10.06

Abgeordnete Mag. Meri Disoski (Grüne): Herr Präsident! Frau Ministerin! Werte Kolle­ginnen und Kollegen! Liebe Zuseherinnen und Zuseher! Ja, Österreich hat ein massives Problem mit Männergewalt. Wir kennen die Zahlen. Hinter diesen Zahlen verbergen sich Mädchen, Frauen, Menschen. Jedes fünfte Mädchen, jede fünfte Frau erfährt ab ihrem 16. Lebensjahr psychische, physische oder sexuelle Gewalt. 26 Frauen sind heuer schon von Männern getötet worden, zumeist von ihrem Partner oder vom Ex-Partner. 26 Mal haben Frauen ihr Leben verloren, weil ein Mann es so entschieden hat, und 44 Femizidversuche hat es gegeben, 44 Mal haben Frauen einen Femizidversuch über­lebt.

Dieses Ausmaß an Männergewalt ist nicht nur erschütternd und unerträglich, es unter­streicht auch den wirklich dringenden Bedarf, die Bemühungen im Opferschutz, im Ge­waltschutz und in der Gewaltprävention zu verstärken. Es ist ein Handlungsauftrag für uns, die wir politisch verantwortlich sind – und wir handeln! Ich habe es an dieser Stelle schon mehrfach ausgeführt: Die Bundesregierung hat in den vergangenen zwei Jahren eine Vielzahl an längst überfälligen Maßnahmen, die von OpferschutzexpertInnen und von GewaltschutzexpertInnen seit Langem gefordert werden, umgesetzt. Die meisten dieser Maßnahmen finden wir auch in den Anträgen der KollegInnen von der SPÖ, die wir gerade debattieren.

Am dringendsten war für uns natürlich die substanzielle Erhöhung des Budgets des Frauenministeriums. Wieso war uns das so wichtig? Ich darf in Erinnerung rufen: Von 2009 bis 2019 lag dieses Budget bei ungefähr 10 Millionen Euro. Aus diesem Budget werden zentrale Gewaltschutzmaßnahmen finanziert. Die Rufe der Gewaltschutz­organi­sationen verhallten zehn Jahre lang, ein Jahrzehnt hindurch, ungehört. Diese Zeiten sind jetzt vorbei. Zum bereits dritten Mal in Folge haben wir das Frauenbudget erhöht, um insgesamt 81 Prozent auf 18,4 Millionen Euro. (Beifall bei den Grünen und bei Abge­ordneten der ÖVP.)

Auch in anderen Ressorts haben wir die Mittel für den Gewaltschutz erhöht, nämlich mit einem Gewaltschutzpaket. In Summe hat das eine Höhe von 24,6 Millionen Euro. Verabschiedet hat es die Bundesregierung im Mai. Aus dem Mai dieses Jahres stammen auch die Anträge, in denen die KollegInnen von der SPÖ 5 Millionen Euro für den Ge­waltschutz fordern. Das von der Bundesregierung geschnürte Paket umfasst die fünf­fache Summe.

Was die KollegInnen in ihren Anträgen richtigerweise noch vorgeschlagen haben, ist die Stärkung der Prozessbegleitung. Justizministerin Alma Zadić hat deshalb auch schon im Vorfeld dafür Sorge getragen, die psychosoziale und die juristische Prozessbegleitung nicht nur finanziell zu stärken, sondern auch auszuweiten. Bislang war es ja so, dass Kinder und Jugendliche, die ZeugInnen von häuslicher Gewalt geworden sind, von die­ser juristischen und psychosozialen Prozessbegleitung ausgeschlossen waren. Das haben wir für diese stummen Zeuginnen und Zeugen von Gewalt geändert, die oft durch die Erlebnisse, die sie erfahren, für Jahre oder oft für ihr ganzes Leben traumatisiert werden. Wir haben dafür Sorge getragen, dass sie künftig auch diese juristische und psychosoziale Prozessbegleitung in Anspruch nehmen können. OpferschützerInnen sprechen da von einem Meilenstein im Opferschutz. (Beifall bei den Grünen.)

Was wir noch umgesetzt haben – die KollegInnen fordern das in ihrem Antrag ebenso –, ist der Ausbau von Antigewalttrainings, eine Kampagne gegen Männergewalt ist in Vor­bereitung. Diese hat Gesundheits- und Sozialminister Mückstein gemeinsam mit Opfer­schutzexpertInnen konzipiert, sie wird in Bälde vorgestellt. Außerdem hat der Innen­minister die opferschutzorientierte Täterarbeit, die ebenfalls von vielen Expertinnen und Experten seit Jahren gefordert wird, in Angriff genommen und setzt sie um. Und weil Sie in Ihren Anträgen auch explizit die Umsetzung der Istanbulkonvention ansprechen, KollegInnen von der SPÖ: Mit all diesen Maßnahmen, die wir umgesetzt haben, und mit vielen anderen, die ich jetzt nicht ausführen kann, trägt die Bundesregierung selbst­verständlich zur Umsetzung der Istanbulkonvention bei, weil sich Österreich dazu ver­pflichtet hat.

Wo wir uns einig sind – eigentlich in vielem –, ist insbesondere auch bei dem Hand­lungsbedarf, den Sie benannt haben. Auch ich orte dringenden Handlungsbedarf bei den Hochrisikofallkonferenzen. Das ist ein etabliertes Tool, das war ein etabliertes Tool im Gewaltschutz. Die türkis-blaue Bundesregierung, konkret der damalige Innenminister Herbert Kickl, hat dieses Tool abgeschafft – ein fataler Fehler. Unisono haben uns schon damals alle Expertinnen und Experten gesagt: Bitte macht das nicht! Das ist ein bewährtes Tool zur Gefährlichkeitseinschätzung durch Polizei und Justiz gemeinsam mit den Opferschutzorganisationen, ein Tool, das Frauenleben retten kann. – Herbert Kickl hat es trotzdem abgeschafft.

Wir führen es jetzt wieder ein und das ist gut so. Das ist aber noch nicht gut genug, weil uns die Opferschutzeinrichtungen melden – und ich teile deren Kritik –, dass die Zahl der einberufenen Fallkonferenzen österreichweit noch nicht ausreicht. Wir haben das mit dem Innenministerium besprochen, und der Innenminister ist hier in der Pflicht, dafür Sorge zu tragen, dass diese Zahl erhöht wird.

Ich komme zum Schluss: Ich bin mir sicher, dass es vielleicht schon eine fertige Grafik von kontrast.at, dem Onlinemedium das SPÖ-Parlamentsklubs, gibt, eine Grafik, die skandalisiert, dass die Regierungsparteien diesen beiden Anträgen, die wir heute hier debattieren, nicht zugestimmt haben. Und das Fazit, das dann daraus gezogen wird, ist: Bundesregierung lehnt Maßnahmen im Gewaltschutz ab. – Das ist natürlich nicht der Fall. Ich möchte hier ausdrücklich festhalten, wenn wir diesen beiden Anträgen die Zu­stimmung nicht erteilen, dann tun wir das tatsächlich aus einem Grund: Die Maßnahmen, die in diesen Anträgen vorgeschlagen werden, sind schon umgesetzt oder befinden sich in Umsetzung.

Wir müssen und wir werden natürlich weiterhin alles tun, was wir können, um den Gewaltschutz, die Gewaltprävention und den Opferschutz weiter auszubauen und weiter zu stärken, weil jedes Mädchen, jede Frau ein Recht auf ein gewaltfreies Leben hat. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

10.12

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordnete Brandstötter. – Bitte.