17.17
Bundesministerin für Frauen, Familie, Integration und Medien im Bundeskanzleramt MMag. Dr. Susanne Raab: Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! Werte Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Zuseherinnen und Zuseher! Heute ist Weltfrauentag, und der Weltfrauentag erinnert uns jährlich daran, dass wir im Dienste für die Frauen und für die Gleichberechtigung noch einen weiten Weg gehen müssen. Er erinnert uns daran, dass wir auch einmal den Blick über die Grenzen wagen müssen, dass es Länder gibt, in denen Frauen reine Objekte sind, in denen Frauen nicht entscheiden dürfen, ob sie einen Beruf ergreifen und welchen, in denen Frauen nicht entscheiden dürfen, wen sie heiraten, in denen Frauen nicht selbstbestimmt leben dürfen; dass es Länder gibt, in denen Sicherheit und körperliche Unversehrtheit eine reine Illusion sind, weil die Frauen zwangsverheiratet werden, weil sie genitalverstümmelt werden, weil sie gar gesteinigt werden.
Wenngleich in Europa und auch in Österreich die Gleichberechtigung ein so fundamentaler Wert ist und wir in der glücklichen Situation sind, dass wir die Gleichberechtigung auch auf Basis der Menschenrechte und auch mit dem Schutz unserer Verfassungen als ganz zentralen Wert in der Mitte unserer Gesellschaft haben, so sind wir doch bei Weitem nicht dort, wo wir sein sollen, ja, wo wir sein müssen, wo es unsere liberale Demokratie gebietet zu sein.
Wo eine Gesellschaft steht, sehr geehrte Damen und Herren, lässt sich am Fortschritt der Gleichstellung ganz klar festmachen. Daher erinnert uns der Weltfrauentag immer daran, dass wir ganz hart an dieser Sache gemeinsam weiterkämpfen müssen.
In diesem Jahr liegt aber ein spezieller Schatten über dem Weltfrauentag, vor allem für uns in Europa, ja auch für uns in Österreich, denn es wird uns schmerzlich vor Augen geführt, dass die Freiheit und die Sicherheit, Werte, die für uns irgendwie selbstverständlich geworden sind – für meine Generation und auch für die Generation danach ein völlig normales und alltägliches Gut sind –, dass diese Werte eben nicht selbstverständlich sind, auch nicht auf unserem gemeinsamen Kontinent, auch nicht in unserer unmittelbaren Nachbarschaft.
Die Frauen sind dabei immer die ganz stillen Leidtragenden. Sie sind diejenigen, die stark sein müssen für ihre Kinder, die selbst auch auf der Flucht versuchen, ihren Kindern irgendwie ein Stückchen Normalität zu geben, ein Stückchen Alltag zu geben, die ihre Väter, ihre Ehemänner und Söhne zurücklassen und in eine ungewisse Zukunft gehen müssen, und das alles rund 600 Kilometer von uns entfernt, so nahe!
Deshalb haben wir hier eine ganz zentrale Verantwortung im Sinne der Nachbarschaftshilfe, eine Verantwortung, der wir unterschiedlich nachkommen müssen: zum einen mit der unmittelbaren Solidarität der Ukraine gegenüber, zum Zweiten mit der humanitären Hilfe vor Ort, und jetzt zum Dritten selbstverständlich auch darin, dass jene Vertriebenen, vor allem Frauen und Kinder, die in Österreich Schutz suchen, diesen Schutz auch bekommen. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)
Ich habe letzte Woche eine Gruppe ukrainischer Frauen getroffen, Frauen, die schon länger in Österreich leben, aber eben ukrainische Wurzeln haben. Es ist unvorstellbar, was auch diese Frauen derzeit erleiden, weil sie natürlich laufend, auch während unseres gemeinsamen Treffens, am Handy sind, weil sie laufend auf Nachrichten aus der Heimat warten, weil sie laufend der Nachrichten harren, wie sich der Krieg entwickelt, wie es in den Städten weiter aussieht, ob die Familien, die noch in der Ukraine sind, überhaupt noch leben, ob die Familien es zu ihnen nach Österreich schaffen.
Bei all dem Leid und bei all den Sorgen, die im Raum waren, war trotzdem eine unfassbare Stärke, unfassbare Kraft in diesem Raum zu spüren. Diese Kraft hat mich auch wieder sehr ermutigt, sie hat uns gemeinsam dazu ermutigt, den Frauen und vor allem den Kindern, die jetzt nach Österreich kommen, einfach jegliche Hilfe zuteilwerden zu lassen.
Ich habe gerade heute im Österreichischen Integrationsfonds ein neues Frauenzentrum eröffnet, ein Zentrum, das sich speziell auf die Bedürfnisse von geflüchteten Frauen einstellt; weil eben, gerade wenn Frauen und Kinder kommen, spezielle Notwendigkeiten bestehen, weil es da vielfach um die Integration der Kinder ins Bildungssystem geht, weil es natürlich vielfach auch um Themen von Gewalterfahrungen geht, weil es vielfach selbstverständlich auch darum geht, was die Frauen erleiden mussten, auch auf ihrem Fluchtweg.
Wir haben gute Integrationsstrukturen in Österreich. Auch die werden wir den Frauen und Kindern zuteilwerden lassen. Wir haben ein breites System an Deutschkursen, wir haben ein breites System an Orientierungskursen, und wir haben natürlich gute Arbeitsmarkt- und Integrationsmaßnahmen. Jetzt gilt es aber erst einmal, Sensibilität walten zu lassen und sich auf die speziellen Situationen, in denen die Frauen jetzt sind, die mit ihren Kindern flüchten müssen, auch einzulassen und diese wahrzunehmen.
Sehr geehrte Damen und Herren, anlässlich des Weltfrauentages ist es auch unsere Aufgabe, den Blick nach Österreich zu richten. Der zentrale Befund ist: Ja, es hat sich einiges getan, aber es ist auch noch sehr viel zu tun.
Ich möchte mich ganz ausdrücklich auch beim Koalitionspartner dafür bedanken, dass in den letzten beiden Jahren viele Schritte gegangen worden sind, von der Budgeterhöhung um über 80 Prozent seit meinem Amtsantritt bis hin zum größten Gewaltschutzpaket – rund 25 Millionen Euro, die in Strukturen investiert wurden –, der stetigen Erhöhung der Förderung der Frauen- und Mädchenberatungseinrichtungen. Wenn ich hier Bundesminister Martin Kocher sehe, fällt mir ein: Es gibt eine überproportionale Förderung von Frauen am Arbeitsmarkt, ein Rekordbudget für die Frauen am Arbeitsmarkt. Auch im Bereich der Vereinbarkeit von Familie und Beruf ist eine stetige Verbesserung bei der Kinderbetreuung zu vermerken. Unser Ziel muss es aber sein, dass jede Frau und jedes Mädchen in Österreich selbstbestimmt leben kann, finanziell unabhängig leben kann. Wir brauchen echte Wahlfreiheit für Frauen in Österreich. (Beifall bei der ÖVP sowie bei Abgeordneten von SPÖ und Grünen.)
Dazu ist ganz zentral, dass wir weiter an der qualitätsvollen Kinderbetreuung arbeiten. Das ist der Schlüssel für die echte Wahlfreiheit von Familien, damit sich die Familien und die Frauen selbst entscheiden können, welches Lebensmodell sie wählen; ob sie nämlich früher in den Erwerb einsteigen wollen oder eben beim Kind länger zu Hause sein wollen. Wir brauchen diese echte Wahlfreiheit, und daher werden wir weiter und gemeinsam mit den Bundesländern umfassend in den Ausbau der Kinderbetreuung investieren.
Es braucht zusätzlich zu dem, was wir getan haben, weitere Maßnahmen. Ich habe letzte Woche gerade eine neue Einrichtung gegründet. Der Fonds heißt LEA, was für Let’s empower Austria steht, und er wird in dem Bereich Wissensvermittlung arbeiten, weil ich will, dass Frauen bewusste Entscheidungen treffen können, dass sie wissen, was es bedeutet, wenn sie länger in der Karenz sind und was das womöglich für ihre Pension bedeutet. Ich will, dass wir Mädchen von ihren Grenzen im Denken befreien. Sie sollen wissen, dass sie jeden Beruf erlernen können, den sie möchten. Ich will, dass sie sich auch für sozusagen Männerdomänen interessieren, für die Zukunftsbranchen im Technologiebereich, im naturwissenschaftlichen Bereich, im mathematischen Bereich.
Auch will ich die großartigen Frauen, die wir in Österreich haben, die hier schon so viel geleistet haben, vor den Vorhang holen. Bundeskanzlerin außer Dienst Brigitte Bierlein unterstützt unser Projekt genauso wie die Direktorin der Technischen Universität Sabine Seidler, genauso wie die Teamchefin der österreichischen Fußballnationalmannschaft der Frauen Irene Fuhrmann und viele, viele andere Mutmacherinnen, die gemeinsam mit mir die jungen Frauen und Mädchen erreichen wollen, um ihnen ein Vorbild zu sein, um ihnen Inspiration zu geben.
Sehr geehrte Damen und Herren, Gleichstellung ist eine Aufgabe, die nicht nur wir im Frauenministerium wahrnehmen. Es ist eine Aufgabe, die uns alle angeht. Es ist nicht nur eine ganz zentrale Frage der Fairness, sondern es ist auch eine Frage, in der es darum geht, dass wir Österreich zukunftsfit machen.
Ich möchte, dass jede Frau selbstbestimmt leben kann, ich möchte, dass jede Frau finanziell unabhängig ist, und ich möchte selbstverständlich, dass keine Frau Diskriminierungen erfährt, dass gleichwertige Arbeit auch gleich entlohnt wird; denn weniger zu verdienen, nur weil man eine Frau ist (Zwischenruf bei der SPÖ), das ist völlig inakzeptabel! (Beifall bei ÖVP und Grünen.)
Ich möchte mich auch bei den Damen und Herren Abgeordneten bedanken. Vielfach haben wir natürlich unterschiedliche Zugänge zur Frauenpolitik. Ich bin aber davon überzeugt, dass es über die Parteien hinweg einfach eine große Einigkeit darüber gibt, dass wir gemeinsam Ungerechtigkeiten benennen müssen, dass wir gemeinsam erkennen, dass wir noch einen weiten Weg gehen müssen bis zur echten Gleichstellung, und darüber, dass wir alle gemeinsam, Männer und Frauen, daran weiterarbeiten müssen. – Vielen Dank. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)
17.26
Präsidentin Doris Bures: Nun ist Frau Abgeordnete Ernst-Dziedzic zu Wort gemeldet. – Bitte.