9.08

Abgeordneter Mag. Michael Hammer (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bun­desminister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren! Ja, wir befassen uns in dieser Aktuellen Stunde mit einem aktuellen und wichtigen Thema, nämlich den Herausforderungen am Arbeitsmarkt. Ich glaube, es ist gerade jetzt die Zeit, sich mit diesem Thema zu beschäftigen, wenngleich die Entwicklungen in der Ukraine natürlich auch hohe Aktualität besitzen. Mit diesem Thema werden wir uns aber in den nächsten Tagen noch intensiv beschäftigen, auch morgen im Rahmen der Plenarsit­zung.

Die Aktualität dieser Aktuellen Stunde zum Thema Arbeitsmarkt ergibt sich aber erfreu­licherweise nicht aus der Situation, dass wir eine zu hohe Arbeitslosigkeit haben – auch diese Zeiten gab es –, sondern die Situation am Arbeitsmarkt ist im Gegenteil sehr, sehr gut. Der Titel der Aktuellen Stunde würde sogar dazu verleiten, zu sagen, die Situation ist hervorragend.

Das heißt aber nicht, dass wir nicht weiterhin um jeden Arbeitsplatz kämpfen, denn jede und jeder Arbeitslose ist eine oder einer zu viel. Wir müssen uns bemühen, für jeden Menschen eine Arbeitsstelle entsprechend sicherzustellen.

Wenn man sich die geopolitischen Entwicklungen anschaut, gerade in der Ukraine, dann sieht man, es ist nicht gottgegeben, dass die Situation am Arbeitsmarkt so positiv ist. Es können Spannungen auch das Wirtschaftssystem betreffen, wodurch wir dann in Zukunft auch wieder Druck auf dem Arbeitsmarkt verspüren werden. Derzeit ist die Situation am Arbeitsmarkt aber wie gesagt sehr, sehr gut.

Wir haben schon längere Zeit auch in Österreich das Thema des Arbeitskräftemangels – vor allem des Fachkräftemangels, aber wenn man sich jetzt die Situation in den Be­trieben anschaut, dann sieht man, wir haben derzeit auch einen Arbeitskräftemangel. Das betrifft nicht nur die private Wirtschaft, sondern etwa im Dienstleistungsbereich – ich bin selber als Bürgermeister in einer Gemeinde tätig – spüren wir auch im öffentlichen Dienst, dass wir einen Arbeitskräftebedarf haben.

Die aktuelle positive Situation am Arbeitsmarkt – das möchte ich schon hervor­streichen – verdanken wir aber der wirklich positiven Einstellung der Österreicherinnen und Öster­reicher in den letzten Monaten der Pandemie. Es ist uns gemeinsam gelungen, den österreichischen Arbeitsmarkt und den Wirtschaftsmotor wieder in Schwung zu bringen. Ein wesentlicher Faktor dabei waren natürlich die staatlichen Wirtschaftsförderungen – ob das die Coronakurzarbeit war, der Ausfallsbonus, der Härtefallfonds oder die vielen anderen Unterstützungsmaßnahmen, mit denen wir es geschafft haben, Hunderttau­sende Arbeitsplätze in unserem Land zu sichern und auch neu zu schaffen. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

Ich darf aber vor allem auch den Unternehmerinnen und Unternehmern danken, die diese Zeit mit Zuversicht und Optimismus gemanagt, ihre Betriebe durch unsichere und schwierige Zeiten geführt und mit ihrem Engagement Wirtschaftswachstum und Beschäftigung sichergestellt haben. Gleichzeitig danke ich auch den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, die diese schwierigen Zeiten auf sich genommen, diese Zeiten zuver­sichtlich überstanden haben. Alle gemeinsam haben dazu beigetragen, Wirtschafts­wachstum zu generieren und Arbeitsplätze sicherzustellen. Wenn am 5. März weitere Öffnungen kommen werden – man spürt es schon, vor allem im Tourismus und in anderen Branchen –, bringt das einen weiteren Boost für unser Wirtschaftssystem, für unser Wirtschaftswachstum und auch für Arbeitsplätze.

Festzuhalten ist: Österreich ist besser durch die Krise gekommen als viele andere Länder, und ich glaube, darauf sollten wir in Zeiten wie diesen, in denen vieles kritisiert wird, auch einmal stolz sein, wir sollten froh darüber sein. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

Zu den Zahlen im Detail: Derzeit sind – der Herr Bundesminister hat gestern die Zahlen präsentiert – 380 000 Menschen arbeitslos gemeldet oder in Schulungen. (Zwischenruf der Abg. Belakowitsch.) Wenn ich zum Beispiel mein Heimatbundesland Oberösterreich mit einer Arbeitslosenrate von 5 Prozent hernehme: Ich selbst komme aus dem Bezirk Urfahr-Umgebung, und dort haben wir derzeit eine Arbeitslosenrate von 2,7 oder 2,8 Pro­zent, also de facto Vollbeschäftigung. Auch die Zahl der unselbstständig Erwerbstätigen ist mit 3,8 Millionen auf einem Alltimehigh. Wir haben da wirklich eine sehr positive Ausgangssituation.

Das heißt aber nicht, dass es für den Arbeitsmarkt nicht auch Herausforderungen gibt, und denen müssen wir uns stellen. Wir haben am Arbeitsmarkt – das sieht man, wenn man sich die Entwicklungen aufmerksam anschaut – einige strukturelle Herausforderun­gen. Wir haben zum einen ein Missverhältnis, was die Qualifikationen und die offenen Stellen betrifft. Vor allem im Bereich wenig qualifizierter oder nicht ausgebildeter Men­schen haben wir viel mehr Arbeitssuchende als offene Stellen. Wir haben, und das habe ich am Beispiel meines Bezirkes schon gesagt, auch ein Missverhältnis zwischen regio­nalen Gegebenheiten. Wir haben Bezirke, Regionen mit Vollbeschäftigung, und wir haben Bereiche wie Wien, wo es eine höhere Arbeitslosigkeit gibt. Das zu matchen ist eine Herausforderung.

Wir haben das Thema der Langzeitarbeitslosigkeit. Jeder Langzeitarbeitslose ist einer zu viel. Wir wissen, in Krisenzeiten steigen auch die Langzeitarbeitslosenzahlen. Die Zahlen, was Langzeitarbeitslose betrifft, sind grundsätzlich auch wieder zurückgegan­gen, aber die gegenwärtige Zahl von 130 000 ist sicherlich eine, die zu hoch ist. Da unternimmt die Bundesregierung große Anstrengungen, um entsprechend gegenzu­steuern. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

Nicht zu übersehen ist natürlich die demografische Veränderung. Gerade in den nächsten fünf bis 15 Jahren gehen geburtenstarke Jahrgänge in Pension und damit als potenzielle Arbeitskräfte verloren. Dies zu kompensieren ist natürlich eine große Heraus­forderung.

Wir haben auch die Themen der Digitalisierung und der ökologischen Transformation vor uns. Da kann man getrost sagen, dass das, wovor Angst bestanden hat – dass viele Arbeitsplätze verloren gehen –, nicht eingetreten ist und nicht eintreten wird, im Gegen­teil: Es verändert sich branchen- und berufsgruppenspezifisch etwas, aber der Arbeits­kräftebedarf ist auch in diesen Transformationsprozessen gegeben.

Was sind jetzt unsere zentralen Strategien und Ziele für den Arbeitsmarkt? – Erstes und ganz oberes Ziel ist, mehr Menschen in Beschäftigung zu bringen, die Verfügbarkeit von Fachkräften zu sichern und vor allem das gesamte Arbeitskräftepotenzial des Marktes zu nutzen. (Zwischenruf der Abg. Heinisch-Hosek.) Dabei ist ein Ansatzpunkt, mehr Frauen in Beschäftigung zu bringen. (Neuerlicher Zwischenruf der Abg. Heinisch-Hosek.) Der Herr Bundesminister hat gestern das Programm Fair Plus Service vorgestellt, bei dem es darum geht, Frauen zu fördern, besser zu qualifizieren und zu begleiten.

Natürlich geht es auch um die Bekämpfung der Jugendarbeitslosigkeit, um Bildungs­karenz, und vor allem – das muss man relativ unaufgeregt so betrachten – wird es auch notwendig sein, qualifizierte Zuwanderung in den Arbeitsmarkt zuzulassen, vor allem durch eine Stärkung der Rot-Weiß-Rot-Karte, eine Stärkung, wenn es um Mangelberufe geht, und dass wir dort entsprechende Impulse setzen. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen. – Neuerlicher Zwischenruf der Abg. Heinisch-Hosek.)

Zweiter Schwerpunkt: die Qualifizierung und Schulung und vor allem die Vermittlung am Arbeitsmarkt beschleunigen. Da gibt es Maßnahmen im Bereich der Lehrstellen­förde­rung, der Arbeitserprobung und des Arbeitstrainings, vor allem die arbeitsplatznahe Qualifizierung, Qualifizierungsförderungen und ein sehr etabliertes Momentum, die Arbeitsstiftungen, die eine sozialpartnerschaftliche Maßnahme sind und vor allem die Deckung des Arbeitskräftebedarfs in den Betrieben frühzeitig sicherstellen.

Maßnahmen gegen die Langzeitarbeitslosigkeit: Da ist unser Ansatzpunkt das Pro­gramm Sprungbrett, mit dem das Ziel verfolgt wird, Menschen gezielt wieder in Be­schäftigung zu bringen. (Abg. Heinisch-Hosek: Ohne Erfolg!) 50 000 Personen sollen dadurch vermittelt werden. Unser Ziel, Frau Kollegin Heinisch-Hosek, ist, die Menschen in den ersten Arbeitsmarkt zu bringen und nicht, wie die SPÖ, irgendwo in Scheinjobs wie bei der Aktion 20 000 oder 40 000. Da setzen wir große Schwerpunkte. (Beifall bei der ÖVP. – Neuerlicher Zwischenruf der Abg. Heinisch-Hosek.)

Natürlich ist ein Ziel auch die Einkommenssicherung bei Arbeitslosigkeit. Da ist der Ansatz der ÖVP und der Bundesregierung ganz klar: Wir müssen einen treffsicheren Mitteleinsatz sicherstellen, vor allem auch die Sicherstellung von Arbeitsanreizen nach dem Grundsatz: Leistung muss sich lohnen!, und: Wer arbeiten geht, darf nicht der Dumme in unserem System sein! – Da ist der Ansatz – der Herr Bundesminister und die Bundesregierung sind intensiv dahinter – eine Neuregelung der Arbeitslosenversiche­rung.

Die Diskussionen dazu laufen schon länger. Einige Zielsetzungen, die sehr wahr­schein­lich und auch sinnvoll erscheinen, sind eine degressive Ausgestaltung des Arbeitslosen­geldes, vor allem die Vermeidung von Schlupflöchern und Missbrauchsfällen, dass es stärkere verbindliche Regelungen und Sanktionsmöglichkeiten gibt. Wir müssen auch die Frage des Zuverdienstes ganz offen diskutieren, weil dieser auch ein Hemmnis für den Wiedereinstieg in den Arbeitsmarkt sein kann. Der Herr Bundesminister hat ange­kündigt, im zweiten Quartal 2022 einen Ansatz dafür zu präsentieren.

Zusammengefasst: Österreich ist besser durch die Krise gekommen. (Abg. Belakowitsch: Besser als wer?) Wir haben einen sehr positiven Arbeitsmarkt. Wir haben Herausforde­rungen, bei denen wir gute Ansätze verfolgen. Ich bin froh, dass wir derzeit diese Situ­ation haben, und ich bin auch froh, dass wir mit unserem Bundesminister Martin Kocher einen wirklichen Vollprofi an dieser Stelle haben. Damit werden wir auch in Zukunft für Beschäftigung und Wohlstand in unserem Land sorgen. – Danke sehr. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

9.17

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist der Herr Bundesminister, den ich damit auch herzlich begrüße; ich habe ihn vorhin nicht gesehen. – Herzlich willkom­men, Herr Bundesminister, das Wort steht bei Ihnen.