18.16

Abgeordneter Dr. Harald Troch (SPÖ): Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Der Nationalrat beschäftigt sich heute mit dem Thema Sterben, und es gibt wohl kein endgültigeres und kein ernsthafteres Thema als Sterben. Es geht da um dauerhaf­tes, schweres Leiden. Es geht um unheilbare Krankheiten. Es geht um todgeweihte Men­schen.

Ärzte, Angehörige, Familien, Juristen haben sich da natürlich intensivst damit beschäf­tigt – vor allem aber auch todgeweihte Menschen selbst. Faktum ist, dass todgeweihte Menschen über viele, viele Jahrhunderte in ihrer Verzweiflung, in ihrem Leiden alleinge­lassen wurden, und ich möchte dieser Verzweiflung durchaus auch ein Gesicht geben: Der österreichische Liedermacher Ludwig Hirsch hat sich im Laufe einer unheilbaren und schweren Lungenerkrankung aus dem zweiten Stock seines Spitals gestürzt. Ich sage: Das darf doch nicht sein, dass so etwas – die Zerstörung seines Körpers – der einzige Ausweg für einen Menschen ist!

Hier in Österreich aber wurden – um es geschichtlich zu sehen – todgeweihte Menschen über Jahrhunderte in ihrer Verzweiflung, in ihrem Leiden alleingelassen, geächtet, selbst Menschen nach ihrem Tod noch geächtet. Auf christlichen Friedhöfen wurde die Bestat­tung verweigert. Die Familien wurden eigentlich mit Schande und nach dem Tod noch bestraft, wenn der Familienangehörige nicht in der geweihten Erde eines Friedhofs be­stattet werden durfte.

Für die SPÖ ist ein Grund, da zuzustimmen, weil wir ein klares Ja zu einem humanen Leben, einem Leben möglichst ohne existenzielle Angst, einem Leben möglichst ohne existenzielle Leiden sagen. Was für das Leben gilt, muss nach Ansicht der SPÖ auch für den Tod gelten. Auch im Tod sollen Leiden und Angst nach Möglichkeit minimiert oder verhindert werden.

Daher dieser Raum, diese Matrix von vier Aspekten: nämlich die Lebenserhaltung – da bin ich ganz bei Ihnen, Kollegin Steinacker: Ja zur Lebenserhaltung –, aber auch Ja zur Menschenwürde, ein klares Ja zur Selbstbestimmung auch in der Frage des Todes – das sind ja Menschenrechtsaspekte –, aber auch dazu, dass der Beistand zum Sterben dieser Menschen, worum es da eben auch geht, entkriminalisiert wird. (Beifall bei SPÖ und Grünen.)

Diese Grauzone des Sterbens, die Kriminalisierung von Ärzten und Angehörigen, war ja ein Zustand, von dem eben auch der Verfassungsgerichtshof gesagt hat: Da muss ge­handelt werden! De facto hat es sich Österreich nicht leicht gemacht, denn die drei Staatsgewalten, die ja getrennt sind – das ist die Regierung in Form des Justizministe­riums, der Verfassungsgerichtshof, aber auch das Parlament –, sind da einen gemeinsa­men Weg gegangen.

Ich möchte mich auch bei unserer Justizsprecherin Selma Yildirim, die sich in dieses Thema sehr, sehr massiv eingearbeitet und eingebracht hat, sehr herzlich bedanken. (Beifall bei der SPÖ.)

Um die Wahrheit anzusprechen: Es gibt auch ein Menschenrecht auf einen unversehrten Körper im Tod. Das heißt, es muss verhindert werden, dass Menschen über die Selbst­opferung und völlige Zerstörung ihrer Körper Erlösung suchen und in den Tod gehen. Das sollten wir auch den Angehörigen und Familien ersparen.

In einem Land, wo Töten aus politischen Gründen erfolgte – das 20. Jahrhundert ist ja auch ein Jahrhundert der Gewalt gewesen –, gibt es natürlich auch Bedenken. Das Ge­setz ist jetzt ein erster Weg. Ich begrüße sehr den Ausbau der Palliativmedizin, der Hospiz. Das hat natürlich Vorrang, aber es geht ja darum, nicht das Leben zu verkürzen, sondern es geht darum, das Sterben zu verkürzen. – Danke. (Beifall bei der SPÖ sowie der Abgeordneten Loacker und Brandstätter.)

18.20

Präsidentin Doris Bures: Zu Wort gelangt nun Frau Abgeordnete Gudrun Kugler. – Bitte.