richtig gesagt. Er hat nämlich gesagt: Das System ist korrupt unterwandert. (Zwischenrufe der Abge­ordneten Martin Graf und Eßl.) – Da müssen wir aufpassen, das müssen wir beenden, und deswegen haben wir einen Entschließungsantrag vorbereitet.

Bevor ich diesen aber einbringe, möchte ich Ihnen noch etwas sagen. Schauen Sie heute auf profil.at, da werden Sie nämlich sehen, was in diesem System weiter an kor­rupten Handlungen passiert ist! Erstens wurde offensichtlich die Hausdurchsuchung bei Fleischmann, Frischmann und so weiter verraten, und zweitens sind dann die Handys auf einmal weg gewesen; aber die Buben lernen ja nicht einmal etwas. Herr Fleischmann hat noch immer geglaubt, wenn er sein Handy löscht, zurücksetzt, dann ist alles weg. Gott sei Dank ist das nicht so. Sie haben zwar versucht, das System zu unterwandern, aber die WKStA arbeitet, wird also auch das auswerten, und das ist auch ganz wesent­lich. (Abg. Hörl: ... Handy auch schon gelöscht?)

Jetzt schenke ich Herrn Kurz gerne das Buch „Die Kunst des richtigen Maßes“. (Der Redner hält das genannte Buch in die Höhe.) Ja, das ist das Buch „Die Kunst des rich­tigen Maßes“ von Prof. Johannes Huber. Kollege Kollross lächelt. (Abg. Eßl: Lesen Sie es einmal selber!) Ich gestehe, weil ich ja gerne die Wahrheit sage: Ich habe es leider noch nicht gelesen, werde es aber jetzt lesen. Ich lese Ihnen nur ganz kurz etwas vor (Zwischenruf des Abg. Gerstl): Dieses Buch gibt Hinweise darauf, wie wir das richtige Maß finden, aber auch darauf, wie wir es halten können, zum Beispiel indem wir alte Gewohnheiten ablegen und neue annehmen, was nicht einfach ist, wofür es aber hilf­reiche Techniken gibt. – Zitatende.

Deswegen wäre es gescheit, wenn das gewisse Leute lesen und die alten Gewohn­heiten, nämlich ein System korrupt zu unterwandern, beenden. Bei Professor Huber ge­fällt mir auch, dass er ja nicht nur Mediziner, sondern auch Theologe ist, und ich finde, das ist eine gute Mischung, deswegen werde ich mit Freude dieses Buch lesen.

Vorher werde ich aber noch diesen Entschließungsantrag einbringen. Herr Bundesmi­nister Faßmann, sehen Sie darin einen Vertrauensbeweis unsererseits! Sie werden es gleich hören. Ich hoffe nur, dass Sie dann nicht auch behindert werden, man weiß ja nie. Ich bringe also folgenden Antrag ein:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Dr. Helmut Brandstätter, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Künfti­ge Finanzierung von IHS und Wifo durch das BMBWF“

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung, insbesondere der Bundesminister für Finanzen und der Bundes­minister für Bildung, Wissenschaft und Forschung, wird aufgefordert, einen Vorschlag zu erarbeiten, wie die langfristige Finanzierung des Instituts für Höhere Studien (IHS) und des Österreichischen Instituts für Wirtschaftsforschung (Wifo) künftig von der Zuständig­keit des Bundesministers für Finanzen in die Zuständigkeit des Bundesministers für Bil­dung, Wissenschaft und Forschung übertragen werden kann. Ziel muss es in jedem Fall sein, Versuche politischer Einflussnahme auf beide Institute zu unterbinden.“

*****

Ziel muss es auch sein – und ich glaube, Sie stehen als Wissenschaftler wirklich dafür, Herr Bundesminister –, gewissen Leuten zu erklären: „Die Wissenschaft und ihre Lehre ist frei.“ Lasst die Menschen in Ruhe arbeiten! Hört mit der Wissenschaftsfeindlichkeit auf! Wir leben von diesen Forschungsergebnissen. Sie sind gut für uns, eben zum Bei­spiel auch, indem eine Impfung gefunden wurde. Also lasst euch impfen! – Danke. (Bei­fall bei den NEOS sowie des Abg. Kollross.)

18.06

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Dr. Helmut Brandstätter, Mag. Martina Künsberg Sarre, Kolleginnen und Kollegen betreffend Künftige Finanzierung von IHS und Wifo durch das BMBWF

eingebracht im Zuge der Debatte in der 129. Sitzung des Nationalrats über den Bericht des Budgetausschusses über TOP 4: Bundesgesetz über die Bewilligung des Bundes­voranschlages für das Jahr 2022 (Bundesfinanzgesetz 2022 - BFG 2022) (1157 d.B.) samt Anlagen — UG 31

Der ehemalige Direktor des Österreichischen Instituts für Wirtschaftsforschung (Wifo), Christoph Badelt, bestätigte gegenüber "Profil", dass der damalige Generalsekretär im Finanzministerium, Thomas Schmid, während des Wahlkampfs im Jahr 2017 Druck auf das Forschungsinstitut ausübte. Bei einem Mittagessen habe ihm Thomas Schmid "sehr rüde eröffnet, dass das Finanzministerium die Wifo-Grundsubvention um eine Million, also um ein Viertel, kürzen wolle", sagte Badelt im Interview. Grund dafür sei "eine all­gemeine Unzufriedenheit mit dem Wifo" im BMF. Um den Rücktritt Badelts und einen medialen Aufschrei während des Wahlkampfs zu vermeiden, wurden diese Pläne Badelt zufolge schlussendlich nicht weiterverfolgt.1

Dem Mittagessen mit Christoph Badelt gingen Gespräche zwischen Thomas Schmid und Sebastian Kurz im Juni 2017 voraus, in denen Schmid berichtete, "dass er mit den hei­mischen Wirtschaftsforschern telefoniert habe und wer davon 'auf Linie' zu bringen sei."1,2 Zu diesen Wirtschaftsforschern, die auf Linie zu bringen seien, zählte auch der damalige Direktor des Instituts für Höhere Studien (IHS) und derzeitige Arbeitsminister, Martin Kocher. Über ihn schrieb Schmid laut Berichten des "Standard": "Kocher bringe ich noch auf Linie. IHS von BMF finanziert".2 Eine versuchte politische Einflussnahme Schmids auf das IHS bestätigte am 19. Oktober 2021 auch der langjährige ÖVP-Spit­zenpolitiker und Präsident des IHS-Kuratoriums, Franz Fischler. Ende 2015/Anfang 2016 habe Schmid eine offene Ausschreibung der Stelle des Leiters des IHS verhindern wol­len, damit "am Ende des Verfahrens 'seine Person' zum Zuge komme."3

Aus den Forschungsförderungsberichten des BMBWF geht hervor, dass das BMF mit Wifo und IHS mehrjährige Rahmenförderungsverträge abschließt. So wurde beispiels­weise für die Jahre 2017-laufend ein Vertrag zur "Bereitstellung von kurz- und mittel­fristigen Prognosen; Datenbanken; Beratungen zu ad hoc Anfragen; weitere Tätigkeiten mit öffentlichem Gut Charakter; Studien" mit einem Gesamtförderbetrag von 8.386.000 € abgeschlossen. In den Jahren 2013-17 bestand ein Fördervertrag zwischen BMF und Wifo über 9.817.500 €. Ebenso wurde mit dem IHS ein Fördervertrag für die Jahre 2014-2020 mit einem Gesamtförderbetrag von 11.629.795,50 € geschlossen. Für 2021 besteht mit dem IHS ein Fördervertrag über 1.805.220 €.

Die Unabhängigkeit von Wissenschaft und Forschung ist ein wesentlicher Grundpfeiler unserer Demokratie. Forscher_innen müssen ihre Arbeit in jedem Fall ohne politische Einflussnahme planen, durchführen, auswerten und veröffentlichen können, auch und vor allem, wenn es sich um Auftragsforschung handelt. Einen Beitrag zur Unabhängig­keit der Forschung von der Politik leistet das im Jahr 2020 beschlossene Forschungs­finanzierungsgesetz (FoFinaG), in dem zentrale Forschungs- und Forschungsförde­rungseinrichtungen aufgelistet und mehrjährige Leistungs- bzw. Finanzierungsvereinba­rungen inklusive deren Mindestinhalte und Monitoring sowie Evaluierung eingeführt wur­den. Die Schwerpunkte dieser Leistungs- bzw. Finanzierungsvereinbarungen werden im FTI-Pakt, vorgelegt vom Bundesminister für Bildung, Wissenschaft und Forschung, der Bundesministerin für Digitalisierung und Wirtschaftsstandort und der Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie, festgelegt. Die genannten Bundesminister_innen müssen dafür das Einvernehmen mit dem Bundes­kanzler und dem Bundesminister für Finanzen herstellen.

In der Sitzung des Wissenschaftsausschusses am 19. Oktober 2021 zeigte sich Bun­desminister Faßmann gesprächsbereit, die politisch unabhängige Finanzierung von Wifo und IHS zu garantieren, etwa durch eine Aufnahme der beiden Institute in das FoFinaG. Die beiden Einrichtungen seien vorerst nicht ins Fördersystem des FoFinaG einbezogen worden, da sie mit Auftragsforschung befasst seien. Dies könnte längerfristig aber ge­ändert werden.4

1     https://www.profil.at/wirtschaft/kurz-chats-ex-wifo-chef-badelt-ueber-polit-interven­tionen/401771571

2     https://www.derstandard.at/storv/2000130504665/wifo-chef-badelt-bestaetiqt-oevp-schwitzkasten-waehrend-wahlkampf

3     https://wwvv.diepresse.com/6049308/fischler-thomas-schmid-wollte-ihs-direktor-mitbestimmen

4     https://www.parlament.qv.at/PAKT/PR/JAHR 2021/PK1152/index.shtml

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgenden

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

"Die Bundesregierung, insbesondere der Bundesminister für Finanzen und der Bundes­minister für Bildung, Wissenschaft und Forschung, wird aufgefordert, einen Vorschlag zu erarbeiten, wie die langfristige Finanzierung des Instituts für Höhere Studien (IHS) und des Österreichischen Instituts für Wirtschaftsforschung (Wifo) künftig von der Zuständig­keit des Bundesministers für Finanzen in die Zuständigkeit des Bundesministers für Bildung, Wissenschaft und Forschung übertragen werden kann. Ziel muss in jedem Fall sein, Versuche politischer Einflussnahme auf beide Institute zu unterbinden."

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Präsidentin Doris Bures: Der Entschließungsantrag ist ordnungsgemäß eingebracht und steht mit in Verhandlung.

Nun hat sich Herr Bundesminister Heinz Faßmann zu Wort gemeldet. – Bitte.