11.22

Abgeordneter Josef Muchitsch (SPÖ): Sehr geschätzte Frau Präsidentin! Sehr geehr­ter Herr Bundesminister! Geschätzte Damen und Herren! Ich möchte zum Kapitel Ar­beitsmarkt Stellung beziehen. Im Bereich Langzeitbeschäftigungslosigkeit haben wir nach wie vor großen Handlungsbedarf. Ich zitiere aus dem AMS-Bericht vom Okto­ber 2021 und der Budgetanalyse des Budgetdienstes. Laut diesen Berichten waren knapp 270 000 Personen als arbeitslos gemeldet. 114 600 davon sind Langzeitbe­schäftigungslose, das entspricht einem Anteil von 43 Prozent an allen arbeitslosen Per­sonen. Im Vergleich dazu waren es im Oktober 2019, also vor der Krise, 94 000 Per­sonen. Das heißt, es sind trotz Hochkonjunktur im Oktober noch immer 21 000 Personen mehr von Langzeitbeschäftigungslosigkeit betroffen als vor der Krise. Insbesondere betrifft es Menschen, die gering qualifiziert sind, die gesundheitliche Einschränkungen haben, und vor allem sind es ältere Arbeitskräfte.

Obwohl die Mitarbeiter des AMS, bei denen ich mich von dieser Stelle aus auch recht herzlich bedanken möchte, eine hervorragende Vermittlungsarbeit leisten und obwohl Sie, Herr Bundesminister, 250 Millionen Euro im Budget für 2022 und 50 Millionen Euro für 2023 über das Kapitel aktive Arbeitsmarktpolitik für das Programm Sprungbrett bud­getiert haben, stellt sich die Frage, ob es uns gelingt, unser gemeinsames Ziel – denn es war immer auch unser Ziel, Sie dabei zu unterstützen –, in den nächsten Monaten bis 2023 auf unter 100 000 Langzeitarbeitslose zu kommen – Ihr erklärtes Ziel sind 95 000 –, zu erreichen.

Wir wünschen uns alle, dass es uns gemeinsam gelingt, aber seitens der SPÖ sind wir überzeugt, dass es mehr Anreize für die älteren Menschen, die in Langzeitbeschäfti­gungslosigkeit sind, braucht, um in Jobs im öffentlichen Dienst – beim Bund, bei Län­dern, Gemeinden – und vor allem bei den Hilfsorganisationen zu kommen. Unser Vor­schlag, die Aktion 40 000, Herr Bundesminister, ist Ihnen bekannt. Wenn wir diese früher umgesetzt hätten, wenn wir sie schon gestartet hätten, hätte uns das jetzt vor allem im Kampf gegen die Pandemie, als es wirklich ein Sprungbrett in verschiedene Gesund­heits- und Pflegebereiche gebraucht hätte, sicherlich geholfen, aber auch das wurde von dieser Bundesregierung verschlafen. (Abg. Obernosterer: Na, na, na!)

In der Theorie, Herr Bundesminister, ist das Projekt Sprungbrett schön dargestellt. In der Praxis und in der Realität schaut es leider anders aus. Ich möchte Ihnen dazu ein Mail eines betroffenen 60-Jährigen aus Niederösterreich wiedergeben, dem ich versprochen habe, dass ich das tun werde – ich zitiere –: Sehr geehrter Herr Muchitsch! Ich vertraue auf Sie, dass Sie Herrn Kocher immer wieder ins Gewissen reden, damit die Verant­wortlichen in der ÖVP endlich einen realistischen Blick auf die derzeitige Arbeitsmarkt­situation bekommen. Es nützt nichts, dauernd gebetsmühlenartig zu sagen, dass man die Arbeitslosen wieder schnell in Beschäftigung bringen will, wenn einen die Unterneh­men aufgrund des Alters nicht mehr nehmen. Auch das AMS ist da chancenlos. Mein Betreuer macht sehr gute Arbeit, aber er ist auf verlorenem Posten, wenn die Unterneh­men aufgrund des Alters immer Nein sagen. (Zwischenruf des Abg. Obernosterer.)

Ich selbst bin 60 und bekomme einfach nichts mehr, trotz sehr guter Ausbildung. Mit meinem Arbeitslosengeld kann man nicht auskommen. Ich muss nach mehr als 35 Ar­beitsjahren jedes Monat auf mein jahrzehntelang Erspartes zurückgreifen, das eigentlich für die Pension gedacht gewesen wäre. Das Arbeitslosengeld gehört dringendst deutlich erhöht, und zwar stufenweise nach der Länge der Versicherungsdauer, und die Not­standshilfe der Höhe des Arbeitslosengeldes angeglichen. Man wird durch die dauern­den Absagen zermürbt, braucht schon ein festes Nervenkostüm, um daran nicht psy­chisch zu erkranken. – Zitatende.

Genau darum geht es, Herr Bundesminister, das ist die Realität. Aus diesem Grund möchte ich folgenden Antrag einbringen:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Josef Muchitsch, Kolleginnen und Kollegen betreffend „finanzielle Hilfe für Menschen, die schon lange arbeitslos sind“

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Der Bundesminister für Arbeit wird aufgefordert, unverzüglich zu handeln und die Rege­lung, wonach die Notstandshilfe in Höhe des zuvor geleisteten Arbeitslosengeldes zumindest vorerst bis zum 30. Juni 2022 ausbezahlt wird, dem Nationalrat zur Be­schlussfassung zuzuleiten.“

*****

Abschließend: Herr Bundesminister, wenn man helfen will, dann muss man dazu auch Maßnahmen setzen. Ich glaube, der Zeitpunkt ist da, die Pandemie wird uns wieder stär­ker einholen als je zuvor. Diese Menschen haben keine Chance, zu Jobs zu kommen, deshalb ist eine Angleichung der Notstandshilfe auf die Höhe des Arbeitslosengeldes mehr als sozial gerechtfertigt. Ich ersuche Sie, uns bei diesem Antrag mit Ihren Kollegen in Ihrer ÖVP zu unterstützen. (Beifall bei der SPÖ.)

11.28

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Muchitsch,

Genossinnen und Genossen

betreffend finanzielle Hilfe für Menschen, die schon lange arbeitslos sind

eingebracht im Zuge der Debatte zum Bericht des Budgetausschusses über die Regie­rungsvorlage (1034 d.B.): Bundesgesetz über die Bewilligung des Bundesvoranschlages für das Jahr 2022 (Bundesfinanzgesetz 2022 – BFG 2022) samt Anlagen (1157 d.B.) – UG 20 Arbeit

Vordergründig hat sich die Situation am Arbeitsmarkt entspannt, die Arbeitslosenzahlen sind fast auf Vorkrisenniveau gesunken. Schaut man aber genau hin, erkennt man, dass Menschen, die länger als ein Jahr arbeitslos sind, nach wie vor geringere Jobchancen haben.

Heute haben rund 115.000 Personen eine AMS-Geschäftsfalldauer von mehr als 365 Tagen und zusätzlich 45.000 solcher Arbeitsloser befinden sich in Schulungen. Das sind noch immer deutlich mehr, als vor Ausbruch der Pandemie. Die Krise hat das Risiko, dass sich bei vielen Personen die Arbeitslosigkeit verfestigt, erhöht.

Heute machen die Langzeitarbeitslosen unter den Gesamtarbeitslosen einen Anteil von mehr als 48 Prozent aus. Das bedeutet, jeder 2. Arbeitslose ist bereits länger als 12 Mo­nate arbeitslos oder in Schulung. 2019 lag der Anteil noch bei 32,7 Prozent!

Hinzu kommt, dass Langzeitbeschäftigungslose sehr häufig über 50 Jahre alt sind. In vielen Studien wurde bereits nachgewiesen, dass ältere Personen, die einmal arbeitslos werden, ein hohes Risiko haben, von Langzeitarbeitslosigkeit betroffen zu sein. Gleich­zeitig sinkt auch die Chance, wieder in eine dauerhafte Beschäftigung zu kommen.

Die Armutsgefährdung in dieser Gruppe steigt enorm.

Hinzukommt die extreme Teuerung der letzten Monate. Vom Einkaufen, übers Wohnen und das Heizen bis hin zum Autofahren – kurzum die wesentlichsten Bereiche des täg­lichen Lebens – sind mit exorbitanten Preissteigerungen konfrontiert. Der wöchentliche Einkauf ist um 6,8% teurer als im Vorjahr, das Benzin um 36% teurer, die monatliche Miete steigt sowieso um rund 3% und wenn man dann auch noch heizen und das Licht aufdrehen will, wird das um 16% mehr kosten, als im Vorjahr. Die starken Preisanstiege machen immer mehr Österreicher*innen schwer zu schaffen, aber vor allem auch Men­schen, die seit langer Zeit arbeitslos sind.

Die Regierung verabsäumt es auch, durch wirklich wirksame Beschäftigungsprojekte jetzt steuernd in den Arbeitsmarkt einzugreifen. Es muss den Betroffenen daher rasch zumindest finanziell geholfen werden.

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher nachfolgenden

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Der Bundesminister für Arbeit wird aufgefordert, unverzüglich zu handeln und die Rege­lung, wonach die Notstandshilfe in Höhe des zuvor geleisteten Arbeitslosengeldes zu­mindest vorerst bis zum 30. Juni 2022 ausbezahlt wird, dem Nationalrat zur Beschluss­fassung zuzuleiten.“

*****

Präsidentin Doris Bures: Der Entschließungsantrag ist ordnungsgemäß eingebracht und steht daher auch mit in Verhandlung.

Nächster Redner: Herr Abgeordneter Ernst Gödl. – Bitte.