10.56

Abgeordnete Dr. Astrid Rössler (Grüne): Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Bundes­ministerin! Hohes Haus! Werte Zuseherinnen und Zuseher zu Hause vor den Bild­schirmen! Vor wenigen Tagen, am 8. Februar dieses Jahres, haben mehr als 100 Unter­nehmen aus Deutschland und der EU ein Schreiben an die EU-Kommission gerichtet und darin dringend um rasche Umsetzung des Lieferkettengesetzes ersucht. Sie haben alle Punkte genannt, die heute hier schon erwähnt wurden, die für Kontrolle, für Risiko­management wichtig sind. Unter anderem haben sie ausdrücklich darum gebeten, dass starke Kontrolle, Rechte für zivilrechtliche Haftung und Klagsrechte für Betroffene ein­geräumt werden. Diese Unternehmen, darunter viele klingende Namen, die sicher allen bekannt sind, Sportmittelerzeuger und andere, haben erkannt, dass Nachhaltigkeit aus drei Säulen besteht – der Umwelt, dem Sozialen und der Wirtschaft –, die unauflöslich miteinander verwoben, voneinander abhängig sind und nicht isoliert gedacht werden können.

In diesen Zeiten der großen Klimakrise, der Biodiversitätskrise, da wir wissen, dass wir eine Klimawandelanpassung ohne intakte Natur niemals schaffen werden, muss der Fokus viel stärker auf eine umweltverträgliche Wirtschaft gelegt werden. (Beifall bei den Grünen.)

Wir liegen, das zeigen uns natürlich die Daten des überbordenden Bodenverbrauchs, des Artenschwunds, der dramatische Ausmaße angenommen hat, weit über den Belas­tungsgrenzen unserer Ökosysteme. Unternehmen haben erkannt, dass wir am Ast, auf dem wir sitzen, sägen, wenn wir nicht aufhören, diese Belastungsgrenzen weiter zu über­ziehen. Das Lieferkettengesetz ist ein wichtiger Ansatz, um gerade bei den sozialen, aber auch den Umweltaspekten eine Kontrolle, eine Nachvollziehbarkeit der Erzeu­gungs­bedingungen, des Verbrauchs im Sinne eines nachhaltigen, umwelt- und men­schenverträglichen Wirtschaftens umzusetzen.

Was bedeutet das? – Was das EU-Lieferkettengesetz, das in Vorbereitung ist, betrifft, darf ich den Kollegen, meinen Vorredner von der FPÖ, kurz aufmerksam machen, dass die FPÖ einem Lieferkettengesetz auf europäischer Ebene zugestimmt hat. (Abg. Disoski: Da schau her! – Abg. Koza: Da schau her, ein Wahnsinn!) Es ist schon inter­essant, dass sozusagen der Weitblick auf europäischer Ebene bei diesem Thema durchaus Ihre Zustimmung erfahren hat.

Wir brauchen die Sanktionen, die zivilgesellschaftlichen Rechte für die Durchsetzung. Es gibt ja schon ein Beispiel dafür: Frankreich hat ein Lieferkettengesetz, nicht in allen Punkten, so, wie wir wissen, dass wir es brauchen, aber immerhin gibt es anhand eines sehr umstrittenen und umweltzerstörenden Projekts, nämlich eines großen Ölförder­pro­jekts in Uganda, bereits ein Beispiel, wie das aussehen kann. In Frankreich haben vier NGOs und in Uganda zwei eine Zivilklage gegen das große Ölförderprojekt eingereicht.

Es geht dabei konkret – damit man die Dimensionen begreift – um ein Projekt, das für unsere europäischen Dimensionen überhaupt nicht vorstellbar ist, um 2 000 Quadrat­kilometer Schutzgebiete, eine riesige Ölpipeline und auch 400 Bohrlöcher, davon allein ein Drittel mitten im Nationalpark. Die Pipeline ist mit 1 400 Kilometern die längste Pipeline für Ölförderung. Das sind – auch was die Umweltzerstörung betrifft – Dimen­sionen, weitab von allem Vorstellbaren.

Genau in diesem Fall war es wichtig, dass NGOs die Möglichkeit haben, den franzö­sischen Ölkonzern Total zur Verantwortung zu ziehen und zu hinterfragen, ob das ein Projekt ist, das noch annähernd umweltverträglich ist. Es sind Seezugänge, Fischerei­rechte, landwirtschaftliche Flächen betroffen, es geht um massive Eingriffe (Zwischenruf bei den Grünen) – später, später – in Menschenrechte und Umweltaspekte. (Beifall bei den Grünen.)

Wichtigster Punkt: Es gibt Messgrößen für solche Umweltzerstörungen. Eine davon ist im Fall des Ölkonzerns zum Beispiel, dass die CO2-Emissionen mit 33 Millionen Tonnen CO2 pro Jahr die CO2-Emissionen von zwei Ländern – Uganda und Tansania zusam­men – übersteigen würden. Das ist eine Dimension, die so unvorstellbar und ganz konkret gegen alle Klimaziele, gegen alle Umweltschutzbedingungen, gegen alle Mög­lich­keiten, den Schutzstatus von Nationalparks und Wildreservaten zu erhalten, ist, dass es extrem wichtig ist, dass sich Europa, dass sich unsere Unternehmen zum Wett­bewerbsvorteil bekennen – dass die belohnt werden, die nachhaltige Politik betreiben, und nicht die, die Billigstbieter sind, Billigstprodukte auf Kosten von Sozialstandards und Umwelt herstellen. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

11.01

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Bernhard. – Bitte sehr, Herr Abgeordneter.