10.09

Abgeordneter Mario Lindner (SPÖ): Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Es ist nicht möglich, über das Budget von Frauen und Gleichstellung zu diskutieren, ohne auf die wohl schlimmste Tatsache einzugehen, vor der unsere Gesellschaft heute steht: 26 Frauenmorde – 26 Frauen, die von Männern er­mordet wurden – allein im Jahr 2021! (Beifall bei Abgeordneten der SPÖ.)

Das ist eine Krise der Gewalt von Männern, eine Krise, die ganz sicher kein Frauenthema ist, sondern durch toxische Männlichkeit und Sexismus geschaffen wird (Beifall bei der SPÖ), eine Krise, gegen die vor allem jeder Mann aufstehen muss.

Frau Bundesministerin, es braucht auch entschiedenes Handeln der Politik, und dafür kommt gemäß der Istanbulkonvention Ihnen innerhalb der Bundesregierung die koordi­nierende Rolle zu. Auch wenn Sie im Budgetausschuss, in Anfragebeantwortungen und in der Öffentlichkeit immer wieder betonen, wofür Sie alles nicht zuständig sind, ändert sich das nicht. Sowohl wenn es um das Budget geht als auch wenn es um den politi­schen Druck geht, ist und bleibt die Frauenministerin die zentrale Schnittstelle im Kampf gegen Gewalt an Frauen. Diese Verantwortung müssen Sie endlich ernst nehmen, Frau Bundesministerin! (Beifall bei der SPÖ sowie der Abgeordneten Meinl-Reisinger und Künsberg Sarre.)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir wissen alle, dass auch das groß angekündigte Ge­waltschutzpaket dieser Regierung nur ein Tropfen auf den heißen Stein ist, und da rede ich noch nicht einmal von langwierigen Auszahlungsprozessen und hohen Anspruchs­hürden. Vor allem löst dieses Paket nämlich die strukturellen Probleme innerhalb unserer Gesellschaft nicht. In diesem Budget finden sich weder genügend Mittel für die prä­ventive Arbeit mit Buben und jungen Männern noch die längst überfällige Basisfinanzie­rung für die Männerberatungsstellen in ganz Österreich. Ja, opferschutzorientierte Täter­arbeit ist wichtig, aber das strukturelle Problem von männlicher Gewalt werden wir nur dann lösen, wenn wir in flächendeckende moderne Prävention investieren – und genau dafür haben Sie endlich zu sorgen! (Beifall bei der SPÖ.)

Dieser Unwille, an umfassenden und strukturellen Lösungen für mehr Gleichstellung in Österreich zu arbeiten, findet sich nicht nur in der Frauenpolitik. Wenn es um Schwule, Lesben, bisexuelle, transidente, intergeschlechtliche und queere Personen geht, bietet dieses Budget nämlich gleich gar keine Mittel und Ziele. Während LGBTIQ-Personen in den letzten Monaten eine bisher ungekannte Welle an Diskriminierung und Gewalt im öffentlichen Raum erleben, gibt es kein Budget für die Antidiskriminierung dieser Gruppe. Sie, Frau Bundesministerin, betonen zwar, dass Einzelinitiativen, die sich unter anderem mit diesem Thema beschäftigen, aus Ihrem Ressort Teilförderungen erhalten, von flä­chendeckenden Angeboten einer strukturellen Unterstützung dieser Community oder auch nur von inklusiver Kinder- und Jugendarbeit in diesem Bereich brauchen wir aber gar nicht zu reden.

Ihre deutsche Schwesterpartei, die CDU, macht vor, wie es anders geht: Die CDU-ge­führte deutsche Bundesregierung gab im Jahr 2020 allein 7,8 Millionen Euro nur für explizite LGBTIQ-Arbeit aus – für Antidiskriminierungsarbeit, Jugendarbeit und vor allem aktive Öffentlichkeitsarbeit der deutschen Bundesregierung. 7,8 Millionen Euro – und im Vergleich dazu Österreich: 0 Euro!

Lassen Sie es mich auf den Punkt bringen: Gewalt, Diskriminierung und Hass nehmen zu, das zeigen die Erfahrungen von LGBTIQ-Organisationen, aber das zeigt inzwischen sogar der Hate-Crime-Report Ihrer Regierung. Um dieser Entwicklung entgegenzutre­ten, braucht es nicht nur die Exekutive, sondern es braucht aktive und mutige Präven­tionsarbeit der Bundesregierung und insbesondere der Ministerin für Gleichstellung. Solange wir beinahe im Wochentakt erleben, dass Menschen wegen ihrer sexuellen Orientierung oder Geschlechtsidentität angegriffen werden, so lange darf die Politik nicht wegschauen. Ihre Politik des Wegschauens und Nichtzuständigseins, Frau Bundesmi­nisterin, muss endlich ein Ende haben! (Beifall bei der SPÖ.)

10.13

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Melchior. – Bitte sehr.