16.19

Abgeordnete Dipl.-Ing. Karin Doppelbauer (NEOS): Herr Präsident! Herr Finanzmi­nister! Hohes Haus! Herr Minister Faßmann hat gestern in seiner Rede über das Schick­sal der Politiker gesprochen und darüber geklagt, dass man immer wieder dasselbe sa­gen muss. Ich muss dem heute leider wieder zustimmen. Auch ich muss nämlich wieder dasselbe sagen, was ich schon in den letzten Wochen zu diesem Budget und auch zu dieser Steuerreform gesagt habe: Es ist einfach keine Zukunft drinnen. Es steht zwar groß Zukunft oben drauf, aber davon ist in diesem Budget nichts zu finden. Warum? – Ich sage es noch einmal: Es gibt drei große Bereiche, die einfach nicht abgedeckt sind.

Es gibt nicht die notwendigen Strukturreformen. Der Schuldenrucksack, das ist mein zweiter Punkt, der da der nächsten Generation, den Jungen, umgehängt wird, der wächst weiter, ohne dass in diesem Budget irgendein Wille zu sehen ist, diesen auch wieder abzubauen. Es ist außerdem eine Steuerreform, die weder ökologisch ist noch die Men­schen ausreichend entlasten wird.

Kurz zu den Strukturreformen: Warum ist das so schlecht, dass die nicht endlich an­gegangen werden? Man muss das einfach auch einmal erklären: Weil es nämlich im Budget die Luft zum Atmen nimmt. Das heißt, immer mehr Geld wird für Bestehendes ausgegeben, zur Systemerhaltung ausgegeben, und das kann sich nur dann ändern, wenn die Strukturreformen – Pensionsreform, Sie wissen es alle, Föderalismusreform bis hin zu einer Bildungsreform – abgebildet werden.

Was jetzt noch dazukommt, ist, dass in dieser Pandemie einfach ein riesiger Schulden­berg aufgebaut worden ist. Manches ist zu Recht ausgegeben worden, aber wie auch schon meine Vorrednerin, Frau Tomaselli, gesagt hat, gibt es bisher nicht einmal eine Evaluierung der Wirtschaftshilfen. Ich habe dazu mehrmals Anträge eingebracht, die alle vertagt worden sind, und so kann man halt einfach kein Budget effizient führen.

Man hat den Eindruck: Hinter mir die Sintflut, sollen sich doch die Nächsten, also die nächste Generation, die, die kommen, um diesen Schuldenberg kümmern! – Und das ist ein Drama, meine Damen und Herren. Wir verlieren den Anschluss, weil so mutlos und so planlos und wirklich so schlecht gewirtschaftet wird. Dazu muss man sich nur die internationalen Rankings anschauen – und es ist egal, ob Sie da auf den Wirtschafts­standort schauen, egal, wohin Sie schauen –: Wir sind überall im Mittelfeld, im unteren Mittelfeld, und die Reise geht nach unten – und das ist dieser Vogel-Strauß-Politik ge­schuldet, die Sie hier betreiben.

Ich möchte auch noch auf die ökologische Steuerreform eingehen. Wie gesagt, sie ist weder ökologisch noch wird sie ausreichend entlasten. Warum entlastet sie nicht ausrei­chend? – Ein Hauptgrund, der hier angeführt werden muss, ist – und Sie wissen, was jetzt kommt, ich gebe Ihnen wieder einmal Gelegenheit, Ihr Wahlversprechen einzuhal­ten – die kalte Progression.

Deren Abschaffung hat nicht nur der Herr ehemalige Bundeskanzler im Wahlkampf versprochen, das hat auch Vizekanzler Kogler im Wahlkampf versprochen. Deswegen gebe ich Ihnen noch einmal die Möglichkeit, Ihre Wahlversprechen auch einzuhalten, und zwar mit dem folgenden Antrag:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Dipl.-Ing. Karin Doppelbauer, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Kalte Progression JETZT abschaffen!“

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung, insbesondere der Bundesminister für Finanzen, wird aufgefor­dert, dem Nationalrat umgehend eine Regierungsvorlage vorzulegen, die die Kalte Pro­gression abschafft, indem die Steuer-Tarifstufen des § 33 Abs. 1 EStG 1988 an die In­flation gekoppelt werden.“

*****

Wir hätten noch eine weitere Bitte, Herr Finanzminister, vielleicht können Sie dieser nachkommen. Das ist nicht ganz so schwierig, glaube ich. Wir sind ja eigentlich im Jahr 2021 und wir Parlamentarier hätten da eine ganz verwegene Bitte. Da geht es – und ich muss das vielleicht kurz erklären – um den Budgetziegel. Das wissen viele Menschen nicht: Am Vortag, bevor der Herr Finanzminister seine Budgetrede hält, be­kommen wir Parlamentarier das Budget zugeschickt. Das kommt aus dem Finanzminis­terium, 12 Kilo waren es heuer (mit den Händen einen Stapel in entsprechender Höhe andeutend), 12 Kilo und 3 400 Seiten. Warum weiß ich das so genau? – Weil wir es in Papierform kriegen. Sie könnten doch ein paar Bäumchen retten und uns das Nachrech­nen erleichtern, indem Sie uns einfach ein E-Mail schicken und das digital zur Verfügung stellen.

Deswegen ein weiterer Antrag von mir:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Dipl.-Ing. Karin Doppelbauer, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Digitale Budgetunterlagen“

Die Bundesregierung wolle beschließen:

„Die Bundesregierung, insbesondere der Bundesminister für Finanzen, wird aufgefor­dert, den Fraktionen den Entwurf zum jeweiligen Bundesfinanzgesetz inklusive Anlagen, den Entwurf zum Bundesfinanzrahmengesetz sowie den Budget- bzw. Strategiebericht am Vorabend der Budgetrede des Finanzministers im Nationalrat in digitaler Form zu übermitteln.“

*****

Last, not least komme ich noch zu einem dritten Punkt, auch ein ganz großer Wunsch und ein großes Anliegen von uns NEOS: Dabei geht es ums Climatebudgeting. Da gab es vor dem Sommer, im Frühjahr, im Umweltausschuss einen gemeinsamen Antrag, in dem es darum geht, dass man alle Aktionen, alles, was sozusagen umgesetzt wird, auch betreffend die Auswirkungen auf das Klima berechnet.

Das ist ein ganz, ganz wichtiges, ganz strategisches Thema, es sollte vor allem für die Grünen ein ganz strategisches Thema sein, möchte man meinen, weil es einfach darum geht: Alles, was man tut, hat budgetäre Auswirkungen, und das Climatebudgeting würde das eben integral berechnen und auch den jeweiligen UGs zuordnen.

Jetzt hat man sich darauf verständigt, alle haben das unterschrieben – Schwarz hat es unterschrieben, Grün hat es unterschrieben, wir haben es auch unterschrieben –, aber was ist passiert? – Nichts. Nichts ist passiert. Wir als Budgetsprecher haben uns bemüht, das auf den Weg zu bringen. Nicht nur ich, auch die anderen Budgetsprecher haben sich eigentlich darauf geeinigt, dass man sagt: Okay, im Umweltausschuss gibt es das, das heißt, wir müssten dieses Climatebudgeting jetzt auch wirklich aufstellen, und um es aufstellen zu können, braucht es natürlich Ressourcen, es braucht einen Platz, wo es angesiedelt ist. Den politischen Willen, so dachten wir, hätte es ja schon gegeben.

Das heißt, wir Budgetsprecher haben uns da gefunden, haben einen Vorschlag gemacht und versucht, das einzuordnen, haben das dem Budgetdienst zugeteilt und gesagt: Okay, der Budgetdienst, der sich ja generell schon um viele Anliegen hier kümmert, sollte einfach aufgestockt und mit zusätzlichen Ressourcen ausgestattet werden.

Das ist nicht passiert, obwohl es dazu sehr, sehr viele Meetings und auch sehr viel guten Willen von allen Seiten gegeben hat, aber aus irgendeinem Grund – und da spreche ich auch Sie an, Herr Präsident – hat man es nicht geschafft, die Ressourcen für den Bud­getdienst bereitzustellen, um dieses Climatebudgeting auf den Weg zu bringen.

Ich finde das als Parlamentarierin wirklich sehr schade. Es ist eine vertane Chance, dass da nichts gemacht worden ist. Ich bin, um ganz ehrlich zu sein, wütend, weil die Grünen auch nicht abgeliefert haben. Ich hätte mir wirklich gewünscht, dass wir uns alle im Sinne der Zukunft und der Berechnung der Kosten des Klimawandels in unserem Budget da­rauf verständigen könnten, einen gemeinsamen Beschluss in diesem Haus umzusetzen. Es ist nicht gelungen. Wir NEOS werden dranbleiben. – Vielen Dank. (Beifall bei den NEOS.)

16.26

Die Anträge haben folgenden Gesamtwortlaut:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Dipl.-Ing. Karin Doppelbauer, Mag. Gerald Loacker, Kolleginnen und Kollegen

betreffend Kalte Progression JETZT abschaffen!

eingebracht im Zuge der Debatte in der 129. Sitzung des Nationalrats über den Bericht des Budgetausschusses über TOP 4: Bundesgesetz über die Bewilligung des Bundes­voranschlages für das Jahr 2022 (Bundesfinanzgesetz 2022 - BFG 2022) (1157 d.B.) samt Anlagen – UG 16

Die versteckte Steuererhöhung

Die Kalte Progression, also die versteckte jährliche Steuererhöhung, entsteht, weil die Einkommen zwar Jahr für Jahr steigen, die Steuerstufen aber nicht an die Inflation an­gepasst werden. Somit erhöhen sich der Durchschnittssteuersatz und die Steuerschuld stärker als die Inflation. Die Kalte Progression betrifft also alle Lohnsteuerpflichtigen und, entgegen der gängigen Auffassung, nicht nur jene, die aufgrund der Inflationsabgeltung in die nächst höhere Steuerstufe rutschen. Wenn der Bruttolohn steigt, steigt auch der Durchschnittssteuersatz – jener Anteil des Einkommens, der an den Finanzminister geht, nimmt also zu. Sie entsteht, sobald das zu versteuernde Einkommen einer Person an die Inflation angepasst wird und in der Folge zumindest den ersten Grenzsteuersatz überschreitet.

Entlastung aufgehalten, versprochen und doch nicht umgesetzt

Die Bundesrechenabschlüsse der letzten Jahre zeichnen ein genaues Bild von der außergewöhnlich hohen Abgabenbelastung in Österreich. Dieser Antrag setzt daher ei­nen wichtigen Markstein für eine nachhaltige Entlastung der Steuerzahler_innen. Mehrfach haben sich Bundesregierungen an die Abschaffung der Kalten Progression versucht. Aktuell bekannt gewordene Akten zeigen auf, dass es bereits 2016 unter der Bundesre­gierung von Bundeskanzler Kern (SPÖ) und Vizekanzler Mitterlehner (ÖVP) Bestrebun­gen gab, die Kalte Progression abzuschaffen. Wie nun bekannt ist, intervenierten 2016 einzelne Mitglieder der Bundesregierung und deren Umfeld, wie der spätere Mitterleh­ner-Nachfolger und der damalige Generalsekretär im Finanzministerium Schmid, um diese wichtige Reform aufzuhalten. Vor der Nationalratswahl 2017 hatten sowohl ÖVP als auch FPÖ die Abschaffung der Kalten Progression angekündigt, vor der letzten Wahl 2019 versprachen dies dann alle Parteien ausdrücklich. Im ausverhandelten Regie­rungsprogramm der ÖVP und der Grünen fehlt wieder das volle Bekenntnis zum partei­übergreifenden Versprechen aus dem Wahlkampf 2019.

Selbst bezahlte Steuerreform statt versprochener Entlastung für Österreichs Steuer­zahler_innen

Am 3. Oktober 2021 präsentierte die Bundesregierung ihren Entwurf einer Steuerreform. Von der größten Entlastung der Steuerzahler_innen in der zweiten Republik war die Rede und dennoch hielt die Bundesregierung entgegen eigener Zusagen an der Kalten Progression fest. Der Effekt für das Budget ist nämlich zu bedeutsam. Pro Prozentpunkt Inflation fließen rund 250 Millionen Euro ins Budget, hat der ehemalige Finanzminister Hartwig Löger einmal vorgerechnet. In den letzten Jahren haben die Menschen in Ös­terreich sich die groß angekündigte Entlastung somit selbst finanziert. Nach Berechnun­gen von NEOS belaufen sich die Mehreinnahmen durch die Kalte Progression zwischen dem Jahr 2013 und 2023 auf rund 11,88 Milliarden Euro. Das Institut EcoAustria schätzt, dass die Kalte Progression ohne Steuerreform zwischen 2019 und 2025 zu einer zu­sätzlichen Steuerbelastung von insgesamt 19,5 Milliarden Euro führen würde. Anhand einzelner Beispiele lässt sich dies ebenfalls aufzeigen: Eine Beraterin in einer Kreativ­agentur mit einem Gehalt von 55.000 Jahresbrutto gab 2016-2021 insgesamt unbemerkt an den Finanzminister 1527 EUR ab und bekommt dafür im Jahr 2022 eine Entlastung von 325 EUR. Von der Entlastung bleibt ihr also nichts mehr übrig. Im Gegenteil: die Kalte Progression hat 1202 EUR mehr gekostet, als sie bei der Steuerreform 2022 wie­der zurückbekommt.

Abbildung 1 image2021-10-11_12-15-25.png

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Versprechen ernst nehmen und Kalte Progression abschaffen

Damit nicht jede Regierung aufs Neue die größte Steuerreform aller Zeiten beschließen muss, sollte endlich die Kalte Progression dauerhaft abgeschafft werden. Die Steuerstu­fen müssen daher automatisch mit der Inflation angehoben werden. Nur so können Entlastungsmaßnahmen eine nachhaltige Wirkung entfalten und Gehaltserhöhung wür­den in erster Linie jenen zugutekommen, die sich die Gehaltserhöhung mit ihrem Einsatz erarbeitet haben. Jetzt ist der Finanzminister der größte Profiteur, ohne dafür eine Mehr­leistung erbringen zu müssen. Bisher war die Möglichkeit, im regelmäßigen Abstand mit vermeintlichen Entlastungen prahlen zu können, für bisherige Bundesregierungen zu verlockend. Zuletzt sagte ÖVP-Parteiobmann Kurz eine Abschaffung für das Ende der Legislaturperiode zu. Angesichts der aktuell innenpolitisch instabilen Lage und der bereits im Wahlkampf 2019 von allen im Nationalrat vertretenen Parteien zugesagten Entlastung sollte diese dringende Reform vorgezogen und unverzüglich umgesetzt wer­den.

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgenden

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

"Die Bundesregierung, insbesondere der Bundesminister für Finanzen, wird aufgefor­dert, dem Nationalrat umgehend eine Regierungsvorlage vorzulegen, die die Kalte Pro­gression abschafft, indem die Steuer-Tarifstufen des § 33 Abs. 1 EStG 1988 an die In­flation gekoppelt werden."

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Entschließungsantrag

der Abgeordneten Dipl.-Ing. Karin Doppelbauer, Kolleginnen und Kollegen

betreffend Digitale Budgetunterlagen

eingebracht im Zuge der Debatte in der 129. Sitzung des Nationalrats über den Bericht des Budgetausschusses über TOP 4: Bundesgesetz über die Bewilligung des Bundes­zsamt Anlagen – UG 15

Entsprechend der parlamentarischen Gepflogenheiten erhalten die Fraktionen den Entwurf zum Bundesfinanzgesetz samt Anlagen, den Entwurf zum Bundesfinanzrah­mengesetz sowie den Budget- bzw. Strategiebericht in analoger Form am Vorabend der Budgetrede des Finanzministers im Nationalrat. Im Sinne des von der Bundesregierung angestrebten Vorantreibens der Digitalisierung der Bundesverwaltung und des Gesetz­gebungsprozesses sowie angesichts eines auch in Zukunft notwendigen, verbesserten Pandemie-Managements wäre es jedoch angebracht und sinnvoll, den Fraktionen die genannten Budgetunterlagen künftig nicht nur analog, sondern auch in digitaler Form zur Verfügung zu stellen.

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgenden

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

"Die Bundesregierung, insbesondere der Bundesminister für Finanzen, wird aufgefor­dert, den Fraktionen den Entwurf zum jeweiligen Bundesfinanzgesetz inklusive Anlagen, den Entwurf zum Bundesfinanzrahmengesetz sowie den Budget- bzw. Strategiebericht am Vorabend der Budgetrede des Finanzministers im Nationalrat in digitaler Form zu übermitteln."

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Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Beide Anträge sind ausreichend unterstützt, ord­nungsgemäß eingebracht und stehen somit in Verhandlung.

Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Hanger. – Bitte sehr.