15.18

Abgeordneter Dr. Christoph Matznetter (SPÖ): Herr Präsident! Herren Bundesminis­ter! Dieter Segert, Professor an der Universität Wien, schreibt heute in einem Gastkom­mentar des „Standard“ zu Recht: Wenn wir den Krieg auf unserem Kontinent beenden wollen, der uns heute so furchtbar vor Augen geführt wird, brauchen wir eigentlich eine zweite Helsinki-Konferenz. Wir brauchen den Einsatz der besten Diplomaten dieser Welt, um eine friedliche Lösung dieses Konflikts auf Dauer erreichen zu können.

Diese Rolle konnte die österreichische Diplomatie, die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Außenministeriums, über Jahrzehnte einnehmen und hat es auch erfolgreich getan. Darunter fällt auch und ganz sicher Michael Linhart, der einer unserer Spitzendiplomaten ist. Aber eine Frage muss ich meinem Vorredner Reinhold Lopatka schon stellen: Ist es denn diese Anfrage, die ihn desavouiert? – Die Antwort ist: Nein. Es ist die Art des Um­ganges, resultierend aus Problemen einer Bundesregierung, die man offensichtlich nur noch als Pleiten-, Pech- und Pannendienst bezeichnen kann – eines nach dem anderen. (Beifall bei der SPÖ, bei Abgeordneten der FPÖ sowie des Abg. Loacker.)

Ist das notwendig gewesen, eine Drehtür-Bundeskanzler-und-Minister-Geschichte zu veranstalten, dafür, dass man jetzt endlich Sebastian Kurz bei Palantir, dessen Eigner ein EU-Gegner ist, als Lobbyist untergebracht hat? Dafür, dass Gernot Blümel dann bei einem – wie nennt man das? – Heuschreckenfonds landet? Dafür, dass Melchior jetzt bei einem Großspender der ÖVP arbeitet? Nur um dieses Radl in Gang zu halten, hatten wir einen Bundeskanzler für wie viele Tage – 53, 54 Tage –, der dann wieder in sein Amt zurückkehrt? (Widerspruch bei der ÖVP.) Dann – hollodaro! – setzen wir Michael Lin­hart, der brav und dienstbeflissen eingesprungen ist, schnell wohin! (Zwischenruf des Abg. Hörl.) Ehrlich, Freunde, die Desavouierung guter Spitzendiplomaten ist die Nicht­fähigkeit der Regierungspartei ÖVP, ihrer Rolle als Regierungspartei nachzukommen. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der FPÖ.)

Aber doch nicht unsere Diplomaten, die wir bräuchten, wie ich eingangs erläutert habe, die wir deswegen bräuchten, weil österreichische Neutralität heißt: Neutralität, übrigens nicht nur militärisch, aber unter genauer Wahrung der Werte wie Menschenrechte, wie Völkerrecht. All das ist notwendig. Dafür brauchen wir jene Spitzendiplomaten, die nicht persönlich beschädigt werden. Am Ende des Tages, jetzt, ist ein möglicherweise hervor­ragender Botschafter, der in eines der wichtigsten Länder entsandt werden soll, von vorn­herein beschädigt. (Zwischenrufe bei der ÖVP.) Super gemacht! Gratuliere dazu.

Im Gesetz nachschauen kann man nicht, bevor man einen Vorschlag im Ministerrat bringt? Das ist ja schon ähnlich, Herr Bundesminister, wie die fehlenden Nullen des Gernot Blümel. (Zwischenruf der Abg. Kirchbaumer.) Das mag ja jetzt beim Spekula­tionsfonds gehen, aber nicht als Finanzminister. Das Nichthineinschauen in die entspre­chenden Rechtsvorschriften mag ja woanders gehen, aber nicht bei einem Bundesminis­ter. – Vielleicht wäre es günstig, wenn die Grünen zu so etwas applaudieren würden, auch wenn ich weiß, dass sie eine Leonore Gewessler stellen, die auch nicht immer zuerst ins Gesetz schaut, bevor sie Maßnahmen ergreift, wie in der Frage der Lobau­autobahn – vielleicht! (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der FPÖ. Zwischen­rufe bei der ÖVP.)

Noch einmal darauf zurückkommend: So kann und darf es in der Republik nicht gehen! Die Vorschriften sind einzuhalten, es ist ordnungsgemäß abzuwickeln und es darf nicht dazu kommen, dass hervorragende Beschäftigte, die wir im öffentlichen Dienst haben, persönlich beschädigt werden, weil man es oben nicht zusammenbringt oder gerade ein Ringelspiel in der Regierung veranstaltet. Ehrlich nicht, meine Damen und Herren!

Gleich an dieser Stelle: Ich schätze Alexander Schallenberg als Diplomat. Nur: Manche Aussagen machen mir wirklich Sorgen, wenn ich dann wieder etwas höre, von dem ich gehofft hatte, dass es mit der unseligen Diskussion um die Vergangenheit des früheren Bundespräsidenten Kurt Waldheim zu Ende war, wenn man die Frage, ob Österreich ein Opfer war, im Jahr 2022 wieder aufs Tapet bringt. (Abg. Blimlinger: Das hat er doch nicht gemacht!) Die Erkenntnis ging quer durch die Familien: Wir hatten viele Täter in diesem Lande, und ein Opfer ist nicht daran erkenntlich, dass es beim Einmarsch der Truppen die Grenzbalken hochmacht. Dazu sollte man stehen, auch zu unserer Verant­wortung. In diesem Sinne, Herr Bundesminister: Schwächen Sie künftig nicht Ihre Mitar­beiterinnen und Mitarbeiter, hervorragendes Personal, und überlegen Sie sich selber, wie Sie sich äußern!

Kleiner Nachsatz: Eine aktive Rolle, um als neutrales Land wieder für Frieden auf diesem Kontinent zu sorgen, werden wir nicht bekommen, wenn wir einseitig für eine Seite Wort ergreifen. Das wird nicht funktionieren. Ein ehrlicher Makler wird sich beide Sei­ten anhören müssen und wird vernünftige Vorschläge machen können. Österreich hat zum Frieden in der Ukraine viel beigetragen. Auch unsere Diplomaten haben am Mins­ker Abkommen intensiv mitgewirkt. Nur da drinnen stand auch, dass eine Autonomie der minderheitenbesiedelten Gebiete herzustellen ist. Und? Was ist geschehen? – Ein Gesetz, in dem man verbietet, die Muttersprache zu verwenden. (Zwischenruf der Abg. Pfurtscheller.)

Wir als Österreicher mussten es lernen! Im Staatsvertrag, der unsere Unabhängigkeit bedeutete, wurden wir verpflichtet, die Minderheitenrechte samt Sprache einzuhalten. (Neuerlicher Zwischenruf der Abg. Pfurtscheller.) Wir haben uns schwer genug damit getan, wenn ich nur an den Ortstafelkonflikt erinnern darf. (Zwischenruf der Abg. Belako­witsch.) Wir haben die Lektion gelernt, und es wird Aufgabe eines ehrlichen Maklers sein, auch unserer Spitzendiplomaten, Vereinbarungen zustande zu bringen, in denen Menschenrechte als westliche Werte auch von allen Alliierten eingehalten werden. Das könnte unser Personal erreichen, würde es nicht durch Fehlentscheidungen, die aus dem Chaos der Bundesregierung kommen, beschädigt werden. Pleiten-, Pech- und Pan­nendienst: Es tut mir leid für das Land, meine Damen und Herren! (Beifall bei der SPÖ. Abg. Belakowitsch: Das sind jetzt schon 6 Minuten!)

15.24

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Graf. – Bitte.