15.31

Abgeordnete Dr. Pamela Rendi-Wagner, MSc (SPÖ): Herr Präsident! Sehr geehrte Bundesregierung! Hohes Haus! Sehr geehrte Damen und Herren! Frau Staatssekretärin, mit Ihrer Rede haben Sie ein bisschen den Nagel auf den Kopf getroffen. Offenbar ist das verkehrte Rollenverständnis die Ursache der schlimmen Situation Österreichs. Denn eines ist klar: Es ist nicht Ihre Aufgabe, auf Probleme aufmerksam zu machen, es ist Ihre Aufgabe und Verantwortung, Probleme zu lösen. (Beifall bei der SPÖ sowie der Abge­ordneten Belakowitsch und Krisper. – Abg. Haubner: Da haben Sie nicht aufge­passt! – Weiterer Ruf bei der ÖVP: Falsche Rede!)

Ein Problem ist die Teuerung, die Teuerungswelle, die durch Österreich rollt: eine Teue­rungswelle, die so groß ist, wie schon ganz lange nicht mehr (Ruf bei der ÖVP: Die rollt durch ganz Europa!), eine Teuerungswelle, die viele alltägliche Lebensbereiche der Menschen umfasst, sei es das Einkaufen, das Wohnen, das Heizen, den Strom oder das Autofahren, eine Teuerungswelle, die alle in Österreich trifft, aber einige ganz beson­ders, zum Beispiel die jungen Familien. Menschen, die jeden Tag für sich, für ihre Kinder arbeiten gehen.

Für sie erzeugen diese explodierenden Preise jeden Tag eine Situation, die sie immer mehr unter Druck setzt. Obwohl sie tagtäglich arbeiten gehen, obwohl sie tagtäglich Leistung erbringen, haben sie keine Chance, dem Druck durch diese Teuerung aus eigener Kraft zu entkommen. Studien zeigen, dass in Österreich 350 000 Kinder von Armut bedroht sind – 350 000 Kinder! Diese Studien zeigen auch, dass neun von zehn armutsbetroffenen Familien in unserem Land zu wenig Geld für Kleidung, für tägliches Essen, zum Wohnen haben. Und da sprechen wir noch gar nicht von Kindergeburts­tagen, die man sich nicht leisten kann. Da sprechen wir auch nicht von Skikursen, die für diese Kinder in Österreich unleistbar sind.

Auch für viele Pensionistinnen und Pensionisten sind die steigenden Preise in den letz­ten Wochen und Monaten zu einem ganz großen Problem geworden. Altersarmut war schon vor der Pandemie ein Problem, Altersarmut war auch vor dieser Teuerungswelle ein Problem, aber die Situation, die wir aufgrund dieser Preissteigerungen erfahren, ver­schärft die Altersarmut, verschärft das Leben für viele ältere Menschen noch mehr. Immerhin gehen zwei Drittel aller Ausgaben, die Pensionistinnen und Pensionisten mo­natlich zu tätigen haben, alleine für das Wohnen auf – zwei Drittel ihres Haushaltsein­kommens!

Wenn die monatliche Vorschreibung für das Heizen jetzt noch erhöht wird – das ist für viele, viele der Fall – und wenn dann noch eine Nachzahlung fällig wird, dann sind viele am Ende. Das geht so weit, dass viele am Monatsende nicht mehr wissen, ob sie essen oder heizen sollen, weil sie sich nicht beides leisten können. Dass ein Pensionist, der 40 Jahre und länger hart gearbeitet hat, sein Leben lang Steuern gezahlt hat, heute vor so einer Entscheidung stehen muss, das ist eine Schande, sehr geehrte Damen und Herren. (Beifall bei der SPÖ.)

Es ist eine Schande für ein so wohlhabendes Land wie Österreich. (Abg. Haubner: Schauen Sie mal nach Wien und schauen Sie, was Oberösterreich macht! Der Ver­gleich ...!) Genau deswegen hat die SPÖ und haben auch viele Expertinnen und Experten unseres Landes schon im Herbst auf genau diese Teuerung, auf die stei­genden Preise in all diesen Lebensbereichen hingewiesen. Wir haben gewarnt und wir haben rasche Lösungen vorgeschlagen (Abg. Haubner: Da müssen Sie einmal mit Herrn Ludwig sprechen!), denn das Allerwichtigste in dieser Situation ist es, rasch zu helfen. Die Menschen haben jetzt kein Geld, um die Rechnungen zu bezahlen. Dieses Geld fehlt jetzt, daher muss jetzt rasch geholfen werden und da hilft keine Entlastung in sechs Monaten, in acht Monaten vielleicht, wo jeder noch selbst feststellen muss, ob er den Gutschein einlösen darf oder nicht.

Unser Sofortpaket, die Teuerungsbremse, sehr geehrte Damen und Herren, liegt hier und heute auf dem Tisch, das wäre konkret und sofort machbar. Es beinhaltet zum Beispiel unseren Vorschlag zur einmalig vorgezogenen Pensionsanpassung oder auch das heurige Aussetzen der anstehenden Mieterhöhung für über eine Million Mieterinnen und Mieter in Österreich. Aber auch die einmalige Halbierung der Mehrwertsteuer auf Strom und Gas wäre eine wichtige und dringende Hilfe für die Menschen in Österreich.

Sehr geehrte Bundesregierung, Sie können etwas tun, Sie können die Probleme, die viele Menschen haben, lösen. Doch was tun Sie? – Sie versprechen viel, Sie kündigen viel an, nur passiert nichts – ob beim Impfen, bei den Impfanreizen oder bei Ihrem be­rühmten Energiegutschein. Wissen Sie, was das große Problem ist? – Von Ankündi­gungen und Regierungspressekonferenzen kann sich kein Mensch in Österreich Essen leisten. (Beifall bei der SPÖ.) Von Ihren Pressekonferenzen kann niemand die Strom­rechnung bezahlen.

Wahrscheinlich haben Sie ein Kalkül, so wie in den letzten Jahren. Vielleicht hoffen Sie, dass sich die Menschen in Österreich von Ihnen weiter Sand in die Augen streuen lassen. Doch da irren Sie, denn die Menschen müssen jedes Monat Rechnungen bezahlen, die immer länger werden und die immer größer werden. (Abg. Haubner: Eine Rechnung kann nicht länger werden, die kann nur höher werden!) Das Menschenbild der ÖVP ist durch die Veröffentlichung der Chats vor ein paar Wochen schwarz auf weiß sichtbar geworden: Und ja, vielleicht sind diese vielen Menschen für Sie – und damit ist vor allem die ÖVP gemeint – einfach nur Gsindl und Pöbel. (Zwischenrufe bei der ÖVP.) Bis heute habe ich seitens des Bundeskanzlers oder der ÖVP dazu übrigens keine umfassende, keine ehrliche Entschuldigung gehört, sehr geehrte Damen und Herren von der ÖVP! (Beifall bei der SPÖ. – Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Eines an dieser Stelle, sehr geehrte ÖVP: Kein Mensch ist Gsindl! (Beifall bei der SPÖ. – Ruf bei der ÖVP: Auch keine Gfraster, Frau Kollegin!) Es sind Menschen, es sind Bürger und Bürgerinnen unseres Landes, die hart arbeiten und trotzdem am Ende des Monats nicht mehr wissen, wie es sich ausgeht. Wir haben es da nicht mit Gsindl zu tun, weil kein Mensch Gsindl ist. Und für diese Menschen haben Sie offenbar nicht viel übrig. Der Bundeskanzler hat es nicht einmal der Mühe wert gefunden, zu diesem Thema ins Parlament zu kommen. (Abg. Zarits: ...auch nicht da!) Ich sage Ihnen, die Menschen spüren das. Die Menschen wissen das. (Beifall bei der SPÖ.) Es liegt an Ihnen, sehr geehrte Bundesregierung, Sie können handeln. Tun Sie es! Machen Sie endlich etwas für die Menschen in Österreich! – Vielen Dank. (Beifall bei der SPÖ.)

15.38

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordnete Graf. – Bitte sehr.