11.05

Abgeordnete Dr. Susanne Fürst (FPÖ): Herr Vorsitzender! Sehr geehrter Herr Minis­ter! Sehr geehrte Damen und Herren! Wir diskutieren nun unter diesem Tagesordnungs­punkt eine Novelle zum Verwaltungsvollstreckungsgesetz, mit der die sogenannte Beu­gehaft wieder eingeführt wird. Diese Reparatur wurde notwendig, weil der Verfassungs­gerichtshof das Instrument der Beugehaft aufgrund verschiedener Unregelmäßigkeiten aufgehoben hatte. (Präsidentin Bures übernimmt den Vorsitz.)

Das Rechtsinstrument der Beugehaft ist grundsätzlich sinnvoll. Es dient der Durchset­zung staatlicher Entscheidungen, mit denen dem Bescheidadressaten eine Handlungs­verpflichtung auferlegt wird. Hauptanwendungsbereich der Beugehaft wäre das Asyl- und Fremdenrecht. Wir wissen: An negative Asylentscheidungen knüpft sich eine Aus­reiseverpflichtung dieser Personen. Sie müssten das Land verlassen. Tun sie das nicht, dann sollten sie in Beugehaft genommen werden, bis sie bereit sind, auszureisen. Ich verwende die Möglichkeitsform, denn wir wissen: Das ist die Theorie. Es befinden sich unzählige Ausreisepflichtige unter uns, sie bewegen sich völlig frei, werden mit einer Beugehaft nicht behelligt und können mit aller Milde rechnen.

Nun erhält aber die Wiedereinführung der Beugehaft mit 1.1.2022 besondere Brisanz, weil einen Monat später, am 1. Februar 2022, die geplante Impfpflicht in Kraft tritt. Dabei geht es ebenso um eine vorzunehmende Handlung der Bescheidadressaten, nämlich um die Vornahme der Impfung. Während allerdings die Ausreiseverpflichteten mit aller erdenklichen Milde rechnen können beziehungsweise behandelt werden, ist das bei den ungeimpften Personen nach den bisherigen Erfahrungen natürlich nicht der Fall. Dies­falls ist dann plötzlich jede Härte angebracht.

Nun wird zwar allseits – auch von Verfassungsministerin Edtstadler – betont, dass es keine Haft zur Durchsetzung der Impfpflicht geben soll. Dies ist allerdings nur richtig, was die Ersatzfreiheitsstrafe betrifft – diese greift, wenn Geldstrafen für die Nichterfül­lung der Impfpflicht nicht aufgebracht werden können. Was nicht dazugesagt wird, ist, dass dieser Ausschluss nicht für die Beugehaft gilt; das ist nämlich ein anderes Rechts­instrument. Das heißt: Entgegen allen Beteuerungen wurde die mögliche Anwendung der Beugehaft, also die Inhaftierung einer ungeimpften Person bis die Impfung vorge­nommen wird, bisher nicht ausgeschlossen.

Man könnte allerdings ganz einfach sowohl im vorliegenden Entwurf zum Verwaltungs­vollstreckungsgesetz als auch im Entwurf zum Impfpflichtgesetz eine ausdrückliche gesetzliche Ausnahme vorsehen. Das hat man aber in beiden Gesetzen entgegen an­derslautenden Beteuerungen nicht getan. Es wird lediglich in den Erläuterungen zum Impfpflichtgesetz darauf hingewiesen, dass die Anwendung unmittelbarer Befehls- und Zwangsgewalt ausgeschlossen ist. Davon kann man sich aber nichts kaufen. Wir wissen, Ausführungen in den Erläuterungen können oder sollen bei der Interpretation von Geset­zestexten Anwendung finden, sie sind aber nicht verbindlich.

Und auch davon, dass Verfassungsministerin Edtstadler im Ausschuss beteuert hat, dass man die Menschen ja nicht einsperren, sondern zum Impfen bringen will und dass es einen breiten politischen Konsens gebe, dass keine Beugehaft greifen soll, können sich die ungeimpften Menschen relativ wenig kaufen, denn es gab ja auch einen breiten politischen Konsens, dass keine Impfpflicht kommt. Das heißt, der derzeitige Status, die Anwendung der Beugehaft bei der Durchsetzung der Impfpflicht ist möglich. Das gilt etwa, wenn mehrmals die Geldstrafe bezahlt wird, sich Personen aber weigern, sich impfen zu lassen. Dann wird das greifen – das ist meine Vorhersage –, nämlich in ein paar Monaten, nicht heute, nicht morgen, aber eventuell in einem halben Jahr. Da die Bundesregierung ja nicht das Geringste tut, um das Gesundheitssystem zu stärken, sondern, ganz im Gegenteil, auf das Personal vor allem auch durch die Impfpflicht Druck ausgeübt wird, wird es dort immer enger werden, und der Notstand kann dann immer weiter ausgedehnt werden. Und dann wird es heißen: Ja, wir wollen das nicht, wir wollten das nie, die Verhängung der Beugehaft tut uns jetzt wirklich geradezu weh, aber zum Schutz der Menschen, zum Schutz der Gesundheit, insbesondere zum Schutz der Un­geimpften, müssen wir Sie jetzt in Beugehaft nehmen!

Ich bringe daher einen Abänderungsantrag ein, mit dem man das ganz einfach aus­schließen könnte – dann brauchen wir keine Beteuerungen und keine solchen Aussa­gen, man kann damit ganz einfach klarstellen, dass die Anwendung der Beugehaft ge­setzlich ausgeschlossen ist, was ja offensichtlich politischer Konsens ist; man bräuchte nur diesen Antrag anzunehmen –, er lautet:

Abänderungsantrag

der Abgeordneten Dr. Susanne Fürst, Kolleginnen und Kollegen

zum Bericht des Verfassungsausschusses über die Regierungsvorlage (1176 d.B.): Bun­desgesetz, mit dem das Verwaltungsvollstreckungsgesetz 1991 geändert wird (1221 d.B.) (TOP 5)

Der Nationalrat wolle in 2. Lesung beschließen:

Der dem obenstehenden Bericht angeschlossene Gesetzesantrag wird wie folgt ge­ändert:

Nach Z 1 wird folgende Z 1a eingefügt:

1a. § 5 Abs. 1a lautet:

„(1a) Niemand darf mittels Zwangs- oder Beugestrafen zu Duldungen, Unterlassungen und unvertretbaren Handlungen in Zusammenhang mit einer COVID-19-Impfpflicht ver­pflichtet werden.“

*****

Danke. (Beifall bei der FPÖ.)

11.11

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Abänderungsantrag

§ 53 Abs 3 GOG-NR

der Abgeordneten Dr. Fürst  

und weiterer Abgeordneter

zum Bericht des Verfassungsausschusses über die Regierungsvorlage (1176 d.B.): Bun­desgesetz, mit dem das Verwaltungsvollstreckungsgesetz 1991 geändert wird (1221 d.B.) (TOP 5)

Der Nationalrat wolle in 2. Lesung beschließen:

Der dem obenstehenden Bericht angeschlossene Gesetzesantrag wird wie folgt ge­ändert:

Nach Z 1 wird folgende Z 1a eingefügt:

1a. § 5 Abs. 1a lautet:

„(1a) Niemand darf mittels Zwangs- oder Beugestrafen zu Duldungen, Unterlassungen und unvertretbaren Handlungen in Zusammenhang mit einer COVID-19-Impfpflicht ver­pflichtet werden.“

Begründung

Seit Beginn der Corona-Krise im Frühjahr 2020 sehen sich die Österreicherinnen und Österreicher mit Einschränkungen ihrer Grund- und Freiheitsrechte konfrontiert: Lock­downs, Ausgangssperren, Demonstrationsverbote, Kontaktbeschränkungen, Masken­pflicht, Zutrittsbeschränkungen, Testpflicht und bereits heute eine mehr als nur indirekte Impfpflicht sind jene Instrumente, die von der Bundesregierung seit nunmehr beinahe zwei Jahren in Stellung gebracht werden, um das Land – eigenen Angaben zufolge – sicher durch die Pandemie zu bringen.

Das Ergebnis sieht leider anders aus: Die Maßnahmen im Vorjahr hatten einen beinahe irreparablen Schaden für die Wirtschaft des Landes zur Folge. Die Zahl der Menschen in Arbeitslosigkeit und Kurzarbeit stieg auf knapp eine Million an. Firmenpleiten und zer­störte Existenzen von Klein- und Mittelunternehmern standen an der Tagesordnung. Ge­sundheitliche Kollateralschäden und ein rasanter Anstieg an Patienten in der Kinder- und Jugendpsychiatrie aufgrund von Heimunterricht und Lockdown sind die Folge der Coro­na-Politik der türkis-grünen Bundesregierung, die trotz alledem immer noch behauptet, dass Österreich „besser durch die Corona-Pandemie“ gekommen sei als viele andere Länder.

Ebenso behauptet die Bundesregierung, dass mit dem angekündigten Bundesgesetz über die Impfpflicht gegen COVID-19 keine Beugehaft einhergehen würde:

- „Es wird keine Beugehaft geben für Menschen, die sich nicht impfen lassen.“1 – Ge­sundheitsminister Wolfgang Mückstein (Grüne) am 6.12.2021

- „[…] zur Beugehaft: Das ist ausgeschlossen. Das wird ausgeschlossen bleiben.“2 – Verfassungsministerin Karoline Edtstadler (ÖVP) am 7.12.2021

Im Gesetzestext des Ministerialentwurfs betreffend ein Bundesgesetz über die Impf­pflicht gegen COVID-19 (COVID-19-Impfpflichtgesetz – COVID-19-IG)3, welcher dem Nationalrat am 9.12.2021 zugeleitet wurde, wurden Beugestrafen jedoch entgegen der vorangegangenen Beteuerungen nicht dezidiert ausgeschlossen.

Das Verfahren der Rechtsverwirklichung (Vollziehung) ist im Wesentlichen dadurch ge­kennzeichnet, dass es in einer gewissen Stufenfolge abläuft und letztlich in einem Zwangsakt münden kann. Typischerweise ergeht aufgrund einer generellen Norm, z. B. dem COVID-19-Impfpflichtgesetz, eine individuelle Norm, z. B. eine Strafverfügung gem. § 8 Entwurf-COVID-19-IG. Wird gegen diese Strafverfügung Einspruch erhoben, leitet die Behörde ein ordentliches Verwaltungsstrafverfahren ein, welches mit einem Be­scheid (Straferkenntnis oder Einstellung) endet. Wird ein solches Straferkenntnis – eine individuelle Norm mit festgelegter Verpflichtung – nicht befolgt, ist sie zwangsweise durch behördliche Organe in die Wirklichkeit umzusetzen. Der Bescheid wird vollstreckt.

Zwar heißt es in § 1 (3): „Die Schutzimpfung darf nicht durch Ausübung unmittelbarer Befehls- und Zwangsgewalt durchgesetzt werden“, die Anwendbarkeit des § 5 Verwal­tungsvollstreckungsgesetz und somit auch der Beugehaft wird damit jedoch keines­wegs ausgeschlossen. Unmittelbare Befehls- und Zwangsgewalt ist im Entwurf zum COVID-19-IG schlichtweg nicht vorgesehen, sondern ein ordentliches Verwaltungsstraf­verfahren. Vollstreckungshandlungen, die aufgrund einer Vollstreckungsverfügung in Folge eines Straferkenntnisses gesetzt werden, stellen keine Akte der ausgeschlosse­nen unmittelbarer behördlicher Befehls- und Zwangsgewalt dar. Solche lägen nur vor, wenn auf Grund einer generellen Norm, ohne Durchführung eines förmlichen Verfah­rens, die zwangsweise Herbeiführung eines normgerechten Zustandes erfolgen würde. Beim Strafverfahren gegen ungeimpfte Österreicherinnen und Österreicher gem. § 8 Entwurf-COVID-19-Impfpflichtgesetz iVm §§ 48 und 49 des Verwaltungsstrafgeset­zes 1991 (VStG) ist die Beugehaft – entgegen der Beteuerungen der Bundesminister Mückstein und Edtstadler – zulässig.

Zwar wird in den Erläuterungen festgehalten: „Die Durchführung einer Schutzimpfung gegen COVID-19 kann auch nicht im Wege einer ‚Beugestrafe‘ erzwungen werden“; im Gesetzestext des Ministerialentwurfs betreffend dem Bundesgesetz über die Impfpflicht gegen COVID-19 (COVID-19-Impfpflichtgesetz) fehlt jedoch eine Norm, auf die sich dieser erläuternde Satz beziehen könnte. Wie zu Beginn der Pandemie steht der Vorwurf von Fake Laws4 im Raum, denn abermals werden Regierungswünsche als bald gelten­des Recht hingestellt.

1     https://kurier.at/politik/inland/mueckstein-schliesst-beugehaft-fuer-ungeimpfte-aus/401832097

2     https://tvthek.orf.at/profile/Report/11523134/Report/14115993, ab 39:04

3     https://www.parlament.gv.at/PAKT/VHG/XXVll/ME/ME_00164/index.shtml

4     https://www.diepresse.com/5802439/fake-laws-regierungswunsche-als-geltendes-recht-hingestellt

*****

Präsidentin Doris Bures: Der Abänderungsantrag ist ordnungsgemäß eingebracht und steht daher auch mit in Verhandlung.

Nächster Redner: Herr Abgeordneter Friedrich Ofenauer. – Bitte.