10.31
Abgeordnete Barbara Neßler (Grüne): Herr Präsident! Geschätzte Frau Ministerin! Liebe Kollegen und Kolleginnen! Liebe Zuseher und Zuseherinnen! Ich möchte mit etwas Erfreulichem beginnen, nämlich dass das Budget für die Förderung der Familienberatung um 23 Prozent erhöht wurde. Das ist dringend notwendig – ich glaube, so dringend notwendig war es noch nie, denn die Familien haben in der Pandemie nicht nur unter den ökonomischen Folgen gelitten, sondern natürlich auch unter den psychischen. Das beginnt beispielsweise bei der Überbelastung von Frauen, allen voran jenen, die in Gesundheitsberufen gearbeitet haben – wir wissen, dass es im Pflegebereich zu 80 Prozent Frauen sind –, und vor allem sind es auch Frauen, die immer wieder zu Hause gefordert sind.
Es wurde jetzt schon viel diskutiert: Es geht um den Ausbau der Kinderbetreuungsplätze – die Frau Ministerin hat schon erklärt, dass wir deren Ausbau forcieren wollen. Ich möchte nur noch anmerken, dass das aus folgendem Grund so wichtig ist: Wenn wir eine Wahlfreiheit für Frauen haben möchten, dann brauchen wir auch eine Möglichkeit, dass diese Wahlfreiheit in Betracht gezogen werden kann. Natürlich ist es so, dass wir die Barcelonaziele nach 19 Jahren leider immer noch nicht erreicht haben, das ist traurige Realität, und ich möchte mich auch bei allen ÖVP-Abgeordneten bedanken, die sich für einen Rechtsanspruch ausgesprochen haben. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)
Ich möchte aber auch die Zeit nützen, um noch ein Thema in diesem Zusammenhang anzusprechen, über das die Kollegin von der SPÖ gestern gesagt hat, dass grundsätzlich zu wenig darüber geredet wird – das ist so –, und das ist die Kinderarmut. Vor Kurzem hat die Statistik Austria eine Studie veröffentlicht, in der alarmierenderweise gezeigt wird, dass 36 Prozent der Kinder von Alleinerziehenden keine Unterhaltszahlungen oder Ersatzleistungen bekommen. Insgesamt befinden sich 372 0000 Kinder in einer Dauerkrise, weil sie von Armut betroffen sind, und ich glaube, wir sind uns einig, dass das schon 372 000 Kinder zu viel sind.
Die Regierung hat sich dazu committet, die Kinderarmut zu halbieren, und das kann natürlich nicht in einem Ministerium passieren, das muss über alle Ressorts hinweg passieren – mit aller Anstrengung, denn das sind jene Kinder, die nicht auf Schulausflüge mitgehen können, das sind jene Kinder, die in einem Dauerlockdown sind, weil sie keine Freunde und Freundinnen zu sich nach Hause einladen können, und das sind jene Kinder, die auch keine Geburtstage feiern können. Wir haben hier schon ganz oft darüber diskutiert, was die Pandemie für Kinder, für Jugendliche in Bezug auf die psychosoziale Gesundheit geheißen hat, und ich glaube, wir alle können uns vorstellen, dass gerade Kinder, die von Armut betroffen sind, davon noch mehr betroffen sind.
Finanziell schlechtergestellt zu sein, liebe Kollegen und Kolleginnen, heißt nicht einfach nur, dass man weniger Geld hat, das heißt leider oft auch, sozial ausgegrenzt zu werden, und sozial ausgegrenzt zu werden ist nicht nur ein unschönes Gefühl, das schlägt sich auch auf die Gesundheit unserer Kinder nieder. Darum ist es unser Job, dafür zu sorgen, dass Kinder Kinder sein können – ohne Zukunftsängste, ohne finanziellen Druck und ohne verminderte Chancen. Daran arbeiten wir – Stichwort Kinderkostenstudie, die zuletzt 1964 in Auftrag gegeben wurde –, wir arbeiten daran, die Lücken beim Unterhalt zu schließen – seit 2008 ist das im Regierungsübereinkommen vorgesehen und seitdem ist nichts passiert –, und wir arbeiten mit voller Kraft daran, dass wir unserem ambitionierten Ziel, die Kinderarmut zu halbieren, ein Stück näherkommen. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)
Um noch ganz kurz bei den Kindern in der Pandemie zu bleiben: Ich habe schon einmal gesagt, dass es derzeit so ausschaut: Von Jänner bis August wurden 152 Babys aufgrund von Corona hospitalisiert; vorgestern haben wir in den Medien von einem 15 Monate alten Baby gehört, um dessen Leben im Krankenhaus Vöcklabruck gekämpft wird. Wer die Bilder gesehen hat, der kann sich, wie ich glaube, vorstellen, was das für die Eltern und für das Baby bedeutet. Ich appelliere noch einmal an alle Frauen, die schwanger sind, die einen Kinderwunsch haben, sich impfen zu lassen. Dank der Wissenschaft haben wir ein effektives Werkzeug im Kampf gegen diese Pandemie, ein Mittel, das uns so viel Leid ersparen könnte.
Liebe Kollegen und Kolleginnen! Ich sage das jetzt auch bewusst in Richtung der FPÖ: Wir sollten öfter auf die Wissenschaft hören, auf die Wissenschaft vertrauen, als auf den so oft bemühten Hausverstand, hinter dem sich im Endeffekt nur Wissenschaftsskepsis verbirgt. – Danke. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)
10.37
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gelangt jetzt Frau Abgeordnete Schatz. – Bitte sehr.