16.05

Abgeordneter Mag. Gerald Loacker (NEOS): Herr Präsident! Geschätzte Frau Staats­sekretärin! Geschätzte Mitglieder der Bundesregierung! Hohes Haus! Der Brachial­popu­lis­mus der SPÖ war auch schon origineller als heute mit dieser Dringlichen Anfrage. (Heiterkeit bei der SPÖ.) Zuerst muss man sich nämlich, wenn wir jetzt für den Jänner 5 Prozent Inflation ausgewiesen bekommen (Abg. Leichtfried: Wenn es der Loacker kritisiert, dann kann es schon richtig sein!), einmal fragen, woher diese überhaupt kommt: Die Ursache liegt ja in der unverantwortlichen Schuldenpolitik, die viele europäische Staaten über viele Jahre praktiziert haben (Ruf bei der SPÖ: Aha!), und um diese Schuldenpolitik nicht eskalieren zu lassen, nämlich zum Nachteil dieser Staaten, hat die EZB die Zinsen künstlich niedrig gehalten und hat in gigantischer Menge Staatsanleihen aufgekauft. Alleine das Pepp-Programm der EZB, das zuerst 750 Milliarden Euro hätte ausmachen sollen, wurde einmal so locker flockig auf 1,85 Billionen Euro ausgedehnt, und die kleineren Anleihekaufprogramme wie das APP, mit dem 20 Milliarden Euro Staatsanleihen im Monat – im Monat! – gekauft werden, wird jetzt im zweiten Quartal auf 40 Milliarden Euro im Monat verdoppelt.

Dass diese gewaltige Geldmenge irgendwann zur Inflation führen muss, ist klar. Die SPÖ nennt das ein bisschen altertümlich Teuerung. Das Wort Teuerung ist aus der Luther­bibel von 1912 im Jahr 1984 hinausgeflogen, weil es zu altmodisch war, aber die SPÖ ist noch im Jahr 1912 geblieben. (Beifall der Abg. Krisper.) Diese unverantwortliche Politik von Sozialdemokraten und unverantwortlichen Konservativen (Zwischenrufe bei der SPÖ), diese Schuldenpolitik hat dazu geführt, dass wir heute diese Inflation haben, denn die Bürger müssen die Geschenke immer irgendwann zahlen. Jetzt zahlen sie sie im Wege der Inflation. (Beifall bei den NEOS.)

Die SPÖ hat sich gedacht: Fünfjahresplan, das hat früher immer gut geklungen, dann nehmen wir jetzt einen Fünfpunkteplan!, und hat gestern einen Fünfpunkteplan prä­sentiert (Abg. Leichtfried: Aber zählen kannst du schon! Es sind mehr als fünf Punkte!), der heute in dem Dringlichen Antrag ein Siebenpunkteplan geworden ist. Jetzt schauen wir uns einmal an, was sie da alles Schönes fordert: zum Beispiel, die Pensionserhöhung vom nächsten Jahr vorzuziehen.

Die Pensionen werden immer zum 1. Jänner eines Jahres erhöht, das liegt also sieben Wochen zurück, und Sie würden jetzt schon die nächste Pensionserhöhung machen. Jetzt möchte ich Ihnen sagen: Die Textilarbeiter warten seit 1. April auf ihre nächste KV-Erhöhung und bekommen diese dann am 1. April. Sie würden in diesem Zeitraum zwei Pensionserhöhungen machen. Die Mitarbeiter der Elektronikindustrie warten seit 1. Mai und warten noch bis zum nächsten 1. Mai auf ihre nächste KV-Erhöhung. Und mit den Beiträgen dieser Erwerbstätigen werden die Pensionen bezahlt! Verstehen Sie? So funktioniert das mit rein, raus, Beiträge, Pension. (Zwischenrufe bei der SPÖ.) Die Jun­gen, die von der Coronakrise am stärksten betroffen waren, müssten diese Pensions­geschenke finanzieren, die Sie da populistisch versprechen.

Dann hat die SPÖ auch noch eine ganz tolle Idee in ihrem Antrag gebracht, nämlich dass man die Richtwertmieten einfrieren müsste. Es gibt in Österreich 2,1 Millionen Hauptmieter, davon sind ungefähr 260 000 Richtwertmieter, und da frage ich mich: Was haben die, die im Richtwert sind, besser gemacht, dass man denen die Mieterhöhung einfriert und den anderen nicht? Es sind 12 Prozent der Mieter, die Sie da erfassen, die anderen aber nicht. – Denken Sie manchmal auch nach, wenn Sie solche Anträge schreiben, oder werden die einfach random irgendwo herauskopiert?

Dann schlägt die SPÖ ein neues Pendlerpauschale vor, also ein erhöhtes Pendler­pauschale. Hat das Julia Herr in einem Ökoanfall geschrieben, dass wir das Pendler­pauschale erhöhen (Zwischenruf der Abg. Herr) und damit weite Wege steuerlich noch mehr fördern? – Ich weiß nicht, Frau Klimaschutzsprecherin, wie Sie darauf schauen, wenn Ihre Partei ein höheres Pendlerpauschale fordert. (Beifall bei den NEOS und bei Abgeordneten der Grünen. – Neuerliche Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Die SPÖ verlangt, dass 20 Prozent der Studierenden ein Stipendium bekommen. Eigentlich könnte die SPÖ sagen: Wir sind in Österreich so gut aufgestellt, dass wir zum Glück nicht 20 Prozent arme Menschen haben, dass der Wohlstand so groß ist, dass wir nicht 20 Prozent arme Leute haben, die dann, wenn sie oder ihre Kinder studieren gehen, auf ein Stipendium angewiesen sind; wir sind glücklicherweise in der Lage, dass es uns viel besser geht! – Statt die erfolgreiche Sozialpolitik der letzten Jahrzehnte zu loben, die dazu geführt hat, dass wir nicht so viele arme Leute haben und dass der Uni­zugang frei ist, jammern Sie etwas vor und sprechen von 20 Prozent, die ein Stipendium bekommen müssten.

Weiters fordern Sie die Halbierung des Umsatzsteuersatzes auf Strom und Gas. Gestern in den Medien war noch von einer Befristung dieser geforderten Maßnahme die Rede, und da habe ich mich schon gefragt: Rechnen Sie von der SPÖ damit, dass die Strom­preise und die Gaspreise wieder sinken werden? Ich glaube das nicht. In Ihrem heutigen Antrag ist eine Befristung nicht mehr vorgesehen – gut, ich freue mich, wenn Sie über Nacht gescheiter werden.

Auf die Frage des Stroms möchte ich aber schon einmal genauer schauen. Was nämlich in den letzten Jahren wirklich teurer geworden ist, war ja gar nicht der Strom selbst, sondern waren die Netzentgelte. Diese sind wirklich teuer geworden und es sind im Wesentlichen die Netzbetreiber, die den jeweiligen Bundesländern gehören. Die müssen natürlich einen schönen Gewinn auf Kosten der Stromkunden schreiben, damit sie eine schöne Gewinnausschüttung für die Landesbudgets herbringen. Also eigentlich werden ja die Stromkunden von den roten und schwarzen Landeshauptleuten die ganze Zeit ausgepresst, damit die Landeshauptleute in ihrem Spendierföderalismus noch mehr Geld hinausblasen können (Heiterkeit bei den NEOS), noch mehr neue Trachtenjanker und noch mehr neue Trompeten für die Blasmusik finanzieren können. (Zwischenruf des Abg. Brandstätter.) Darum geht es nämlich. (Beifall bei den NEOS.)

Was die Menschen brauchen, ist mehr Netto vom Brutto. Und jetzt möchte ich einmal ganz langsam für Kollegen Koza die kalte Progression erklären, ganz langsam: Die be­ginnt nämlich bei einem steuerpflichtigen Jahreseinkommen von 11 000 Euro. Jemand, der im Jahr 11 000 Euro verdient, ist nicht reich, das muss man einmal sagen. (Zwi­schen­ruf des Abg. Koza.) Wenn man unter 11 000 Euro im Jahr verdient, zum Beispiel 8 000, dann ist man eigentlich auf Transfers oder auf einen gut verdienenden Partner ange­wiesen, alleine aber ist man dann wirklich arm.

Nur: Bei 11 000 Euro beginnt schon die kalte Progression zu wirken. Wenn jemand im Jahr 2016 11 000 Euro verdient hat, dann hätte er heute, wenn er immer nur den Inflationsausgleich bekommen hat, 12 000 und ein paar Hundert und muss auf einmal Steuern zahlen, nämlich 20 Prozent für den übersteigenden Betrag. Und dann sagen Sie, das betrifft diese Menschen nicht und die Kleinen haben nichts von der Abschaffung der kalten Progression?! Nach unserer Rechnung wären die gesamten 12 500 Euro steuerfrei, nach Ihrer Rechnung muss er halt von einem Teil davon, von 1 500 Euro, einen Steuersatz von 20 Prozent abdrücken.

Die Menschen brauchen mehr Netto vom Brutto (Ruf bei der SPÖ: Ja!), der Staat nimmt das Geld von denen ein, die arbeiten gehen und mit ihren Steuern und Beiträgen dieses Gemeinwesen finanzieren.

Ich bringe daher folgenden Entschließungsantrag ein:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Mag. Gerald Loacker, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Kalte Progression JETZT abschaffen!“

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung, insbesondere der Bundesminister für Finanzen, wird aufge­for­dert, dem Nationalrat umgehend eine Regierungsvorlage vorzulegen, die die Kalte Pro­gression abschafft, indem die Steuer-Tarifstufen des § 33 Abs. 1 EStG 1988 jährlich an die Inflation angepasst werden.“

*****

Daher richtet sich mein Appell an die geschätzten Mitglieder der Bundesregierung: Neh­men Sie Ihre Hände aus den Taschen der Bürger und schaffen Sie die kalte Progression ab! (Beifall bei den NEOS.)

16.13

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Mag. Gerald Loacker, Dipl.-Ing. Karin Doppelbauer, Kolleginnen und Kollegen

betreffend Kalte Progression JETZT abschaffen!

eingebracht im Zuge der Debatte in der 141. Sitzung des Nationalrats über den Dring­lichen Antrag der Abgeordneten Jörg Leichtfried, Genossinnen und Genossen betreffend Teuerungsbremse jetzt, Herr Bundeskanzler!

Die Steuereinnahmen sprudeln 2021 wie nie zuvor

Der Finanzminister konnte sich anlässlich der Zahlen aus dem Budgetvollzug 2021 freuen: Dank der guten Wirtschaftsentwicklung und der sprudelnden Steuereinnahmen im Jahr 2021 fiel das Budgetdefizit 2021 trotz Krisenkosten in Milliardenhöhe nicht ganz so schlecht aus, wie ursprünglich erwartet. Tatsächlich sind die Einnahmen aus Lohn­steuer, Umsatzsteuer, Körperschaftssteuer (KöSt) und Kapitalerstragssteuer (KESt) so hoch wie nie zuvor - und liegen zum Teil deutlich über den Einnahmen im Jahre 2019, also vor der Corona-Krise. Die Agenda Austria rechnet vor, dass die Steuereinnahmen insgesamt von ihrem bisherigen Rekord von knapp 90,9 Mrd. Euro im Jahr 2019 auf 95,7 Mrd. Euro 2021 um gut 5,2% anstiegen. Die Mehreinnahmen bei einzelnen Steuerkate­gorien im Jahr 2021 (im Vergleich zu 2019) lassen sich damit durchaus sehen: plus 5,7% bei der Lohnsteuer, plus 4,6% bei der KöSt, plus 2% Umsatsteuer und plus 41,1% Kapitalertragssteuer. Die Einnahmen aus der Lohnsteuer kletterten im Krisenjahr 2021 auf noch nie dagewesene 30,1 Mrd. EUR.(1)

Auch 2022 Rekord-Steuereinnahmen erwartet - und das trotz Steuerreform

Auch für 2022 rechnet die Bundesregierung offensichtlich mit Zuwächsen bei den Steuer­einnahmen. Laut Bundesvoranschlag (BVA) 2022 geht man für 2022 von einem Lohn­steueraufkommen von rekordverdächtigen 31,4 Mrd. EUR, das ist eine Steigerung von +10,2% im Vergleich zu 2019 (laut BRA). Die ewarteten KöSt-Einnahmen steigen 2022 auf rd. 10 Mrd. EUR - 6% über dem Niveau von 2019. Insgesamt geht die Regierung für 2022 von einem Rekord-Abgabenaufkommen von rd. 98,3 Mrd. EUR aus.(2)

Regierung hält dennoch an Kalter Progression fest

Aber obwohl die Steuerzahlerinnen für Rekordeinnahmen beim Finanzminister sorgen, wird die Kalte Progression von der Regierung wieder nicht abgeschafft. Die Kalte Pro­gression, also die versteckte jährliche Steuererhöhung, entsteht, weil die Einkommen zwar Jahr für Jahr steigen, die Steuerstufen aber nicht an die Inflation angepasst werden. Somit erhöhen sich jährlich der Durchschnittssteuersatz und die Steuerschuld und spült damit jährliche hunderte Millionen zusätzlich in die Kassen des Finanzministers, quasi durch die Hintertür. Die Kalte Progression betrifft ALLE Lohnsteuerpflichtigen: Wenn der Bruttolohn inflationsbedingt steigt, steigt auch der Durchschnittssteuersatz – jener Anteil des Einkommens, der an den Finanzminister geht, nimmt also zu. Sie entsteht, sobald das zu versteuernde Einkommen einer Person an die Inflation angepasst wird und in der Folge zumindest den ersten Grenzsteuersatz überschreitet.

"Inflationssteuer" Kalte Progression spült jedes Jahr zusätzliche Millionen an Steuer­geldern in die Staatskassen

Nach Berechnungen von NEOS belaufen sich die Mehreinnahmen durch die Kalte Pro­gression zwischen dem Jahr 2013 und 2023 auf rund 11,88 Mrd. Euro. Das Institut EcoAustria schätzt, dass die Kalte Progression ohne Steuerreform zwischen 2019 und 2025 zu einer zusätzlichen Steuerbelastung von insgesamt 19,5 Mrd. Euro führen würde.(3) Auch der ehemalige Finanzminister Hartwig Löger rechnete einst überschlags­mäßig vor, dass pro Prozentpunkt Inflation jährlich rund 250 Mio. Euro ins Budget fließen.(4)

 

Die Steuerreform kompensiert nur unzureichend für die Kalte Progression

In den letzten Jahren haben die Menschen in Österreich sich daher die jetzt durch die Steuerreform beschlossene Entlastung selbst finanziert. Darüber hinaus kann es ohne eine gleichzeitige Abschaffung der Kalten Progression für einzelne Gruppen trotz Steuerreform unterm Strich zu einer steuerlichen Mehrbelastung kommen. Das betrifft bei der Steuerreform 2022 vor allem Haushalte ohne Kinder, da ein wesentlicher Teil des beschlossenen steuerlichen Entlastungsvolumens auf den Familienbonus entfällt.(5)

Ein von NEOS berechnetes Beispiel zeigt, wie das in der Praxis konkret ausschaut: So gab eine kinderlose Beraterin in einer Kreativagentur mit einem Gehalt von 55.000 Jahresbrutto  2016-2021 insgesamt unbemerkt an den Finanzminister 1527 EUR ab und bekommt dafür im Jahr 2022 eine Entlastung von 325 EUR. Von der Entlastung bleibt ihr also unterm Strich nichts übrig. Im Gegenteil: die Kalte Progression der Vorjahre hat 1202 EUR mehr gekostet, als sie bei der Steuerreform 2022 wieder zurückbekommt.

Kalte Progression JETZT abschaffen!

Auch diese Bundesregierung hält entgegen eigener Zusagen an der Kalten Progression fest. Vor der Nationalratswahl 2017 hatten sowohl ÖVP als auch FPÖ die Abschaffung der Kalten Progression angekündigt, vor der letzten Wahl 2019 versprachen dies dann alle Parteien - auch jene der Regierung - ausdrücklich. Im ausverhandelten Regie­rungsprogramm der ÖVP und der Grünen fehlt wieder das volle Bekenntnis zum partei­übergreifenden Versprechen aus dem Wahlkampf 2019.

Damit aber nicht jede Regierung aufs Neue die "größte Steuerreform aller Zeiten" be­schließen muss, nur um den Steuerzahler_innen das zurückzugeben, was sie ihnen zuerst über die Kalte Progression abgenommen hat, sollte endlich die Kalte Progression dauerhaft abgeschafft werden. Die Steuerstufen müssen daher automatisch jährlich mit der Inflation angehoben werden. Nur so können Entlastungsmaßnahmen wie die Steuer­reform 2022 eine nachhaltige Wirkung entfalten und würden nicht bereits in kürzester Zeit durch die erwarteten höheren Inflationsraten der nächsten Jahre wieder verpuffen.

Die Abschaffung der Kalten Progression ist angesichts sprudelnder Steuereinnahmen und steigender Inflationsraten ein Gebot der Stunde - und muss JETZT zusätzlich zur bereits beschlossenen Steuerreform umgesetzt werden.

Quellen:

1.         https://www.agenda-austria.at/grafiken/steuern-trotz-pandemie-auf-allzeithoch/

2.         Budgetbericht 2022: https://www.bmf.gv.at/themen/budget/das-budget/budget-2022.html

3.         https://www.derstandard.at/story/2000130164622/worum-geht-es-bei-der-kalten-progression

4.         https://www.sn.at/politik/innenpolitik/rechenspiele-um-kalte-progression-69712411

5.         Analyse d. Budgetdienst zur Ökosozialen Steuerreform: https://www.parlament.gv.at/PAKT/BUDG/AKTUELLES/

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgenden

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

"Die Bundesregierung, insbesondere der Bundesminister für Finanzen, wird aufgefor­dert, dem Nationalrat umgehend eine Regierungsvorlage vorzulegen, die die Kalte Pro­gression abschafft, indem die Steuer-Tarifstufen des § 33 Abs. 1 EStG 1988 jährlich an die Inflation angepasst werden."  

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Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Der Entschließungsantrag ist ausreichend unter­stützt, ordnungsgemäß eingebracht und steht somit mit in Verhandlung.

Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Schroll. – Bitte sehr.