15.59

Abgeordnete Sigrid Maurer, BA (Grüne): Sehr geehrter Präsident! Sehr geehrte Mitglieder der Bundesregierung! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe ZuseherInnen! Wir vonseiten der Politik, wir hier im Parlament beschäftigen uns meist mit innenpoliti­schen Fragen, mit wirtschaftspolitischen, mit sozialpolitischen Fragen, mit gesellschafts­politischen Fragen, selbstverständlich auch mit außenpolitischen Fragen und europa­politischen Fragen, aber niemand von uns hätte wohl gedacht, dass wir uns im Jahr 2022 mit einem Krieg auf europäischem Boden beschäftigen müssen, mit einem Krieg, der wenige Hundert Kilometer von uns entfernt stattfindet.

Wir alle verfolgen gebannt die neuesten Meldungen aus der Ukraine, die uns erreichen, die Bilder, die Videos, die persönlichen Berichte in den sozialen Medien, von den Men­schen in den Luftschutzbunkern, in den U-Bahnstationen, die dazu umfunktioniert wur­den. Das Ausmaß an Zerstörung und Leid ist unvorstellbar: Babys, die in diesen Bunkern geboren werden, Menschen, die fliehen, Menschen, die verletzt werden, Menschen, die getötet werden. Es ist unerträglich.

Heute ist auch Internationaler Frauentag, und Frauen sind, wie von meinen VorrednerIn­nen schon erwähnt und angesprochen, ganz besonders von den Gräueln des Krieges betroffen.

Die Verantwortung für diesen Angriffskrieg hat eine Person, ein Mann, Wladimir Putin – ein Mann, der seine Interessen ohne Rücksicht auf Verluste und Menschenleben ver­folgt. Dieser Angriffskrieg ist nicht nur ein Bruch des Völkerrechts, dieser Krieg ist ein Überfall auf europäische Werte – auf die europäischen Werte, für die die Menschen in der Ukraine bereit sind, erbitterten Widerstand zu leisten. Widerstand, mit dem der russische Präsident offensichtlich nicht gerechnet hat, Widerstand, der ihm auch in seinem eigenen Land in viel größerem Ausmaß, als er erwartet hat, entgegenschlägt und den er mit absoluter Brutalität niederzuschlagen versucht. (Beifall des Abg. Koza.)

Ganz Europa leistet Widerstand und wird auch weiterhin in einer Geschlossenheit, die es bisher nicht gab, Widerstand leisten, indem wir Putins Regime, so hart und so konsequent es geht, in die Schranken weisen. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

Für dieses Vorgehen wissen wir die Bevölkerung hinter uns. In Österreich, in ganz Europa, auf der ganzen Welt demonstrieren die Menschen in Solidarität für die Ukraine. Die österreichische Bundesregierung, die Europäische Union tun alles dazu, um die Ukraine, um die flüchtenden Menschen und die Nachbarstaaten bestmöglich zu unter­stützen.

Eines muss in diesem Kontext allen klar geworden sein, auch jenen, die es bisher nicht wahrhaben wollten, nämlich dass die Abhängigkeit vom russischen Gas eine Gefahr für unsere Freiheit darstellt. Sie macht uns verwundbar, sie macht uns zum Spielball für russische Interessen, und dass wir uns in dieser Abhängigkeit befinden, ist ein Versäu­mnis der Politik der vergangenen 15, 20 Jahre. Es ist erschreckend, beispielsweise in einem Interview mit dem ehemaligen OMV-Chef zu lesen, wie Versuche, diese Abhän­gig­keit zu reduzieren oder überhaupt zu verhindern, sogar aktiv hintertrieben wurden. Was in diesen letzten 15 Jahren verabsäumt worden ist, nämlich den Ausstieg aus Öl und Gas massiv voranzutreiben, dafür sorgt jetzt Leonore Gewessler. Ich bin sehr froh, dass auch Bundeskanzler Karl Nehammer und der Koalitionspartner dieses Anliegen total teilen und wir gemeinsam daran arbeiten, diesen Ausstieg zu schaffen. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Jedes Windrad, das wir bauen, bedeutet Unabhängigkeit, jede Gastherme, die wir aus­tauschen, heißt mehr Freiheit. Ja, wir werden nach Alternativen von Gas suchen müs­sen, auch in Ländern, die uns nicht gefallen, Herr Klubobmann Kickl, denn was in 20 Jah­ren Politik verabsäumt wurde, kann nicht in drei Monaten von einer neuen Energieministerin aufgeholt werden.

Ja, das wird kosten, und ja, ebenso werden die scharfen Sanktionen gegen Russland kosten. Die Freiheit, die Souveränität und das Lebensrecht der Menschen in der Ukraine dürfen aber kein Preisschild haben, und unsere Solidarität ist ihnen sicher. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Ich möchte jetzt aber noch zum zweiten Teil dieser Regierungserklärung kommen und ein paar Worte dazu finden. Johannes Rauch hat es in seiner Pressekonferenz selber gesagt: Vor dem Hintergrund eines brutalen Angriffskriegs auf europäischem Boden verblasst die Bedeutung eines Ministerwechsels. Gleichzeitig warten die großen Heraus­forderungen im Gesundheits- und Sozialbereich nicht.

Ich möchte mich an dieser Stelle ebenso ausdrücklich bei Wolfgang Mückstein für seine Arbeit bedanken, für seinen Mut, dieses schwierige Amt zu übernehmen, für sein Enga­gement und die Leistungen – es wurde schon genannt, beispielsweise der Ausbau der psychologischen Betreuung oder der Hospiz- und Palliativmedizin –, aber auch für seinen konsequenten Einsatz gegen Gewalt an Frauen. Vielen Dank, Wolfgang! (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Heute begrüßen wir nun in unserer Mitte Johannes Rauch als neuen Sozial- und Gesundheitsminister. Lieber Johannes, ich freue mich außerordentlich, dass du bereit bist, dieses Amt zu übernehmen und das auch mit großer Freude tust. Wir kennen dich als besonnenen, als erfahrenen, als umsichtigen Politiker, als jemanden, dem das Gemeinwohl und der scharfe Blick auf Ungerechtigkeiten und soziale Verwerfungen das zentrale Anliegen sind. Auch schon vom kleinen Vorarlberg aus hattest du immer das große Ganze im Blick, und ich freue mich, dass du diese Weitsicht in unsere Bundes­regierung einbringen wirst. (Beifall bei den Grünen sowie des Abg. Wöginger.)

Die Herausforderungen sind zweifelsohne beträchtlich. Die Pandemie ist nicht vorbei, unser Anspruch muss sein, bestmöglich auf den nächsten Herbst und Winter vorbereitet zu sein. Aber auch andere Themen wie die Situation der Pflegekräfte oder die der zu pflegenden Personen müssen uns in den nächsten Monaten intensiv beschäftigen. Das Ressort, das du übernimmst, lieber Johannes, bietet viel Gestaltungsspielraum: Was können wir für die KonsumentInnen, für das Tierwohl tun?, aber ganz besonders auch: Wie können wir die Situation von Menschen mit Behinderung verbessern?

Ich bin mir sicher, du wirst viele gute Antworten liefern, und ich weiß, dass du beherzt anpackst, auch wenn sich der Widerstand aus dem einen oder anderen Bundesland regen sollte. Ich habe volles Vertrauen, dass du deine Sache gut meistern wirst, und ich verspreche dir dafür volle Unterstützung von meiner Seite und vom grünen Parlaments­klub. Vielen Dank und herzlich willkommen! (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

16.06

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Klubobfrau Meinl-Reisinger ist zu Wort gemel­det. – Bitte sehr.