12.06

Abgeordneter Mag. Martin Engelberg (ÖVP): Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Bundeskanzler! Herr Vizekanzler! Mitglieder der Regierung! Kolleginnen und Kollegen und natürlich auch alle, die vor den Fernsehschirmen sitzen! Man kann nicht anders, als von den Berichten des Herrn Bundeskanzlers gerade ergriffen zu sein, und auch, was hier gesagt wurde, gibt mir natürlich viel zu denken – unser Gelöbnis betreffend nie wie­der Krieg und immerwährende Neutralität.

Was ist der Kontext dazu? Seien wir doch ehrlich: Worum geht es da? – Dieses Gelöbnis wurde in einem ganz bestimmten Kontext abgelegt, nämlich im Kontext, dass wir gelobt haben, dass wir in Österreich uns nie mehr wieder einer wahnsinnigen, verbrecherischen Ideologie verschreiben, des Bekenntnisses dazu, dass sich Österreich nie mehr wieder an einem Angriffskrieg, an Gewaltherrschaft, an Massenmord beteiligen soll. Das ist der Hintergrund unseres Gelöbnisses betreffend nie wieder Krieg und immerwährende Neu­tralität.

In Deutschland gab es ein ähnliches sozusagen Gelöbnis, das sich in einem Pazifismus äußert – in der pervertierten Form, möchte ich sagen, des Angebots, einem Land wie der Ukraine nicht Waffen zur Verteidigung anzubieten, sondern Stahlhelme. Und ich mei­ne, dass sich dieses Gelöbnis betreffend die immerwährende Neutralität in Österreich ebenfalls pervertiert hat zu diesem: Wir stehen in der Mitte, wir wollen in Äquidistanz zu beiden Seiten stehen. – Kann es wirklich so sein, dass wir zwischen den Vereinigten Staaten von Amerika und Russland in der Mitte stehen? Kann es wirklich sein, dass wir der Ukraine jetzt sozusagen anbieten, ihr empfehlen, sich gleichfalls in die Mitte zu stellen? Ist das wirklich ernsthaft unsere Position? Ist es das, was wir unter Neutralität verstehen wollen?

Die Neutralität, das In-der-Mitte-Stehen, haben uns Wohlstand und Frieden gebracht: Meinen Sie das wirklich? – Gehen wir doch in der Geschichte ein bisschen zurück! Der Wohlstand in Europa und in Österreich wurde einmal durch die sehr, sehr großzügige finanzielle Unterstützung und Hilfe der Vereinigten Staaten von Amerika in den Jahren nach dem Krieg begründet, und diese Hilfen laufen sogar bis heute noch – das wissen gar nicht viele. Wohlstand und Frieden wurden in Europa und in Österreich durch den Schutzschirm der Vereinigten Staaten von Amerika und der Nato gesichert, und wir sind dabei, könnten wir sagen, Gratistrittbrettfahrer, um nicht zu sagen Schwarzfahrer gewe­sen. Über all die Jahrzehnte sind wir da gratis mitgefahren. Unter diesem Schutzschirm haben wir uns den heute so wohlverdienten Wohlstand und die Sicherheit erworben – das haben andere gesichert und bezahlt.

Beweisen wir jetzt und heute und hier, dass wir aus der Geschichte gelernt haben, indem wir uns auch zum zweiten Teil des: Nie wieder Krieg! und der immerwährenden Neu­tralität bekennen! Das heißt, nie wieder wollen wir Gewaltherrschaft, Angriffskrieg, Mas­senmord zulassen, und wir sind aber auch bereit, dafür zu kämpfen und dafür auch Opfer zu bringen.

Neutralität darf nicht Neutralismus heißen, Neutralität heißt nicht – und das ist ein guter moderner Begriff – Bothsidesism. Es ist nicht immer die Wahrheit in der Mitte. Wenn es darum geht, was denn unsere Erde sei, eine Kugel oder ein Rotationsellipsoid oder eine Scheibe, so gibt es unterschiedliche Ansichten, gab es historisch unterschiedliche An­sichten; das heißt aber nicht, dass die Wahrheit in der Mitte ist. (Abg. Kickl: Naturwis­senschaften und Weltpolitik sind halt auch zwei verschiedene Fälle!)

Die Tatsache, dass wir sehr stark von Russland abhängig sind, dass wir von den Gaslie­ferungen abhängig sind, dass auch österreichische Unternehmen abhängig sind, darf uns nicht vom richtigen Kurs abbringen. Die strategischen Fehler der Vergangenheit dürfen wir nicht damit sanieren, dass wir uns weiter in diese falsche Richtung bewegen. Unter Kaufleuten sagt man, man wirft schlechtem Geld nicht gutes Geld nach.

Heute geht es um ein ganz klares Bekenntnis. Österreich ist ein integraler Bestandteil der westlichen Welt, der westlichen Wertegemeinschaft. Unsere Solidarität gebührt heu­te der Ukraine und den Menschen, die dort leben. Wir beteiligen uns am Kampf gegen Aggressoren, gegen Brecher des Völkerrechts, gegen Unterdrücker der Demokratie, der Menschenrechte und der Freiheit – im Rahmen unserer heutigen Möglichkeiten, mit der vollen Beteiligung an den Sanktionen gegen Russland, mit der Gewährung größtmögli­cher Unterstützung der Ukraine und deren Bevölkerung.

Herr Bundeskanzler Nehammer an der Spitze unseres Landes hat – und das möchte ich hier ausdrücklich sagen – die Herausforderungen dieser Krise der letzten Tage und Wo­chen mit Bravour gemeistert, zuletzt hier im Hohen Haus, gestern Abend auch in der „ZIB 2“ – großer Dank und Anerkennung dafür, vielen Dank im Namen der Republik! (Beifall bei der ÖVP sowie des Abg. Reimon.)

Mein Appell an Sie alle: Gehen wir als Österreich diesen Weg gemeinsam weiter, kämp­fen wir gemeinsam aufrecht für Frieden, Freiheit, Demokratie und das internationale Recht, Seite an Seite mit unseren Partnern der westlichen Welt! – Vielen Dank. (Beifall bei der ÖVP sowie der Abg. Hamann.)

12.13

Präsidentin Doris Bures: Nun ist Herr Abgeordneter Robert Laimer zu Wort gemel­det. – Bitte, Herr Abgeordneter.