Abgeordneter Dr. Johannes Margreiter (NEOS): Frau Bundesministerin, ich muss die Baustelle Maßnahmenvollzug ansprechen. Derzeit, mit Stichtag 1. Februar, haben wir circa 1 400 Menschen in Österreich, die im Maßnahmenvollzug untergebracht sind. Das sind 16,5 Prozent aller in Justizanstalten angehaltenen Personen. Die Tendenz ist stark steigend. Wir wissen, dass es Probleme gibt. Es wird im Ministerium genauso wie bei den zuständigen Abgeordneten bekannt sein, wie viele Beschwerden es gibt. Dabei geht es vor allem um die Frage der Gutachten, die dem Maßnahmenvollzug zugrunde liegen. Damit man in den Maßnahmenvollzug kommt, braucht es einmal ein Gutachten, das die Zurechnungsfähigkeit bejaht oder verneint, und dann, wenn eine Anhaltung, eine Unter­bringung erfolgt, muss immer wieder die Gefährlichkeitsprognose überprüft werden.

Ich denke, dass im Bereich dieser Gutachten Handlungsbedarf besteht, und daher die Frage an Sie: Was unternehmen Sie, um die Gutachten mit der erforderlichen Qualität auszustatten – immerhin geht es um freiheitsbeschränkende Maßnahmen –, damit ge­währleistet ist, dass dieser Eingriff in die Grundrechte auch wirklich gerechtfertigt ist?

*****

Die schriftlich eingebrachte Anfrage, 140/M, hat folgenden Wortlaut:

„Was unternimmt Ihr Ministerium für die Überprüfung und Qualitätssicherung von Gut­achten, die einer Einweisung und Gefährlichkeitsprüfung dem Maßnahmenvollzug zu­grunde gelegt werden?“

*****

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Bitte, Frau Bundesministerin.

Bundesministerin für Justiz Dr. Alma Zadić, LL.M.: Sie sprechen damit ein wichtiges Thema an. Der Maßnahmenvollzug ist auch mir ein großes Anliegen. Ich habe von Anfang an erklärt, dass ich mich dem widmen möchte und den Maßnahmenvollzug, die­ses Riesending, auch reformieren möchte, denn wir wissen – das muss ich an dieser Stelle leider so sagen –, dass da vieles im Argen liegt.

Wir haben eine große Maßnahmenvollzugsreform gestartet. Ein erster Teil war schon in Begutachtung; es werden gerade die umfassenden Stellungnahmen, die gekommen sind, eingearbeitet. Ein wichtiges Thema in diesem Zusammenhang ist natürlich die Sicherstellung der Qualität der Gutachten. Um eine Hilfestellung zur Überprüfung der Qualität von Sachverständigengutachten zu erreichen, wird im Justizministerium aktuell auch überlegt, inwiefern man Qualitätsstandards für Sachverständigengutachten erstel­len kann. Dafür sind natürlich Berufsgruppen mit entsprechender Berufsausbildung not­wendig und wichtig. Im Fall der Gutachter, die Sie ansprechen, ist das auch die Ärzte­kammer. Ich halte es für sehr wichtig, dass es Qualitätskriterien gibt, gerade in diesem Zusammenhang.

Also zum einen gibt es diese Maßnahmenvollzugsreform, die auch dazu beitragen wird, dass die Qualität verbessert werden kann, und zum anderen müssen wir auch aufseiten der Gutachter, aufseiten der Sachverständigen einiges tun.

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Nachfrage? – Bitte.

Abgeordneter Dr. Johannes Margreiter (NEOS): Könnten Sie sich auch einen legisti­schen Eingriff im Sinne des § 126 Strafprozeßordnung vorstellen, dass bei Gutachten, die der freiheitsbeschränkenden Maßnahme zugrunde liegen, noch gesondert eine Zweit­begutachtung ermöglicht wird? Dies wird ja jetzt von den Gerichten sehr oft abgelehnt – mit dem Stehsatz aus der Judikatur. Wenn man da nicht auf selber fachlicher Ebene argumentiert, dann sind diese Einwendungen sehr schnell vom Tisch gewischt.

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Bitte, Frau Bundesministerin.

Bundesministerin für Justiz Dr. Alma Zadić, LL.M.: Derzeit ist es so: Wenn ein ab­gegebenes Gutachten ungenügend ist, dann kann das Gericht auf Antrag oder von Amts wegen anordnen, dass eine neuerliche Begutachtung durch denselben oder durch einen anderen Sachverständigen stattfindet. Aber das ist ein valider Einwand von Ihnen, ich werde mir das noch näher anschauen.

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Die nächste Anfrage stellt Frau Abgeordnete Scharzenberger. – Bitte sehr.