12.32

Abgeordnete Nurten Yılmaz (SPÖ): Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Bundes­minister! Werte Kolleginnen und Kollegen! Wenn Sie heute eine Stunde Ethikunterricht vorbereiten müssten, was wären die Themen, die man besprechen könnte? – Wahr­scheinlich die Pandemie, das Verhältnis von Rechten zueinander, das Recht auf Ge­sundheit und wie einzelne Grundrechte temporär auch eingeschränkt werden können, um die öffentliche Gesundheit zu sichern. Man würde über Rechte und Pflichten und über unsere Verfassung sprechen.

Was macht diese Ausnahmesituation mit uns selbst? Wie verschiebt sich das Verhältnis zwischen dem Einzelnen und der Gesellschaft? Was verändert sich? Was macht diese körperliche Distanz auch mit der psychischen Gesundheit? Wie verschieben sich Wahr­nehmungen, welche Werte haben sich vielleicht in der Pandemie verschoben? Was ist uns jetzt wichtiger als davor? Welche Form der Arbeit ist plötzlich relevanter? Was ist nicht mehr so wichtig?

Über all das sollen unsere Jugendlichen diskutieren, und genau deshalb braucht es auch einen Ethikunterricht. Das sind Themen, die nicht nur jene Kinder und Jugendlichen interessieren, die sich vom Religionsunterricht abgemeldet haben – sie betreffen alle Schülerinnen und Schüler in der Unterstufe, aber auch Berufsschülerinnen und Berufs­schüler sowie Schülerinnen und Schüler in polytechnischen Schulen.

Wir als SPÖ, werte Kolleginnen und Kollegen, sagen klar und deutlich: Es braucht daher einen Ethikunterricht für alle und nicht nur für jene, die sich gegen den Religions­unter­richt entschieden haben! (Beifall bei der SPÖ sowie der Abgeordneten Künsberg Sarre und Loacker.)

Ich habe deshalb das Volksbegehren auch unterschrieben. – Herr Bundesminister, haben Sie das Volksbegehren unterstützt? (Bundesminister Polaschek schüttelt den Kopf.) – Nein, okay. Mit der aktuellen Regelung – Ethik nur für Abmelder vom Religions­unterricht – entwerten Sie eigentlich auch das neue Fach.

Mit dieser Regelung unterminieren Sie außerdem einen zentralen Anspruch des Faches, nämlich gemeinsam über das Verhältnis zwischen Gesellschaft und Individuum nachzu­denken. Die Betonung liegt dabei auf gemeinsam, denn das geht nur in der Klassen­gemeinschaft, wenn die gesamte Klasse in ihrer Bandbreite und Pluralität diskutiert, nicht nur die Atheisten beziehungsweise jene, die sich vom Religionsunterricht abgemeldet haben. Ethik betrifft nämlich alle.

Ich hoffe trotzdem, dass ich bei Ihnen auf offene Ohren stoße, Herr Bundesminister Polaschek, denn es ist nicht dasselbe, ob man einen Religionsunterricht oder einen Ethikunterricht besucht. Es ist nicht dasselbe, ob man von der Klassengemeinschaft getrennt wird oder gemeinsam lernt. Es ist nicht dasselbe, ob man von religiöser Ethik spricht oder in einem pluralen Raum der verschiedenen Weltanschauungen eine Dis­kussion darüber zulässt.

Wir wollen nicht, dass Kinder und Jugendliche getrennt werden, egal ob in der Klasse oder sonst irgendwo. Unsere Gesellschaft ist eine vielfältige, bunte und plurale: Wir leben zusammen in Österreich, haben unterschiedliche Herkunft und Religions­bekennt­nisse. Ich sehe das als Chance, aber auch als Herausforderung: Wir können voneinan­der lernen, müssen aber auch lernen, mit dieser Vielfalt umzugehen, das ist zentral für Integration und Zusammenhalt. Sehr geehrte Damen und Herren, genau in diese Kerbe schlägt auch das Volksbegehren Ethik für alle, deshalb unterstützen wir dieses auch. – Vielen Dank. (Beifall bei der SPÖ sowie der Abg. Künsberg Sarre.)

12.37

Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Rudolf Taschner. – Bitte.